Bruno Knellwolf
Eltern sind verunsichert und fragen: Falls der Bundesrat den Amateursport abklemmt, warum gilt das auch für Kinder, und darf das Grosi noch hüten? Fakt ist: Kinder sind keine Pandemietreiber. Eine Science-Studie aus China zeigt, dass das Ansteckungsrisiko bei unter 14-Jährigen nur ein Drittel so hoch ist wie bei Erwachsenen.
Diese Erkenntnis gilt immer noch, bestätigt Christian Kahlert, Facharzt für Infektiologie am Ostschweizer Kinderspital. Auch die Zahlen in der Schweiz zeigen, dass die symptomatischen Corona-Erkrankungen bei den Kindern deutlich seltener sind. «Obwohl es Hinweise gibt, dass sie gleich häufig Kontakt mit dem Virus haben.» Das zeigt die Studie «Ciao Corona» der Universität Zürich. Die Antikörperbestimmung in der Schulzeit von Juni bis Juli ergab, dass die Schulkinder gleich viele Antikörper entwickelt hatten wie zufällig ausgewählte Erwachsene in der gleichen Region.
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Die Antikörper-Untersuchung der Uni Zürich bestätigt andere Studien, die feststellten, dass sich Kinder kaum in der Schule infizieren, sondern eher im privaten Umfeld und in der Familie. «Kinder können infektiöses Virus tragen, sie übertragen es aber selten. Dies zeigen mittlerweile viele epidemiologischen Studien wie auch die Erfahrungen in den verschiedenen Ländern», sagt Kahlert. Die Gründe dafür sind noch nicht vollständig klar, aber es gibt gemäss Kahlert verschiedene plausible Hypothesen.
«Zudem ist nachvollziehbar, dass die Reichweite und das Ausmass der Tröpfchenverteilung in die Umgebung zwischen einem zehn Kilogramm schweren Kind und einem acht mal schwereren Erwachsenen massiv unterschiedlich ist», sagt der Infektiologe. Kinder können die gleiche Virenlast wie Erwachsene haben, sich infizieren, zeigen aber kaum Symptome und erkranken sehr selten an Covid-19. Dieser milde Verlauf könnte einer der Gründe und oben genannten Hypothesen sein, warum Kinder weniger infektiös sind. Weil sie nicht krank werden, husten und niesen sie ihren Gschpänli und Grosseltern trotz Ansteckung weniger ihre Viren ins Gesicht.
Christoph Bopp
RT-PCR ist eine bewährte Methode, mit der vorher definierte DNA-Abschnitte vervielfältigt werden können. Der Prozess kann auch als Test benutzt werden, indem man bestimmte RNA-Abschnitte (Primer) des gesuchten Virus in die Probe gibt. Die führen dann dazu, dass sich die Virus-RNA aus der Probe vervielfältigt - sofern welche vorhanden ist. Die Polymerase ist das Enzym, das diesen Kopiervorgang zum Laufen bringt. Nach mehreren Durchgängen haben sich die Bruchstücke so weit vermehrt, dass man sie sichtbar machen kann.
Alle Tests orientieren sich an zwei Richtgrössen: an der Spezifität, also der Wahrscheinlichkeit, dass ein Nicht-Infizierter als negativ erkannt wird; und an der Sensitivität, der Wahrscheinlichkeit, dass ein Virusträger ein positives Ergebnis bringt. Die gebräuchlichen RT-PCR-Tests auf Sars-CoV-2 arbeiten mit mindestens zwei Primern. Sie weisen daher eine hohe Spezifität auf. Weil alle Abschnitte nachgewiesen werden müssen, ist auch die Sensitivität hoch. Nichtsdestotrotz gibt es Fehler.
Falsch-positive Resultate sind positive Tests ohne Virus-RNA und ein falsch-negatives Resultate heisst, dass ein Infizierter negativ getestet wird. Fehler können bei den Abstrichen gemacht werden, das ist aber nicht testabhängig. Die Schwäche der RT-PCR-Tests ist, dass sie Zeit brauchen. Die Proben müssen in einem Labor in Maschinen prozessiert werden. Die andere Schwäche ist die, dass der Test Virus-RNA nachweist, aber wenig darüber aussagt, wie viel und wie virulent. Ein positiver Test bedeutet nur, dass der positiv Getestete Kontakt mit dem Virus hatte. Es bedeutet nicht, dass er krank ist, und nicht, dass er infektiös ist.
Schnelltests sind etwas weniger präzis, haben dafür aber andere Vorteile. Man erkennt sehr schnell und ohne Labor, ob ein Infizierter infektiös ist, kann also einen möglichen Spreader schnell aus dem Verkehr ziehen. Und ein negativer Test zum Beispiel vor dem Altersheimbesuch zeigt recht zuverlässig, dass man seinen Verwandten ohne Gefahr besuchen kann. Schnelltests würden das Leben mit Covid-19 sehr erleichtern.
