Letzte Woche hat ein Team der ETH Zürich erstmals ein Monitoring der Belegung in Schweizer Intensivstationen publiziert. Damals waren rund 10% der IPS-Betten von Covid-19-Patienten belegt. In rund 60% der Betten lagen andere Patienten, die auf intensivmedizinische Betreuung angewiesen waren. Die restlichen 30% standen leer.
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In den letzten Tagen hat sich die Situation verändert. Die Auslastung insgesamt ist zwar bei rund 70% geblieben – doch der Anteil an Covid-19-Patienten ist deutlich grösser geworden – er hat sich innerhalb einer Woche verdoppelt.
Die gestiegenen Fallzahlen der letzten beiden Wochen haben also wie erwartet zu zusätzlichen Hospitalisierungen sowohl auf der Akut- als auch auf der Intensivstation geführt.
Dass die IPS-Auslastung insgesamt gleich bleibt, ist teilweise der Tatsache geschuldet, dass einige Kantone und Regionen bereits nicht dringende Operationen verschoben haben. So hat beispielsweise der Kanton Genf schon vor einer Woche entschieden, geplante Operationen, die nicht dringend sind, aufzuschieben. So soll Platz auf den Stationen geschafft werden und zusätzlich Ressourcen beim Personal geschont werden. Die Taskforce des Bundes geht davon aus, dass diese Massnahme in allen Kantonen folgen wird.
Mit 39 besetzten Betten von insgesamt 62 IPS-Betten steht der Kanton Genf allerdings noch nicht so nahe am Engpass wie andere Kantone. Nur noch einen freien Platz meldet beispielsweise der Kanton Neuenburg.
Um diese Frage zu beantworten, hat die Taskforce mehrere Modelle berechnet, die am Freitag präsentiert wurden, jedoch noch immer aktuell sind. Denn laut Martin Ackermann, Leiter der Covid-19-Taskforce des Bundes, gibt es zurzeit noch keine Anzeichen, dass die neusten Massnahmen greifen.
Bei einer Verdoppelung der Fallzahlen alle 7 Tage, wie wir sie zurzeit haben, wären die Intensivstationen Mitte November voll. Würde die Verdoppelungszeit auf 5 Tage sinken, wären sie sogar schon Anfang November voll. Schafft man es mit den Massnahmen, dass sich die Zahlen «nur» alle 10 Tage verdoppeln, könnte man das Erreichen der Kapazitätsgrenze auf Ende November verschieben.
Ackermann sprach davon, dass man die nicht notfallmässigen Eingriffe landesweit stoppen könnte, um kurzfristig Kapazitäten zu schaffen (in der Grafik hellgrau eingezeichnet) – dies sei allerdings nicht die Lösung dieses Problems. Laut seinen Berechnungen könnte man die Überlastung bei der aktuellen Ausbreitungsgeschwindigkeit nur gerade 32 Stunden herauszögern – danach wäre die Situation wieder gleich prekär.
Die Anzahl Betten zu erhöhen, ist ein Schritt – um diese mit Patienten belegen zu können, sind aber auch genügend Fachkräfte erforderlich. Die rote Linie in der Grafik der Taskforce zeigt die maximale Anzahl IPS-Betten – sie liegt bei rund 1400 Betten–, die man bereitstellen kann und für die auch genug Personal zur Verfügung steht.
Trotzdem werden Spitäler in dieser zweiten Welle nicht komplett um Personalengpässe herum kommen. So hat beispielsweise das Universitätsspital Genf letzte Woche einen Hilferuf abgesetzt. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die bereits im Ruhestand sind oder unbezahlten Urlaub beziehen, wurden gebeten, sich beim Spital zu melden.
Die Entwicklung auf Intensivstationen wird zurzeit aufmerksam verfolgt, doch auch an anderen Orten im Gesundheitsbereich könnten Engpässe entstehen. So meldet beispielsweise der Kanton Wallis bereits eine Überbelegung der Akutbetten (ohne intensivmedizinische Betreuung). An der Pressekonferenz vom Dienstag sagte Andreas Stettbacher, Delegierter des Bundesrates für den Koordinierten Sanitätsdienst: «Wenn es so weiter geht, wären die Akutbetten in 15 Tagen besetzt.»
Auch in der Administration oder beispielsweise im Krankentransport könnten in den kommenden Wochen und Monaten Mitarbeitende fehlen.
Insbesondere das Wallis, aber auch der Kanton Genf, meldet zurzeit europäische Höchstwerte für einzelne Regionen. Im «Subnational Explorer» der Weltgesundheitsorganisation liegt einzig die belgische Region Wallonia vor dem Wallis – sobald die Daten aktualisiert werden, dürfte das Wallis als am stärksten betroffene Region hervorstechen.