Gut drauf vor dem Anstoss: Moderator Rainer Pariasek (links) und ORF-Fussball-Experte Herbert Prohaska.Bild: ORF
Unser Lieblingsnachbar kennt beim Kommentieren von Sportanlässen nur schwarz und weiss – «Fifty Shades of Grey» ist schliesslich ein Roman. Wir befriedigen unsere Lust auch nicht mit diesem Erotik-Bestseller, sondern damit, dass wir das 0:2 der Österreicher gegen die Niederlande im ORF geschaut haben.
17.06.2021, 23:2018.06.2021, 12:23
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Um zu beschreiben, wie Österreich im Sport tickt, lassen wir Helge Payer zu Wort kommen. Der frühere Nationaltorhüter war unlängst als Experte beim ORF und sprach über die Sperre von Marko Arnautovic, der gegen die Niederlande zuschauen musste. Payer sagte über den Torschützen beim 3:1-Sieg gegen Nordmazedonien, es sei wichtig, dass er dann gegen die Ukraine wieder dabei sei – und anschliessend im Achtelfinal und im Viertelfinal und hoffentlich auch im Halbfinal, sofern man diesen erreiche.
Ja, so ist das zwischen Vorarlberg und Wien. Vor der EM wurde gehadert, gelästert und kritisiert. Ein einziger Sieg gegen einen Gegner von mässigem Format, Slapstick-Gegentor inklusive, reichte, um die laue Stimmung in Euphorie zu verwandeln.
Auch sie sind vor der Partie zuversichtlich: österreichische Fans in Amsterdam.Bild: keystone
Im ORF haben sie schon vor dem Spiel schwitzige Hände. Moderator Rainer Pariasek sprüht vor Vorfreude, zuletzt war er vermutlich beim 67. und letzten Weltcupsieg von Ski-Star Marcel Hirscher so gut drauf. Experte Herbert Prohaska, nüchtern wie eh und je, lässt sich davon nicht anstecken, tippt gegen die Niederlande auf ein 1:1.
Für das grosse Hurra ist aber eh nicht «Schneckerl» Prohaska zuständig, sondern Österreichs Antwort auf Sascha Ruefer, Reporter Oliver Polzer. Er weist die Fernsehzuschauer zur Begrüssung an:
«Einen schönen Abend, sitzen Sie gut! Stellen Sie alles bereit, aber auch so, dass nichts umfallen kann, wenn man herumspringen muss, denn das könnte passieren. Es ist ein Fussballabend, den es seit vielen, vielen Jahren nicht mehr gegeben hat für Österreich.»
Österreich startet schwungvoll in die Partie. Andreas Ulmer schiebt Marten de Roon den Ball durch die Beine und Reporter Polzer freut sich diebisch:
«Oh, durch die Beine, schau an! Ein Gurkerl gegen Oranje.»
Reporter Polzer beim Cupfinal Ende Mai.Bild: www.imago-images.de
Doch das Hoch hält nicht lange an. Es wird eng, als ÖFB-Star David Alaba am Strafraumeck Denzel Dumfries auf den Fuss steht. Der Co-Kommentator Roman Mählich, einst selber Nationalspieler, ahnt, was kommt:
«I sog der was, des schaut net guet aus. I fürcht, es gibt Elfmeter.»
Als der Schiedsrichter sich die Szene anschaut und die Zeitlupe gezeigt wird, weiss auch Polzer, was es geschlagen hat:
«Oh weh, das war nicht ausserhalb. Oh, das sieht nicht gut aus. Elfmeter für die Niederlande. Worst case!»
Hollands Stürmerstar Memphis Depay schnappt sich den Ball und verwertet den Penalty zur 1:0-Führung. Reporter Polzer macht der Mannschaft Mut:
«Abputzen, aufstehen, weiter geht's.»
Foul und Tor – aus rechtlichen Gründen leider nicht mit dem ORF-Kommentator.Video: SRF
Die «Elftal» hat mit der Führung im Rücken nun Oberwasser, den Österreichern gelingt wenig bis gar nichts. Nach einem Fehler Alabas hat Depay eine weitere Chance. Polzer stellt fest: «Das darf so nicht passieren», woraufhin ihm Mählich beipflichtet:
«Na, darf auf kan Fall passieren. Aber hülft nix. Wir müssen versuchen, dass wir irgendwann im Ansatz mindestens eine Torchance rausspielen. Dafür müsst ma halt genauer spielen, logischerweise.»
Dann fängt sich Österreich, es hält sich nun etwas öfter in der gegnerischen Platzhälfte auf. Zuversicht bei Roman Mählich:
«Vielleicht bin ich zu optimistisch, aber wir machen’s gegen den Ball phasenweise richtig gut. Wir haben Ballgewinne. Wir haben das Problem beim Umschalten, dass wir da nicht sofort den Gedanken haben, tief zu gehen.»
Oliver Polzers cooler Kommentar:
«Zu optimistisch kannst du nicht sein.»
Schaut genau hin: Co-Kommentator Roman Mählich.Bild: www.imago-images.de
Bald ist Pause – aber bevor es in die Kabinen geht, muss Österreich eine holländische Druckphase überstehen. Die Chancen häufen sich, oder wie Polzer es beschreibt:
«Jetzt ist hier richtig Feuer am Dach!»
