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Gewaltproteste in Jerusalem: 6 Punkte zur Eskalation in Israel

epa09186421 Israeli Police during a protest supporting Palestinian families that face eviction from their homes at Sheikh Jarrah neighborhood, in Damascus gate in Jerusalem, 07 May 2021. An Israeli co ...
Ein israelischer Polizist beim Damaskus-Tor in Jerusalem am Freitag, 7. Mai.Bild: keystone

Proteste, Raketen und Eskalationen – diese 6 Punkte musst du zur Lage in Israel kennen

10.05.2021, 11:0510.05.2021, 13:26
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Was ist passiert?

Die Stimmung in Israel und den palästinensischen Gebieten ist derzeit explosiv. Übers Wochenende kam es zu erneuten Protesten und Ausschreitungen. Es werden weitere Eskalationen befürchtet.

Auf dem Tempelberg in Jerusalem ist es am Montagmorgen zu neuen Auseinandersetzungen zwischen Palästinensern und israelischen Sicherheitskräften gekommen. Videos zeigten, wie Polizisten vor der Al-Aksa-Moschee Blendgranaten Tränengas und Gummigeschosse gegen Steine werfende Palästinenser einsetzten

Eine Polizeisprecherin erklärte, die Polizei werde es nicht zulassen, dass «Extremisten» die öffentliche Sicherheit gefährdeten. Nach Angaben des Palästinensischen Roten Halbmondes wurden Dutzende Menschen verletzt, 50 von ihnen wurden in Krankenhäuser gebracht.

Aus mehreren anderen Städten wurden in den vergangenen Tagen Proteste gemeldet, etwa aus der israelischen Hafenstadt Haifa, wo es Festnahmen gegeben habe, nachdem Demonstranten versuchten, eine Polizeisperre zu durchbrechen.

Insgesamt sind bei den heftigen Zusammenstössen in der Altstadt von Jerusalem seit Freitag mindestens 300 Palästinenser und 20 Polizisten verletzt worden. Zu Todesfällen kam es glücklicherweise nicht.

Weshalb ist die Stimmung so aufgeladen?

Die Lage im Westjordanland und im arabisch geprägten Ostteil Jerusalems ist seit Beginn des Fastenmonats Ramadan angespannt. Viele Palästinenser sind zornig, weil die Polizei Bereiche der Altstadt abgesperrt hatte, um Versammlungen zu verhindern.

Ausserdem drohen einigen palästinensischen Familien im Stadtteil Scheich Dscharrah Wohnungsräumungen durch israelische Behörden. Die Familien bewohnten die Häuser teils seit Jahrzehnten. Der Rechtsstreit darüber dauert bereits Jahre. Gemäss NZZ räumten Siedler ein, dass es ihnen darum gehe, strategische Orte im besetzten Ostjerusalem unter ihre Kontrolle zu bringen. Während Unruhen griffen Siedler am Donnerstag zu den Waffen. Die israelische Polizei nahm die Waffen ab, liess sie aber ansonsten in Ruhe.

Was macht die Lage so brenzlig?

Gleichzeitig begeht Israel am Montag den Jerusalem-Tag. Das Land feiert damit die Eroberung des arabischen Ostteils von Jerusalem einschliesslich der Altstadt während des Sechstagekriegs 1967. Aus Sorge vor Gewalt hat die israelische Polizei Juden am Montag verboten, bei Flaggenmärschen durch die Altstadt auch den Tempelberg zu besuchen. Die Palästinenser sehen Ost-Jerusalem als Hauptstadt eines künftigen eigenen Staates.

epa09188711 General view of the Al-Aqsa mosque compound during clashes between Palestinian and the Israeli police in Jerusalem, 10 May 2021, ahead of a planned march of Israelis right-wing groups to m ...
Der Tempelberg (im Bild links die Al-Aksa-Moschee, rechts mit der goldenen Kuppel der Felsendom) ist für Juden und Muslime heilig.Bild: keystone

Der Tempelberg mit dem Felsendom und der Al-Aksa-Moschee ist für Juden wie Muslime von herausragender Bedeutung. Es ist die drittheiligste Stätte im Islam. Zugleich standen dort früher zwei jüdische Tempel, von denen der letzte im Jahr 70 von den Römern zerstört wurde. Die Klagemauer ist ein Überrest jenes zerstörten Tempels und die heiligste Stätte der Juden.

