Sie ist klein, aber revolutionär. Sie ist klein, aber war ein wichtiger Bestandteil der Frauenemanzipation. Sie ist klein, aber hat massgebend zur weiblichen sexuellen Selbstbestimmung beigetragen. Die Rede ist von der Antibabypille. Heuer ist es 60 Jahre her, seit das erste hormonelle Verhütungsmittel für die Frau die Welt auf den Kopf gestellt hat.
Anlässlich dieses Jubiläums blickt «Arte» und die Filmemacherin Kirsten Esch in einer Doku auf diese Geschichte zurück und fragt gleichzeitig «60 Jahre Pille – Wo bleibt die Pille für den Mann?».
Dass diese Frage gerade jetzt wieder gestellt wird, ist kein Zufall. Weltweit schlucken 40 bis 60 Millionen Frauen die Hormon-Pille. Mehr als die Hälfte der Paare verhüten mit dieser Methode. Trotzdem: Die Absatzzahlen sind drastisch gesunken, wie es in der Doku heisst. Der Begriff «Pillenmüdigkeit» macht seit einigen Jahren die Runde. Unerwünschte Nebenwirkungen, der Trend zur Natürlichkeit und der Wunsch, nicht die alleinige Verantwortung für die Verhütung tragen zu müssen, machen der Pille einen Strich durch die Rechnung.
Wo bleibt also die Verhütungsmethode für den Mann? Zurecht stellt die Filmemacherin fest: «Wir können auf den Mond fliegen, drahtlos kommunizieren, doch bei der Pille für den Mann herrscht Stillstand.» Der Dokumentarfilm zeigt, dass das nicht immer so war. Tatsächlich standen verschiedene Verhütungsmittel kurz vor dem Durchbruch. Die wichtigsten Punkte der Doku im Überblick:
1970 hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein Programm zur Geburtenkontrolle gestartet. Sieben Task-Force-Gruppen widmeten sich den Verhütungsmethoden für die Frau und eine für den Mann. Schon damals wollte man ein Mittel finden, damit die Verantwortung der Familienplanung nicht mehr nur bei der Frau liegt. Neben der WHO hat die amerikanische NPO Population Council und zwei Pharmaunternehmen die Forschung für ein männliches Verhütungsmittel finanziert.
Das Forscherteam arbeitete an einer Methode, mit der man mit Testosteron die Spermien unterdrücken kann. 2006 folgte dann die grösste Studie zur männlichen Verhütung. Alle acht Wochen bekamen die männlichen Studienteilnehmer eine Injektion aus Testosteron gespritzt. In einem zweiten Schritt erhielten sie ein Gel mit Gestagen.
Diese Hormon-Methode funktioniert gleich wie bei der Frau: Die Steuerhormone im Hirn sollen unterdrückt werden, sodass die Hoden nicht angeregt werden und Testosteron oder Spermien bilden. Das Resultat bei den Studienteilnehmer sah erfolgversprechend aus: 96 Prozent hatten keine Spermien mehr. 4 Prozent weniger als die gewünschte eine Million.
Die Sache hatte aber einen Haken: Zehn Prozent der Männer klagten über Nebenwirkungen. Sie fühlten sich niedergeschlagen, antriebslos, klagten über Libido-Verlust und Gewichtszunahme. Es sind dieselben Nebenwirkungen, die die Frauen seit 60 Jahren plagen.
Paradoxerweise entschied die WHO aufgrund dieser beschriebenen Nebenwirkungen, die Studie abzubrechen. Seither hat sie sich aus der Finanzierung der Forschung an einem Verhütungsmittel für den Mann zurückgezogen. Auch die Pharmaindustrie verlor das Interesse.
Ein Endokrinologe, der die Studie in Münster geleitet hat, sagt im Film, dass die Dosis angepasst hätte werden können. Dies sei aber nicht in Erwägung gezogen worden, obwohl diese Justierung die Studie hätte retten können.
Das wollte eine Endokrinologin aus Seattle, die ebenfalls an der Studie beteiligt war, nicht unversucht lassen. Sie forscht deshalb derzeit daran, wie das Testosteron und das Gestagen oral abgegeben werden können und die Dosis so angepasst werden kann, dass es keine Nebenwirkungen gibt. Diese Pille wird derzeit an 92 Männern in den USA getestet.
Doch nur schon bis zur nächsten Studienphase (klinische Studie), dauert es noch zehn Jahre. Die Wissenschaftlerin erklärt jedoch, dass die Studie um einiges beschleunigt werden könnte, würden sie mehr finanzielle Unterstützung erhalten.
Ein anderes Forschungsteam in den USA führt derzeit ebenfalls eine Studie durch, um herauszufinden, wie die Nebenwirkungen reduziert werden können. Ihre Methode: Das Testosteron wird mittels eines Gels auf die Schultern aufgetragen. Das Hormon zieht dadurch nur langsam ein und die Zufuhr ist so kontinuierlicher als bei der Spritze. Bisher funktioniert die Annahme: Die Teilnehmer klagen über weniger Nebenwirkungen, jedoch haben sie noch zu viele Spermien im Ejakulat. Auch hier erwarten die Forscher, dass es noch mindestens zehn Jahre dauert, bis das Gel zugelassen würde.
Szenenwechsel: Im stillen Dasein verhütet eine Männergruppe aus der Bretagne bereits seit Jahren komplett ohne Hormone. Sie haben einen Slip entworfen, dank dem der Mann mit der thermischen Methode verhüten kann.