Sabine Kuster
Während am Anfang der Pandemie noch unklar war, welches die Übertragungswege von Sars-CoV-2 sind, weiss man inzwischen mehr darüber. Beschleuniger der Pandemie sind sogenannte Superspreader, also Leute, die eine extrem hohe Virenlast haben und gleichzeitig sozial sehr aktiv sind. Halten sich Infizierte in einem Raum auf, kann sich die Luft mit Viren in Kleinstpartikeln (Aerosolen) anreichern und viele Leute auf einmal infizieren.
Draussen verteilen sich Aerosole innert Sekunden. «Im Freien ist der einzige Weg, sich anzustecken - nebst Schmierinfektion via Hände - dass man grössere Tröpfchen einatmet», sagt Michael Riediker, Aerosolexperte vom Schweizerischen Zentrum für Arbeits- und Umweltgesundheit. Grössere Tröpfchen atmet man ein, wenn man anderen Leuten näher als eineinhalb Meter kommt und diese sprechen. Das Risiko steigt, wenn laut gesprochen wird, wie dies an Apéros schnell der Fall ist.
Bei einer Maskenpflicht im Freien muss man bedenken: Wo sich Menschen länger nahe kommen, sind oft Getränke im Spiel - die Maske wird abgezogen. Wenn die Abstände draussen tatsächlich eingehalten würden, wäre das Ansteckungsrisiko praktisch bei null. Selbst an belebten Orten wie Plätzen oder auf Shoppingmeilen: Passiert man eine ansteckende Person, die auch noch gerade spricht, dann atmet man zwar mit viel Pech ein paar virenhaltige Tröpfchen ein, doch die geringe Anzahl macht eine Ansteckung innert Sekunden wenig wahrscheinlich - solange man nicht gerade angehustet wird.
Das renommierte Robert-Koch-Institut stuft die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung im Aussenbereich als sehr gering ein, wenn der Abstand von 1.5 Metern eingehalten wird. Auch die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt in ihrem aktualisierten Bericht Masken vor allem für Innenräume. Japanische Forscher kamen in einer Studie im Frühling zum Schluss, dass die Wahrscheinlichkeit, sich anzustecken, in Räumen rund zwanzig Mal höher ist. Laut Riediker sollte der Fokus besonders dort liegen.
Niklaus Salzmann
Um die Gefährlichkeit des neuen Coronavirus abzuschätzen, wird oft von der Mortalität gesprochen. Der Begriff wird aber für zwei verschiedene Grössen verwendet. Das eine ist die Fallmortalität. Sie sagt aus, welcher Anteil der Infizierten stirbt. In einer vor zwei Wochen publizierten Übersichtsstudie fand der US-amerikanische Epidemiologe John Ioannidis Werte zwischen 0.00 und 1.63 Prozent. Letzteres bedeutet, dass in der entsprechenden Region jede sechzigste infizierte Person starb.
Die Unterschiede erklären sich teilweise damit, dass in manchen Studien mehr jüngere, in anderen dagegen mehr ältere Personen erfasst sind. Laut Matthias Bopp vom Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention der Universität Zürich sind solche Zahlen mit grossen Unsicherheiten behaftet. Klar ist: In der Schweiz war für Covid-19-Patienten in der ersten Welle das Risiko, in den nächsten Wochen zu sterben, mindestens neunmal höher als für gleichaltrige Personen ohne Covid-19. Und für Männer war dieses zusätzliche Risiko nochmals gut 20 Prozent höher als für Frauen.
Die Fallmortalität ist derzeit aber tiefer als in der ersten Welle. Es stecken sich weniger alte Menschen an und die Behandlungen setzen früher ein. Trotzdem warnte der ehemalige Taskforce-Präsident Matthias Egger gestern in einem Tweet: Die zweite Welle könnte schlimmer als die erste werden. Er sprach nicht von der Fallmortalität, sondern von der Gesamtmortalität - den wöchentlichen Todesfällen pro Million Menschen. Die Gesamtmortalität hatte im Frühjahr in vielen Ländern rapid zugenommen, bis die Massnahmen der Lockdowns zu wirken begannen.
Hier kann ein Vergleich mit der Grippe gezogen werden. Auf den ersten Blick sieht die Todesfallstatistik ähnlich aus wie in einem Grippejahr. Aber die Zahlen zeigen, dass ohne Lockdown im Frühling ein weiterer Anstieg mit sehr viel mehr Toten zu erwarten gewesen wäre. Matthias Bopp sagt: «Wir können klar sagen, dass Covid-19 gefährlicher als die Grippe ist. Aber wir können noch nicht genau sagen, wie viel gefährlicher.»
Was Kinder betrifft, so bin ich gar nicht überzeugt von der Argumentation. Gerade jüngere Kinder suchen regelrecht den engen, verschmusten Kontakt zu den Eltern, Schmierinfektionen durch Kinder sind sicher häufig. In Familien sicher ein Faktor.