Die Gelassenheit ist weg. Noch vor zwei Wochen schwang bei den Auftritten des Bundesrats eine gewisse Erleichterung mit. Erleichterung darüber, die Lage im Griff zu haben und der Bevölkerung wieder mehr Freiheiten zurückgeben zu können. Doch das ist vorbei. Jetzt, da die Fallzahlen erneut steigen - am Mittwoch waren es 137 - klingt es wieder ernster, vorsichtiger, weniger optimistisch.
Gleich vier Bundesräte traten am Mittwoch vor die Medien, dazu mehrere Chefbeamte und der Chef der SBB - es erinnerte an die Auftritte der Regierung zu Beginn der Krise.
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Nur zehn Tage nach dem Ende der ausserordentlichen Lage, zehn Tage, nachdem der Bund den Kantonen wieder mehr Kompetenzen gab, sah sich der Bundesrat gezwungen, erneut das Zepter in die Hand zu nehmen und einzugreifen. Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga sagte vor den Medien:
Das Virus sei mit dem Ende der ausserordentlichen Lage nicht verschwunden. Man müsse nun die richtige Balance finden: die Balance zwischen Vorsicht und Lockerheit, zwischen Vorschriften und Eigenverantwortung, zwischen Bund und Kantonen.
Der Bundesrat ordnete daher an: Ab Montag muss im öffentlichen Verkehr eine Maske getragen werden. Obligatorisch ist dies für alle Passagiere ab zwölf Jahren in Zügen, Tram und Bussen, aber auch in Seilbahnen oder auf Schiffen - und zwar unabhängig davon, wie viele Passagiere unterwegs sind. Auch wer alleine in Bus oder Zug unterwegs ist, muss eine Maske aufsetzen.
Bisher hatte es der Bundesrat bei einer dringenden Empfehlung belassen. Doch nur wenige waren dieser gefolgt. Angesichts steigender Fallzahlen und der anstehenden Sommerferien sei die Maskenpflicht jetzt nötig, erklärte der Bundesrat.
Die Schweiz folgt damit ihren Nachbarländern - mit Verzögerung und nach einigem Hin und Her. Zu Beginn der Pandemie hatte der Bund den Nutzen von Masken noch in Frage gestellt. Das hat sich geändert, laut Bundesrat auch aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse. Bundespräsidentin Sommaruga betonte: «Mit der Maske schützen wir uns selber und die anderen.»
Ein Hin und Her gab es auch bei der Verteilung der Kompetenzen. Noch Anfang dieser Woche hatte Bundesrat Alain Berset den Ball den Kantonen zugespielt: Diese seien nun hauptverantwortlich für die Bekämpfung der Pandemie und könnten eine Maskenpflicht für den ÖV verhängen. Einzelne Kantone wie Genf und Bern nahmen den Ball auf - doch noch bevor sie eine Maskenpflicht einführen konnten, griff der Bundesrat ein. «Wir wollen kein regionales Patchwork», sagte Berset. Der Bund komme mit seinem Entscheid zudem dem Anliegen vieler Verkehrsbetriebe und der Kantone nach.
Der Druck auf den Bundesrat, eine Maskenpflicht im ÖV einzuführen, war in den letzten Tagen gewachsen. Die wissenschaftliche Taskforce hatte sich dafür eingesetzt, und auch der Präsident der Gesundheitsdirektorenkonferenz, Lukas Engelberger, hatte sich am Wochenende persönlich für eine nationale Pflicht ausgesprochen.
Unklar ist indes, wie viele Personen sich im ÖV tatsächlich anstecken. Der Bund verfügt über keine Zahlen dazu. Grössere Ausbrüche sind nicht bekannt. Verkehrsministerin Sommaruga sagte, es gebe nicht viele Ansteckungen im ÖV; die Maskenpflicht sei eine Präventionsmassnahme. In vollen Zügen und Bussen könnten die Abstände nicht eingehalten werden und es liessen sich keine Kontaktlisten erstellen wie etwa in Clubs, ergänzte Berset. Deshalb sei ein Maskenobligatorium sinnvoll.
Auch von den SBB kamen zustimmende Töne: Die Maskenpflicht sei zum jetztigen Zeitpunkt nötig, sagte SBB-Chef Vincent Ducrot. Die Zahl der Fälle steige, gleichzeitig benützten wieder mehr Personen den ÖV. Die Verkehrsbetriebe dürften zudem froh sein, dass es eine nationale Regelung gibt - und keinen kantonalen Flickenteppich.
Einen Streitpunkt gibt es aber: Wer soll die Umsetzung kontrollieren? In einem Faktenblatt schreibt das Bundesamt für Gesundheit dazu: «Die Kontrolle und der Vollzug erfolgen durch das Zugpersonal und die Bahnpolizei bzw. Sicherheitsdienste.» Die Gewerkschaft des Verkehrspersonals SEV hält es für problematisch, dass die Durchsetzung der Maskenpflicht bei den Kundenbegleitern liegen soll. Auch Postauto winkt ab: «Unsere Mitarbeiter, seien dies Fahrer oder das Kontrollpersonal, haben grundsätzlich keine polizeilichen Aufgaben zur Durchsetzung jedweder solcher Massnahmen.»
Eine Busse gibt es nicht, wenn jemand keine Maske trägt. Wer sich weigert, muss aber bei der nächsten Haltestelle aussteigen, wie das Bundesamt für Gesundheit schreibt. Verhält sich jemand renitent, kann er wegen Ungehorsams gebüsst werden. Der SEV mahnt, die Überwachung berge «ein hohes Konfliktpotential».
Anders als zu Beginn der Pandemie hat die Schweiz inzwischen viele Hygienemasken an Lager. Die Armeeapotheke hat bis Mitte Juni 306 Millionen eingekauft. Obligatorisch sind diese heute schon unter anderem beim Coiffeurbesuch und an Demos. Es sei übrigens auch nicht schlimm, eine Maske zu tragen, merkte Bundespräsidentin Sommaruga an: «Es ist kein Drama.»
Heute erscheint sie mir als einziges Seelentrösterchen, um eine Stampede zu verhindern.
Insbesondere solange bekannte Verbreitungsquellen, wie Clubs und mittelgrosse Veranstaltungen, weiterhin erlaubt sind.
Mag sein, aber sie haben ein sog. "Hausrecht", von dem sie Gebrauch machen können und brauchen somit Leute ohne Maske erst gar nicht in Bus oder Bahn einsteigen zu lassen. Weiterhin sind sie auch für die Betriebssicherheit verantwortlich.
Also gibt es schon Mittel und Möglichkeiten die Kontrollen durchzuführen.