Ihr kennt das bestimmt:
Schwarz, schwarz, anthrazit-grau, schwarz, anthrazit-grau, anthrazit-grau ... und ab und zu als Farbtupfer noch silber oder – huch! – weiss.
Wieso eigentlich? Sind wir alle einfach Langweiler? (Ja nicht auffallen – die Nachbarn könnten reden!) Oder knauserige Schisshasen? (Nachweislich erzielen auffälligere Autofarben niedrigere Preise auf dem Occasionsmarkt.)
Da denkt man nostalgisch an anno dazumal zurück – etwa an die zweifarbigen Farbschemata der Fünfzigerjahre.
Heute unvorstellbar. Später, um 1970, gab es für das Muscle-Car-Segment schier Unglaubliches im Angebot: Ford Mustangs in Grabber Blue, Dodge Challengers in jenem leuchtenden Sub Lime; Hugger Orange für den Chevrolet Camaro ...
Laute Farben für laute Autos, eben. Zugegeben, das war ein eher kleines, sehr spezifisches Segment. Lamborghinis und Konsorten gibt es auch heute in leuchtgrün. Klar.
Aber selbst Otto Normalverbraucher gönnte sich einen Göppel in heute kaum noch erhältlichen Farben. Der Fiat 128 meiner Grossmutter anno 1974 war erbsengrün.
Heute unvorstellbar. Ebenso das Ford Metallic Brown, das für die Cortina damals eine der populärsten Lackierungen war. Sicherlich keine mutige Farbe, aber eine, die inzwischen so gut wie tot ist.
Ebenso jenes klassische Ermine White aus den Sechzigerjahren, hier auf einer 1966er Lotus Cortina zu sehen, mit Streifen in Sherwood Green:
Alles sehr ikonische Farben – nur schon vom Namen her. «Sherwood Green» – geil. Und obwohl obiges Farbschema nicht allzu marktschreierisch und durchaus nachbarschaftskonform ist, ... nun, wieviele Autos siehst du heutzutage in Ermine White?
Was ist passiert?
Der Chemiekonzern BASF, weltweit eine der grössten Hersteller von Autofarben, veröffentlicht jedes Jahr einen Bericht zu Beliebtheit von Autofarben. Für das Jahr 2019 sieht's so aus:
Blau hat einen entscheidenden Vorschritt gemacht – 9 Prozent mehr als im Vorjahr. Immerhin etwas.
Doch mehr als drei Viertel – 78 Prozent – aller Autofarben sind ... eigentlich gar keine Farben: schwarz, Grautöne, silber, weiss. Was man im Fachjargon «unbunt» nennt; «achromatics».
Freilich sind regionale Unterschiede zu erkennen, doch überall sind die Nicht-Farben am populärsten.
Das Auto-Magazin «Jalopnik» interviewte kürzlich Paul Czornij, den leitenden Designer für BASF North America – und damit jemand, der uns vielleicht erklären kann, weshalb wir heute nur noch öde Farben kaufen wollen. Im Interview konstatiert Czornij, dass Autofarben seit den Achtzigerjahren kontinuierlich weniger bunt wurden. Die Ursache liegt mitunter im technologischen Fortschritt:
Und dann kommt unweigerlich die psychologische Komponente hinzu: Seit den Achtzigerjahren nahmen technologische Gadgets in Autos immer mehr zu.
Angemessen für den Markt ist – logischerweise –, auf Nummer Sicher zu gehen. High-End-Sportwagen passen vielleicht zu kräftigen Rottönen mit Motorsport-Assoziationen. Und am unteren Ende des Preissegments darf man mit verspielteren Farbtönen experimentieren: Fiat 500, VW Lupo und Co. gibt es in bunt. In der Mittel- und oberen Mittelklasse setzt man auf Seriosität.
Das ist es also: Technologische Entwicklungen in Farblackierung und wie der Markt diese dem Konsumenten anbietet, gekoppelt mit den urmenschlichen psychologischen Assoziationen der Kundschaft. Deshalb ist etwa grün, in den Siebzigerjahren eine populäre Farbe, so gut wie verschwunden. Grün ist die hungrige Raupe aus dem Kinderbuch. Anthrazit-Metallisé, hingegen, das ist Fortschritt. Analog kann man den neueren Trend satter, porzellanähnliche Lackierungen in feldgrau oder beige erklären.
Die Assoziation mit Kriegsschiffen und Militäranlagen ist mitnichten von ungefähr. Seit geraumer Zeit wird unsere Welt als unsicherer und instabiler wahrgenommen. Hightech gepaart mit Tarnung und Kraft sollen Sicherheit vermitteln. Bunte Farben gehören in eine optimistischere Ära. Die Zeit des Rumspielens ist vorbei. Somit dürfte die Krise der langweiligen Autofarben noch ein Weilchen andauern. Leider.