In diesen Slip haben sie ein Loch genäht. Der Penis und die leere Hodenhaut wird durch dieses gezogen. Die Hoden-Eier werden dadurch in den Bauchraum gestossen und dort auf die Körpertemperatur erwärmt. Diese Wärme schadet den Spermien und die Spermaproduktion nimmt ab.
Um dies zu erreichen, muss der Mann den Slip 13 bis 15 Stunden am Tag, während mehreren Monaten tragen. Wie das Resultat ausfällt, zeigt der Dokfilm während einer Untersuchung eines jungen Mannes, der den Slip zum ersten Mal ausprobiert hat.
Die Spermaprobe unter dem Mikroskop zeigt ein ungewohntes Bild: Es sind nur noch die Köpfchen der Spermien zu sehen, die Schwänzchen sind weg. Das heisst, die Spermien können nicht mehr schwimmen und der Mann ist unfruchtbar. Auch der Endokrinologe ist während dieser Szene sichtlich überrascht, dass diese Methode so einwandfrei funktioniert.
Von Seattle geht's nach Indien, wo schon seit den 70er-Jahren an einem Verhütungsmittel für den Mann geforscht wird. Hier verfolgt man das Ziel, die Überbevölkerung zu steuern. Im Vergleich zu den USA ist man bereits einen Schritt weiter: Das Gel «Risug» steht kurz vor der Zulassung im indischen Markt und wird bereits mit klinischen Versuchen getestet. Es wird in den Samenleiter injiziert und beschichtet dessen Innenwände. Dadurch können die Spermien den Kanal schlechter durchschwimmen. Zusätzlich ist das Gel negativ und positiv geladen, sodass die Spermienköpfe zerstört werden. 97 Prozent der Teilnehmer wurden unfruchtbar, keiner von ihnen hatte Nebenwirkungen. Der grosse Nachteil des Gels: Der Eingriff kann noch nicht rückgängig gemacht werden. Neue Studien sollen aber daran arbeiten. Denn wirkt die Injektion dauerhaft, ist sie nicht genug profitabel.
Auch dieses Verhütungsmittel wurde bereits in den 60er Jahren getestet und sogar für wirksam befunden.
Es funktioniert ganz ohne Hormone. Vitamin A wird im Hoden durch ein Enzym in Retinsäure umgewandelt. Das Enzym ist für die Spermienbildung notwenig. Durch die chemische Substanz, damals «Win» genannt, wird es blockiert. Dadurch wird die Spermienproduktion eingestellt. Das Problem: «Win» hemmt ein ähnliches Enzym, das für den Abbau des Alkohols in der Leber verantwortlich ist. Das führt dazu, dass sich die Männer schlecht fühlen würden, wenn sie in Kombination mit Win Alkohol trinken würden. Deshalb wurde die Studie vor 60 Jahren eingestellt.
Trinkt der Mann keinen Alkohol, wäre diese Substanz sehr effektiv, sagt der Physiologe im Dokfilm. Er forscht deshalb weiter an dieser Methode und testet Substanzen an Tieren. Er will die Umwandlung des Vitamin A nur im Hoden und nicht in der Leber blockieren. Auch hier lautet die Prognose: Bis sie ein Mittel hätten, das auch an Menschen funktioniert, würde es noch zehn Jahre dauern.
Eine Gruppe mittelalterlichen Männer aus Frankreich berichten im Dokfilm, dass sie in ihren jüngeren Jahren selbst an einem Verhütungsmittel getüftelt haben. Da Gestagen-Gel und Testosteron bereits verschreibungspflichtig in den Apotheken erhältlich war, haben sie diese Produkte kurzerhand selber kombiniert. Sie hätten keine Nebenwirkungen gehabt und hätten heute Kinder und Enkelkinder, wie sie vor der Kamera stolz berichten. Heute sei es jedoch schwieriger, einen Arzt zu finden, der einem diese Hormone verschreibt.
Im Dokfilm werden von den verschiedenen Expertinnen und Experten immer wieder Gründe genannt, warum es mit der Verhütungsmittel für den Mann nicht vorwärts geht oder bisher nicht ging:
Der «Arte»-Dokumentarfilm von Kirsten Esch gibt einen ausführlichen und verständlichen Einblick in die Forschung an einem Verhütungsmittel für den Mann und dessen Leidensweg. Er macht Hoffnung, dass jetzt alles auf dem richtigen Weg ist.
Für die Zuschauerin wirkt dieser Teil der Doku aber dennoch ernüchternd. Es wird einem klar, dass es nicht an den Möglichkeiten der Wissenschaft liegt, dass es noch kein effektives Verhütungsmittel für den Mann gibt. Mit einer entsprechender Finanzierung durch Gesundheitsorganisationen und Pharmaunternehmen hätten wir vielleicht bereits heute eines. Stattdessen wird Frau und Mann weiter vertröstet.
Kenne sehr viele Frauen, die Hormonelle Probleme haben aufgrund der Pille. Ständig beim Arzt sitzen weil irgendwas nicht stimmt.
Dann vergisst man die mal, und schon muss man bangen, dass die Pille überhaupt noch funktioniert, Durchfall? Tjo jetzt wirkt die evtl. Nicht mehr, Bauchschmerzen? Tja jetzt wirkt die evtl. Nicht mehr. Stunde zu spät, same.
Der Katalog der "Probleme" ist riesig, und dennoch nehmen so viele Frauen die Pille.
Die Auswirkungen die hormonelle Verhütung auf Körper und Psyche haben kann habe ich mehrfach erlebt und empfinde sie daher als untaugliches Mittel. Ich zieh mir lieber jedesmal die Lümmeltüte über als dass die geliebte Person plötzlich eine andere Persönlichkeit oder körperliche Beschwerden hat.