Hat Lausannes Captain Mark Barberio versucht, Zürichs Topskorer und Leitwolf Sven Andrighetto zu verletzen? So scheint es. Er ist vorsorglich für eine Partie gesperrt worden und gegen ihn laufen gleich zwei Verfahren, die ihn bis Saisonende vom Eisfeld verbannen könnten. Ein Rückfall ins finstere Mittelalter des nordamerikanischen Hockeys.
Das hässliche Wort «Krieg» sollten wir im Sport eigentlich tunlichst vermeiden. Aber die Nordamerikaner verwenden es in der Eishockey-Sprache. Sie bezeichnen beispielsweise besonders bissige Spieler sogar als «Warriors» («Krieger»). Die theoretische Definition des Wortes lässt es zu – wenn auch mit ungutem Gefühl: «Krieg» ist der organisierte Versuch mit Gewalt die Interessen durchzusetzen. Es ist im Grunde das, was Lausanne gestern in Zürich versucht hat.
Kann etwas anderes von dieser Organisation erwartet werden? Nein. Sie ist durch und durch geprägt von NHL-Sauriern aus dem letzten Jahrhundert: General Manager Petr Svoboda und Headcoach Craig MacTavish, zwei mit Stanley Cups und olympischem Gold hochdekorierte Helden mit zusammen mehr als 2'000 Einsätzen in einer längst untergegangenen, rauen NHL-Welt.
Sie können jetzt, da es um alles geht, einfach nicht anders. Sie könnten eigentlich die berühmten Worte von Martin Luther ein wenig abändern und über sich sagen: «Hier stehen wir in Lausanne und können nicht anders.»
Härte ist im Eishockey ein legales Mittel zum Durchsetzen der eigenen Ziele. Diese Härte wird durch die Regeln definiert. Hin und wieder werden die Grenzen der Legalität überschritten. Etwa, wenn einer aus Frustration durchdreht wie beispielsweise diese Saison Fabrice Herzog beim hässlichen Foul an Berns Eric Blum. Es sind Einzelaktionen. Sie sind nicht Teil einer Strategie und dahinter steht keine kaltblütige Absicht.
Aber die Art und Weise, wie sich Mark Barberio in der Schlussphase der gestrigen Partie aufgeführt hat, lässt nach eingehendem Studium der TV-Bilder eigentlich nur einen Schluss zu: Er hat offenbar versucht, Sven Andrighetto mehr als nur einzuschüchtern. Sein Vorgehen hat weder etwas mit Emotionen noch mit Ausrasten oder einer Provokation zu tun. Da steckt auch Kalkül dahinter. Die TV-Bilder lassen selbst bei grösstem Wohlwollen einfach keinen anderen Schluss zu.
Das Spiel ist nach dem 3:1 von Denis Hollenstein entschieden. Für Lausanne ist spielerisch nichts mehr zu machen. Offenbar ist nun die Zeit gekommen, den Knüppel auszupacken.
Nach 57:01 Minuten erkennen wir erst einen Stockstich von Mark Barberio, den die Schiedsrichter übersehen, und dann nach 58:12 Minuten seinen gezielten Angriff auf Sven Andrighetto in Form eines Bandenchecks.
Dieser «Doppel-Angriff» auf Zürichs Leitwolf ist nichts anderes als die Fortsetzung des Eishockeys mit anderen Mitteln. So hat der grosse Clausewitz einst «Krieg» definiert, den er als die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln bezeichnet hat.
Beides sind gesundheitsgefährdende, völlig unnötige Körperangriffe, die in keinem Zusammenhang mit dem Spiel, mit dem Kampf um die Scheibe stehen. Das ist der ganz grosse Unterschied zum Check von Christian Marti gegen Lausannes Topskorer Denis Malgin im zweiten Spiel in Zürich: Dort war es ein Kampf um den Puck an der Bande im Rahmen der Spielregeln. Deshalb hat die Aktion richtigerweise keine Strafe nach sich gezogen, obwohl Denis Malgin bei dieser Aktion verletzt worden ist.
Nun sind für diese beiden hockeytechnischen Missetaten von Mark Barberio zwei Verfahren eröffnet worden. Beide Vergehen sind der Kategorie 2 zuzuordnen. Für diese Kategorie ist eine Mindeststrafe von drei Spielsperren vorgesehen. Wir können also sechs Spielsperren erwarten. Selbst acht bis zehn wären vertretbar. Das Saisonende für den ehemaligen NHL-Verteidiger ist nahe.
Was die ganze Sache vollends unverständlich, ja absurd, macht: Mark Barberio und Sven Andrighetto sind befreundet. Als sie in der NHL zusammen für die Colorado Avalanche spielten, wohnten sie in Denver sogar im gleichen Haus. Beste Kumpels.
Wenn die ZSC Lions weiterhin auf ihre spielerische Überlegenheit setzen und sich nicht auf Lausannes hässliches, schmutziges Hockey einlassen, dann werden sie den Halbfinal erreichen. Eine Eskalation – auch Marco Pedretti teilte gegen Brian Gibbons kräftig aus – würde zulasten der taktisch und spielerisch klar besseren und smarter gecoachten ZSC Lions gehen. Marco Pedrettis Foul ist nachträglich mit einer Spieldauerdisziplinarstrafe sanktioniert worden.
Lausanne ist das erste Team westlich von Gottéron seit dem grossen HC La Chaux-de-Fonds (zwischen 1968 und 1973 sechsmal hintereinander Meister), das genug Geld und Talent hat, um Meister zu werden.
Sind in der Romandie je im Hockey Geld und Talent so miserabel gemanaged worden wie beim HC Lausanne? Wahrscheinlich nicht.
So sollte man es zwar nicht sagen. Aber es ist wie es ist: Ein rasches Ausscheiden von Lausanne und seinen mittelalterlichen NHL-Helden aus den Playoffs wäre zum Wohle unseres Hockeys und der Gesundheit der Spieler. Punkt.
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