Doch immerhin greifen die Flammen nicht über, das österreichische Haus steht noch. Zur Pause heisst es erst 1:0 für die Niederlande. Im Studio fordert auch Experte Prohaska, dass die Österreicher schneller umschalten müssen:
«Wir müssen das Spiel schneller von einer auf die andere Seite verlagern. Phasenweise hat das ganz gut ausgesehen, aber die Holländer warten auf unsere Fehler und wir machen sie. Im Grunde genommen müssen wir froh sein, dass wir nicht schon drei Tore erhalten haben.»
Wer Polzer und Mählich zuhört, der hat längst bemerkt, dass Marko Arnautovic dem österreichischen Spiel gut tun würde, wäre er doch bloss nicht gesperrt.Bild: IMAGO / Moritz Müller
Von Euphorie kann nicht die Rede sein. Und der Ärger hält an, als die Österreicher nach einem ungepassen Pass von Marcel Sabitzer den Ball verlieren. Mählich regt sich auf:
«Des tuet weh, des tuet weh! 60 Meter zruck sprinten, den Ball gwinnen und gleich wieder hergeben, das bereitet Schmerzen.»
Eine Stunde ist vorbei und die Niederländer sündigen weiter. Längst wäre ein zweiter Treffer verdient, Mählich stellt fest:
«Na, Pech hammer net heut.»
In der 67. Minute ist es dann so weit: Das überfällige 2:0 fällt. Dumfries erzielt es nach schöner Vorarbeit von Donyell Malen. Das Fazit von Roman Mählich:
«Leider müssen wir sagen: Es ist verdient.»
Der zweite Treffer des Abends.Video: SRF
Dann schweigen die beiden am Mikrofon etwa eine halbe Minute lang, ehe dieser kurze Dialog folgt:
Polzer: «Ist es vermessen, wenn ich daran erinnere, dass die Ukraine auch 0:2 hinten gelegen ist?»
Mählich: «Das ist gar nicht vermessen. An solche Strohhalme muss man sich klammern.»
Das Team klammert zu wenig gut, der Rest der Partie ist nur noch ein Ausplätschern. Die Niederlande feiert den zweiten Sieg und damit den Einzug in die Achtelfinals. Österreich muss nun gegen die Ukraine ran, Platz 2 liegt weiter drin. Doch bei Polzer droht das Euphorie-Pendel bereits wieder in die andere Richtung auszuschlagen:
«Das ist einfach zu wenig und das wird auch gegen die Ukraine schwierig.»
Mählich hingegen bleibt zuversichtlich. Er weist darauf hin, dass die Niederlande mit ihrem Tempo ein Topteam sei:
«Der grösste Fehler wäre, jetzt den Kopf in den Sand zu stecken. Wir haben gegen eine Mannschaft verloren, die eindeutig über unserer steht, so ehrlich muss man sein.»
Niedergeschlagen verlassen Österreichs Spieler den Rasen.Bild: keystone
Und so klingt der Fernsehabend beim ORF aus. Moderator Rainer Pariasek hält fest:
«Das war unter dem Strich leider zu wenig.»
Sein Experte Herbert Prohaska anerkennt die Stärke der Holländer, welche Österreich ähnlich gut im Griff hatten wie 24 Stunden zuvor Italien die Schweiz. «Schneckerl» macht seinen Landsleuten indes Mut für die letzte Aufgabe in der Gruppenphase:
«Wir müssen uns zusammenreissen, ich denke aber, dass das gegen die Ukraine passieren wird.»
Gestenreich erklärt Prohaska, was schief gelaufen ist.bild: orf
Bereits klar ist, dass die Niederlande die Gruppe C für sich entschieden hat. Das Direktduell um den zweiten Fixplatz in den Achtelfinals zwischen Österreich und der Ukraine steigt am Montag (18 Uhr) in Bukarest. Und natürlich live im ORF.
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quelle: keystone / fabio frustaci
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Reto Steinmann ist in Zug eine Hockey-Stimme, die respektiert und gehört wird. Von 2004 bis 2016 war Hockey-Einzelrichter und er praktiziert heute als Anwalt und Notar in Zug. Seine Kolumne in der Lokalzeitung ist eine brisante Polemik sozusagen aus den eigenen Reihen. Als ehemaliger Hockey-Journalist für die NZZ vermag er seine Ausführungen sachlich zu formulieren. Was der Kritik noch mehr Gewicht gibt. Seine Kolumne liest sich, um in der Juristensprache zu bleiben, schon fast wie eine Anklageschrift.
Ich habe oft Skifahren bei den Österreichern geschaut. Der Unterschied zum SRF war die Sachlichkeit und Professionalität der Österreicher. Währenddessen der SRF-Moderator bei einem Sturz des Ösis förmlich ins Mikro schrie vor lauter schadenfreudigem Jubel, war auf der Gegnerseite jederzeit Respekt zu hören.
Ich mag sie, die ORF-Moderatoren.
Finde es noch erfrischend auf ORF zu schauen, haben wir jetzt schon ein paar Mal gemacht ;-)