Das House of Switzerland ist in den vergangenen 23 Jahren zu einer Olympischen Institution geworden. Seit den Winterspielen 1998 in Nagano empfängt die Schweiz am Rande des grössten Sportevents der Welt sowohl die einheimische Bevölkerung wie auch internationale Prominenz aus Sport, Wirtschaft und Politik. Russlands Präsident Wladimir Putin ass 2014 in Sotschi gemeinsam mit Bundesrat Ueli Maurer eine Portion Raclette, IOC-Präsident Thomas Bach hielt vier Jahre später in Pyeongchang eine Rede, Marc Sway sang 2016 in Rio zur Bundesfeier am ersten August.
Und nun gilt es, den Schweizer Prestige-Auftritt wegen der aktuellen Covid-Lage in Japan grundsätzlich zu überdenken. Es droht das Aus. Vor zehn Tagen hat Deutschland entschieden, dass es in Japan kein Deutsches Haus geben wird. Heute Mittwoch wird das Olympische Komitee Österreichs an einer Pressekonferenz den Verzicht verkünden. Das Austria House hat eine besondere Tradition. Es begründete bei den Winterspielen 1960 in Squaw Valley die Geschichte dieser nationalen Häuser bei Olympia.
Die Schweiz hat sich Ende April als Deadline für den definitiven Entscheid gesetzt. Dass man länger zuwartet hängt auch mit der unterschiedlichen Ausrichtung der jeweiligen Häuser zusammen. Während im Austria House und im Deutschen Haus nur geladene Gäste Einlass erhalten und die Einrichtungen von den nationalen olympischen Komitees geführt werden, ist das seit 2004 von Präsenz Schweiz geleitete Haus ein zumindest teilweise öffentlicher Treffpunkt.
Botschafter Nicolas Bideau ist als Chef von Präsenz Schweiz mit dem Auftrag zur Förderung der Wahrnehmung des Landes im Ausland betraut. Er kämpft als Verantwortlicher des House of Switzerland mit einem steifen Gegenwind vor Ort.
Wichtige Fakten sprechen für das Abblasen des Projekts. Japan steht epidemiologisch vor einer vierten Welle. So dürfen ausser akkreditierten Olympiateilnehmern keine ausländischen Gäste ins Land einreisen. Auch die Rekrutierung von Personal für das Schweizer Haus erweist sich so als Herausforderung. Zwar gilt für die Mitarbeitenden von Präsenz Schweiz als Abteilung des Aussendepartements und dem Prädikat «Bundesbeamte» kein ultimatives Reiseverbot nach Tokio. Die Einreise ist aber verbunden mit einer zweiwöchigen Quarantäne. Die zusätzlichen Kosten für Lohn und Beherbergung treiben das Budget von 4,9 Millionen Franken in die Höhe.
Das Geld und die Sportler sind zwei wesentliche Schwierigkeiten aus den Corona-Beschränkungen rund um die Olympischen Spiele. Das Budget für das House of Switzerland sieht vor, dass ein Teil des Aufwands von Partnern aus der Privatwirtschaft gestemmt wird. Bideau sagt, man sei vor Corona auf Kurs gewesen und habe Einnahmen von 1,2 Millionen Franken generiert. «Doch weil viele Partner wegen der Pandemie inzwischen den ursprünglichen Zweck ihres Engagements infrage stellen, ist rund die Hälfte der Unternehmen ausgestiegen», erklärt Bideau.
Ein weiterer Hauptzweck des House of Switzerland fällt in Tokio höchstwahrscheinlich weg. Gemäss den strikten Bewegungseinschränkungen für alle akkreditierten Olympiateilnehmer ist ein Besuch von Athleten explizit verboten. Die geplanten Medaillen-Feierlichkeiten am Schweizer Olympia-Treffpunkt fallen also ins Wasser.
Man prüft zwar aktuell die Alternative einer virtuellen Kommunikation rund um diese Feiern, aber mehr als ein trostloser Ersatz wäre solches wohl nicht, wenn man sich die emotionalen Bilder früherer Besuche von Olympiasiegern im House in Erinnerung ruft.
Zwar erhält das House of Switzerland prominenten Support. Christophe Dubi, Olympiadirektor beim IOC, hat das Thema auf die Traktandenliste für den Austausch mit den lokalen Organisatoren gesetzt. An der virtuellen Sitzung vom 8. April hat das IOC die Veranstalter «ausdrücklich darum gebeten, eine Möglichkeit zu finden, dass Sportlerinnen und Sportler das House of Switzerland oder analog dazu den Club France besuchen können. Wir sind der Meinung, mit einem entsprechenden Schutzkonzept muss das möglich sein», sagt Dubi. Mehr als das Versprechen, es mit den Behörden zu prüfen, hat er als Antwort bislang nicht erhalten. Der Club France hat für das IOC einen besonderen Stellenwert, weil 2024 in Paris die nächsten Sommerspiele stattfinden werden.
Nicolas Bideau sieht ein anderes Argument als machtentscheidend für die Durchführung des eigenen Projekts. Das House of Switzerland ist ein Instrument für die Landeskommunikation und Wirtschaftsförderung. Es will den Einheimischen Einblicke in die Kultur, den Tourismus und die Innovationskraft der Schweiz vermitteln. Es wurde bewusst ein Standort im belebten Stadtteil Shibuya, relativ weit entfernt von den Wettkampfstätten, gewählt. Auf 700 Quadratmetern ist ein kleines Schweizer Dorf mit fünf thematisch unterschiedlichen Gebäuden geplant. Es wendet sich direkt an die japanischen Besucher.
Deshalb spielt für Bideau bei der Entscheidungsfindung die enge Zusammenarbeit mit der Schweizer Botschaft eine wesentliche Rolle: Wie steht es um die Begeisterung der Bevölkerung? Und noch wichtiger: Wie präsentieren sich die Möglichkeiten der Einheimischen? «Wenn es nicht möglich ist, im House of Switzerland öffentliche Veranstaltungen zu organisieren, dann macht es definitiv keinen Sinn», sagt er. Die Zeichen stehen auf Sturm.
Falls es in Japan erstmals seit 1996 kein House of Switzerland geben wird, bieten zumindest die nächsten Olympischen Spiele Trost. Als Premiere plant Präsenz Schweiz für den Winteranlass im Februar 2022 in China doppelt: Ein House of Switzerland im Zentrum von Peking und ein zweites in der Skistation in Zhangjiakou. Aber auch hier spürt man Corona im Nacken. Eine geplante Roadshow durch chinesische Städte im Jahr vor den Spielen wurde erst mal auf die Zeit nach Olympia verschoben.
Dazu gehört auch die Streichung des House of Switzerland und die nicht Teilnahme in Peking. Aber der Wirtschaft wegen wird sich die Schweiz China nie in den Weg stellen.