Schwarze Leder-Bootsschuhe, die grauen Haare nach hinten gegelt, die Lesebrille in den aufgeknüpften Ausschnitt seines Polohemds geklemmt: Auf den ersten Blick entspricht P.S.* ziemlich genau dem Klischee eines erfolgreichen Geschäftsmannes aus der Zürcher Goldküste. Im Wartesaal des Bezirksgerichts Zürich scherzt der Immobilienhai mit seinem Anwalt, er wirkt gelassen.
Der 53-Jährige hat gut lachen: Er kommt mit einem blauen Auge davon. Er und zwei weitere Angeklagte, der ehemalige Hauswart sowie eine frühere Verwalterin, gingen einen Deal mit der Staatsanwaltschaft ein. Im abgekürzten Verfahren werden sie zu Freiheitsstrafen auf Bewährung verurteilt.
Herbst 2015: Ein Grossaufgebot der Polizei mit über hundert Einsatzkräften sowie zwanzig Dolmetschern fährt bei drei Häusern im Zücher Langstrassenquartier vor. Die Liegenschaften sind völlig heruntergekommen, die Bewohner der Häuser sind grösstenteils Randständige und Drogenabhängige. Eines der Häuser, jenes an der Magnusstrasse, wird aber auch oft von auswärtigen Suchtkranke besucht: Sie nutzen die Treppenhäuser sowie die Etagentoiletten für ihren Konsum, als Nachtlager und als Abfalldeponie. Spritzen, Blut, Abfall und Exkremente säumen die Treppenhäuser.
Die kleinsten der Einzimmerwohnungen sind gerade mal 10 Quadratmeter gross, pro Etage steht ein Duschraum sowie eine Toilette zur Verfügung. Kühlschränke gibt es nur in Ausnahmefällen. In sämtlichen Liegenschaften gibt es keine einzige Waschmaschine.
Der Polizei und der Stadt Zürich waren die Zustände in den Häusern seit Längerem bekannt. Seit einigen Monaten wurde die Liegenschaft zudem überwacht. Am 23. Oktober folgte dann der Zugriff, drei Personen wurden festgenommen. Die Geschichte löste ein grosses Medienecho in der Schweiz aus, fortan waren die Liegenschaften als «Gammelhäuser» bekannt.
Der Hauptverdächtige, P.S., wohnte zur Tatzeit an der Zürcher Goldküste. Er war als Immobilieninvestor tätig und kaufte die drei «Gammelhäuser» zwischen 2002 und 2010.
Dem angeklagten Mietwucherer waren die erbärmlichen Zustände seiner Häuser mehrheitlich egal. Er liess nur die dringendst nötigen Reparaturen vornehmen. Für seine Wohnungen liess er sich trotzdem fürstlich bezahlen: Über 1000 Franken verlangte er pro Einzimmerwohnung. Damit überstieg er den marktüblichen Mietzins um bis zu 170 Prozent. Die Mieten kassierte er oder eine der beiden Mitangeklagten in Bar, zum Teil auch unter Androhung, die Türschlösser auszuwechseln. In etlichen Fällen bezahlte das Sozialamt der Stadt Zürich die Miete.
Insgesamt belief sich der überhöhte Anteil der Mieteinnahmen im Tatzeitraum auf gut 750'000 Franken. Das sind durchschnittlich rund 12'500 Franken pro Monat.
Den drei Angeklagten wird gewerbsmässiger Wucher, mehrfache Nötigung durch Gewalt und Androhung der Beschränkung der Handlungsfreiheit und Gehilfenschaft zu Betrug, Pfändungsbetrug und Steuerbetrug vorgeworfen.
Gemäss der Anklageschrift wiesen die Liegenschaften auch bauliche und gesundheitsgefährdende hygienische Mängel auf. So waren viele der Dusch- und Toilettenräume von grossflächigem Schimmel befallen und notorisch verstopft. Die Anklage kam deswegen zum Schluss, dass «die Mieter einer dauernden Gefährdung ihrer Gesundheit und Sicherheit ausgesetzt» waren.
Bei der Durchsuchung im Herbst 2015 wurden bei P. S. neben einem Goldbarren und 150'000 Euro in Bar auch knapp 1,3 Millionen Franken beschlagnahmt.
Die Beschuldigten gingen bereits vor der Gerichtsverhandlung einen Deal mit der Staatsanwaltschaft ein. Dies wirkte sich positiv auf das Strafmass aus, da sie sich in allen Punkten schuldig bekannten.
Das Gericht akzeptierte den Deal und verurteilte den Hauptangeklagten zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 24 Monaten. Neben der Freiheitsstrafe auf Bewährung akzeptierte der Immobilienunternehmer auch verschiedene finanzielle Forderungen wie Rückzahlungen und Schadenersatzforderungen. Sollte von den rund 1,3 Millionen Franken, welche die Polizei bei dem Verurteilten beschlagnahmte, nach der Begleichung aller Forderungen noch etwas übrig bleiben, bekommt er es zurück.
Am Hungertuch nagen wird er allerdings so oder so nicht müssen: Er bezifferte sein Vermögen vor Gericht auf rund 30 bis 40 Millionen Franken. Der grösste Teil davon stecke über seine Immobilienfirma in Hotels, die er verpachtet habe. Das Urteil nahm P.S. reaktionslos zur Kenntnis.
Weniger gut dran sind die frühere Verwalterin und der ehemalige Hauswart der «Gammelhäuser». Die Verwalterin lebt unter anderem von einer Teil-IV-Rente, der Hauswart verlor gesundheitlich bedingt kürzlich seine Stelle. Die Verwalterin erhielt eine bedingte Freiheitsstrafe von 14 Monaten. Die bedingte Freiheitsstrafe für den Hauswart fiel mit 24 Monaten gleich hoch aus wie für den Hauptbeschuldigten.
Die Stadt Zürich hat die «Gammelhäuser» indes 2017 gekauft und umfassend saniert.
*Name der Redaktion bekannt / Mit Material der SDA
Ich hab immer gedacht, wir leben in einem Rechtsstaat? Aber scheinbar reicht ein dicker Geldbeutel...
Business as usual
Wohl mehr als die 1.3 Millionen die wohl futsch sind...