Ein bisschen Schadenfreude darf sein. Die Skination Nummer eins? Ganz klar: die Schweiz. 30 Jahre lang dominierte Österreich in der Nationenwertung, während Swiss-Ski im gleichen Zeitraum einige Krisen zu bewältigen hatte. Bis zur vergangenen Saison, als die Schweizer Skifahrerinnen und Skifahrer erstmals seit 1989 am meisten Weltcup-Punkte sammeln konnten.
Und nun, vor den Heimrennen der Frauen in Crans-Montana und dem Highlight der Männer in Kitzbühel, liegt die Schweiz erneut in Führung. Wie ist es möglich, dass dem österreichischen Verbandspräsidenten Peter Schröcksnadel in seinem letzten Amtsjahr die zweite Schmach in Folge droht? Denn nicht weniger als das ist es für den mächtigen Mann im Skisport unserer Nachbarn.
Während sich die Athletinnen und Athleten wenig bis gar nicht für die Nationenwertung interessieren und persönliche Ziele verfolgen, ist es für die Verbände eine Prestigewertung, die mit grossem Stolz verbunden ist.
Zufall ist es nicht, dass Swiss-Ski zur führenden Kraft im Skisport aufgestiegen ist. Es ist vielmehr das Resultat von guter Arbeit in den vergangenen Jahren und stetem Glauben, dass die Wende trotz Rückschlägen möglich wird. Nun ist sie geglückt, und das hat drei Gründe.
Swiss-Ski belegt in den Disziplinen Abfahrt, Super-G, Slalom und Riesenslalom sowohl bei den Frauen wie auch bei den Männern immer mindestens den zweiten Gesamtrang. Während es viele Jahre lang Sorgendisziplinen gab, überzeugen derzeit alle Teams. Und noch wichtiger: Es gibt in jeder Disziplin mehrere Athletinnen und Athleten, die viele Punkte sammeln können. Es ist eine Breite, die viele Jahre fehlte, die aber wichtig ist, wenn es darum geht, welche Nation führend ist. Und diese Breite erstaunt nicht.
Swiss-Ski hat es geschafft, ein Trainerteam zu etablieren und für lange Zeit an den Verband zu binden. Diese Konstanz auf den wichtigen Posten ist eine Grundlage für den Erfolg. Weil dadurch ein funktionierendes Teamgefüge entstanden ist. Ein Umfeld des Vertrauens für die Athletinnen und Athleten. Als Tom Stauffer nach der Saison 2013/2014 Cheftrainer wurde, belegte das Schweizer Männerteam Rang sechs. Heute stehen Beat Feuz und Co. an der Spitze.
Bei den Frauen schuf Hans Flatscher als Cheftrainer über Jahre die Basis für die heutigen Erfolge. Und als er 2018 an Beat Tschuor übergab, verliess er nicht etwa den Verband, sondern ist seither für den Schweizer Nachwuchs verantwortlich. Sein Nachfolger hat sich perfekt eingefügt und führt die erfolgreiche Arbeit fort. Für die wenigen Posten, die Swiss-Ski im Trainerbereich in den vergangenen Jahren neu besetzen musste, wurden ideale Nachfolger gefunden.
So wichtig es ist, viele Punktesammler im Team zu haben. Für den Erfolg braucht es die Spitze. Athletinnen und Athleten, die Podestplätze und Siege herausfahren. Resultate, die viele Punkte bringen. Von den bisher 2263 Punkten bei den Frauen haben Michelle Gisin (715) und Lara Gut-Behrami (472) mehr als die Hälfte geholt. Bei den Männern (2792) ist das Trio Marco Odermatt (501), Loïc Meillard (428) und Mauro Caviezel (307) für fast 50 Prozent verantwortlich.
Caviezel fällt derzeit verletzt aus, seine Punkte fehlen. Früher wäre der Ausfall eines Leistungsträgers fatal gewesen. Heute springen andere ein. Klar aber ist: Es braucht formstarke Athletinnen und Athleten. Das Supertalent Odermatt zum Beispiel, um den bisher für seine Verhältnisse formschwachen Beat Feuz zu kompensieren. Eine aufstrebende Gut-Behrami, die ein starkes Frauenteam noch stärker macht.
Aber aufgepasst. Die Arbeit muss weitergehen. Im Slalom der Männer waren die Schweizer in der vergangenen Saison die Nummer eins und die Österreicher weit abgeschlagen. In diesem Winter haben sie uns bereits wieder überholt.
Bei den Männern waren die technischen Disziplinen über Jahre die Kummerdisziplinen.
Diese Punkte haben früher immer gefehlt.