Wie reagierten die Extremisten?

Militante Palästinenser versuchten am Wochenende, aus der explosiven Stimmung Kapital zu schlagen und feuerten erneut Raketen auf das israelische Grenzgebiet.

In der Grenzstadt Sderot und anderen Ortschaften heulten nach Militärangaben am Morgen die Warnsirenen. Es seien drei Geschosse abgefeuert worden. Eines davon habe offensichtlich die Raketenabwehr «Irone Dome» abgefangen. Am Sonntagabend hatten militante Palästinenser bereits vier Raketen in Richtung Israel abgeschossen.

Ausserdem wurden Spreng- und Brandballons über die Grenzanlage geschickt. Im Gegensatz zu den Raketen – die meistens abgefangen werden – verursachen Brandballone weitaus grösseren Schäden.

Israelische Panzer beschossen daraufhin Stützpunkte der im Gazastreifen herrschenden islamistischen Hamas. Israel schloss auch den Erez-Grenzübergang zu dem Palästinensergebiet.

Am Sonntagabend hatte Israel nach einer neuen Eskalation der Gewalt bereits die Fischereizone vor dem Gazastreifen bis auf weiteres geschlossen.

Wie reagiert das Ausland?

Die US-Regierung zeigte sich beunruhigt über die Lage in Jerusalem. Der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, habe in einem Telefonat mit seinem israelischen Amtskollegen Meir Ben-Shabbat betont, die USA bemühten sich um eine Deeskalation, teilte das Weisse Haus am Sonntag (Ortszeit) mit. Die USA seien besorgt über möglichen Räumungen palästinensischer Familien im Stadtteil Scheich Dscharrah. Der Beschuss Israels aus dem Gazastreifen sei inakzeptabel.

UN-Generalsekretär António Guterres fordere Israel auf, «maximale Zurückhaltung» zu üben, erklärte ein Sprecher der Vereinten Nationen in New York in der Nacht zu Montag.

Die Arabische Liga wollte am Montag eine Sondersitzung zu den Zusammenstössen abhalten. Das Treffen unter Vorsitz Katars finde auf Gesuch der Palästinenser statt, teilte der Vize-Generalsekretär der Arabischen Liga, Hussam Saki, mit. Thema des Treffens seien «israelische Verbrechen» und «Angriffe auf Gläubige» in Jerusalem.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bezeichnete Israel angesichts der Zusammenstösse als «Terrorstaat». Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und Bahrain kritisierten Israel ebenfalls.

Das Nahost-Quartett aus den USA, Russland, den Vereinten Nationen und der EU äusserte sich besorgt. Israel solle während des Ramadans «alle Schritte vermeiden, die die Lage weiter eskalieren könnten».

(jaw/sda/dpa)

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Millionen Liter Öl aus Pipeline in Israel ausgelaufen
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Millionen Liter Öl aus Pipeline in Israel ausgelaufen
Öl aus einem Pipeline-Leck hat im Süden Israels kilometerweit die Landschaft verseucht.
quelle: epa/israeli enviromental protection / israeli enviromental protection minstry / handout
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Bilder wie aus einer anderen Zeit – doch so sieht das Leben gerade in Israel aus
Video: watson
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32 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Butschina
10.05.2021 11:31registriert August 2015
Ich wünschte mir, wir Menschen würden endlich alle einsehen, dass wir gemeisam viel besser dran wären als wenn wir gegeneinander sind.
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f303
10.05.2021 11:55registriert Februar 2014
Jetzt wo alle geimpft sind, kann man sich wieder dem alten Unsinn hingeben?
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circumspectat animo
10.05.2021 12:37registriert März 2019
Wann hört Israel endlich mit dem Sch.... auf ? Ich denke ja Israel möchte seinen Staat im arabischen Raum behalten und vlt auch irgendwann ohne die Schutzmacht USA in Frieden dort leben können, dann sollen sie endlich mit diesem Sch.... aufhören. Dieses Verhalten ist auch völlig realitätsfremd Israel verkennt ganz klar das sie, so lange sie sich Ihren Nachbarn gegenüber nicht friedlich verhalten keinen Frieden haben werden.
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