Deutschland gedenkt der Freiheitskämpferin Sophie Scholl, die vor 100 Jahren geboren wurde. Am 22. Februar 1943 haben die Nazis die 22-jährige Studentin und Widerstandsaktivistin zusammen mit ihrem Bruder und einem Studienkollegen hingerichtet – vier Tage nach der Verhaftung.
Die Guillotine der Nazischergen beendete das Leben der mutigen jungen Frau, die Sprüche wie «Nieder mit Hitler» an Wände schrieb und heimlich Flugblätter verteilte.
Deutschland tut gut daran, dieser Heldin zu gedenken. Denn heute hätte sie wieder alle Hände voll zu tun, um die totalitären Geister zu vertreiben. Und für Freiheit und Demokratie zu kämpfen. Denn aktuell sind viele Gruppen, Bewegungen und Parteien unterwegs, die völkische, rassistische und rechtsradikale Ideologien vertreten und verbreiten.
Sophie Scholl müsste zwar nicht mehr Angst haben, von der staatlichen Gewalt verfolgt, eingekerkert oder gar zum Tod verurteilt zu werden. Doch sie stünde mit Sicherheit auf dem Radar der rechtsradikalen Kreise, die bei unserem nördlichen Nachbarn an den Pfeilern der Demokratie rütteln.
Der Verfassungsschutz hat denn auch mit ihnen so viel zu tun wie nie zuvor. Ihre radikalen Ansichten, Programme und Ideologien tragen sektenhafte Züge.
Dass ausgerechnet in Deutschland mit seiner Vergangenheit wieder revisionistische Strömungen wie kaum in einem anderen Land in Europa aufkommen, bestätigt auf dramatische Weise die Ansicht vieler Politiker und Historiker, dass Völker und Menschen meist unfähig sind, aus der Geschichte lernen.
Es sind vor allem drei Ereignisse, die den rechtsradikalen Hardlinern und Gruppen die Morgendämmerung erleichtern: Die islamistischen Terroranschläge, die Migrationsströme und die Coronapandemie. Diese drei globalen Erschütterungen führen bei sensiblen und ängstlichen Menschen zu Verunsicherungen, weshalb sie besonders empfänglich sind für Fake News und Verschwörungstheorien der rechten Scharfmacher.
Die Liste der Verführer, Ideologen und Propagandisten ist lang. Da wären die völkische, rassistische und rechtspopulistische Pegida-Bewegungen, die das Abendland vor der angeblichen Islamisierung Deutschlands retten will. Die AfD (Alternative für Deutschland) ist ein wenig moderater, aber in weiten Teilen klar rechtsextremistisch.
Den braunen Politteppich bevölkern auch die sektenhaften Gruppen Anastasia, Identitäre Bewegung, Reichsbürger, NPD, die Freiheit und Pro Deutschland. All diese Gruppen, Bewegungen und Parteien finden im Kampf gegen die Coronamassnahmen eine gemeinsame Spielwiese.
Auf dieser Wiese tanzen auch viele Esoteriker, Anthroposphen, Querdenker, Verschwörungstheoretiker und Verfechter der Alternativmedizin. Wie politisch dieser Schmelztiegel geworden ist, zeigte sich beim Sturm auf den Reichstag.
Doch was hat das alles mit Sophie Scholl und ihrem Gedenktag zu tun? Manche jungen Frauen dieser heterogenen Szene vergleichen sich in ihrem Kampf gegen den Staat und die Coronamassnahmen mit der Freiheitskämpferin.
Eine Anmassung sondergleichen. Vergleicht man nämlich das politische Engagement der deutschen Coronaskeptiker mit dem Freiheitskampf von Sophie Scholl, werden die Unterschiede augenfällig.
Konkret: Für viele Aktivisten und Aktivistinnen sind die Corona-Demonstrationen eine Art «Familientreffen» und Happenings. Oder eigentliche Volksfeste mit teilweise völkischem Groove. Sie freuen sich auf die Zusammenkünfte mit Gleichgesinnten, skandieren freudig Parolen, liegen sich in den Armen, geniessen die «revolutionäre» Aufbruchstimmung.
Vom Staat haben sie schon gar nichts zu fürchten. Selbst bei unbewilligten Demos nicht.
Der Vergleich mit Sophie Scholl ist deshalb nur dumm und zynisch. Und eine Verhöhnung von Sophie Scholl, die ihren Kampf für Gerechtigkeit und Freiheit mit dem Leben bezahlte.
Das Gleiche gilt für die vielen anderen Nazi-Vergleiche, die Querdenker im Kampf gegen den Staat heranziehen.