Schweiz
Coronavirus

Corona-Pandemie verlagert Rassismus in den privaten Raum

Demonstrators rally past the silhouette art piece named "Molecule Man" in front of the Edward Roybal Federal Building, at a rally against Asian hate crimes, Saturday, March 27, 2021 downtown ...
Demonstrant:innen an einer Kundgebung gegen asiatische Hassverbrechen. Bild: keystone

Corona-Pandemie verlagert Rassismus in den privaten Raum

18.04.2021, 10:5218.04.2021, 12:40
Mehr «Schweiz»

Corona-Pandemie und Lockdowns haben rassistische Vorfälle in den privaten Raum und in die Nachbarschaft verschoben. Dennoch bleibt der Arbeitsplatz der häufigste Ort von Diskriminierung. 572 Fälle stellten Schweizer Beratungsstellen im vergangenen Jahr fest.

Fremdenfeindlichkeit war das häufigste Motiv, gefolgt von Rassismus gegen Schwarze und Muslimfeindlichkeit, wie ein Bericht der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus (EKR) und des Beratungsnetzes für Rassismusopfer humanrights.ch dokumentiert. Im Vordergrund standen auch rassistische Vorfälle im öffentlichen Raum, bei Kontakten mit der Verwaltung und der Polizei sowie im Internet.

Hinter Diskriminierung stand mit 304 Fällen am häufigsten die Ausländer- oder Fremdenfeindlichkeit. Schwarze waren mit 206 Fällen am stärksten von Rassismus betroffen, gefolgt von Muslimfeindlichkeit mit 55 Meldungen in den Beratungsstellen.

Beschimpfung, Verleumdung und falsche Anschuldigungen kamen am meisten vor. Rassismus äusserte sich durch Ausgrenzung, Benachteiligungen und herabwürdigende Behandlung. Und am häufigsten wurde ein Zusammenwirken rassistischer Diskriminierung mit Diskriminierung aufgrund des Rechtsstatus, des Geschlechts und der sozialen Stellung genannt. Den Beratungsstellen wurden 49 Fälle körperlicher Gewalt gemeldet und 27 Mal rechtsextreme Propaganda.

Beleidigungen am Arbeitsplatz

Der Arbeitsplatz ist mit 95 gemeldeten Fällen der am stärksten betroffene Lebensbereich. Die Opfer berichten über Beleidigungen, abschätziges und respektloses Verhalten von Seiten der Teamkolleginnen und -kollegen oder Ungleichbehandlung durch Vorgesetzte.

Work life Büro Computerarbeit Arbeitsplatz (Bild: shutterstock)
Der Arbeitsplatz ist der am stärksten betroffene Lebensbereich. Bild: Shutterstock

In 72 Beratungsfällen wurden rassistische Vorfälle in der Nachbarschaft und im Quartier registriert, was auf die Einschränkungen des öffentlichen Lebens zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie zurückzuführen sei.

Suche nach Corona-Sündenböcken

«Die Beobachtungen in der Corona-Krise zeigen uns einmal mehr, dass Ungewissheiten und Spannungen innerhalb der Gesellschaft zu Entgleisungen und zur Herabsetzung von Menschen führen können. Die Versuchung, einen Sündenbock zu suchen, ist in schwierigen Zeiten gross», heisst es im Bericht. Dies nehme immer mehr die Form von «Fake News» und zweifelhaften Verschwörungstheorien an, die auf den sozialen Netzwerken leichte Verbreitung fänden.

1995 trat die sogenannte Rassismusstrafnorm in Kraft. Ihr gemäss macht sich strafbar, wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer «Rasse», Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung zu Hass oder zu Diskriminierung aufruft, öffentlich rassistische Ideologien verbreitet, rassistische Propagandaaktionen organisiert, fördert oder daran teilnimmt.

Strafbar nur im öffentlichen Raum

Strafbar macht sich ausserdem, wer öffentlich auf irgendeine Weise eine Person oder eine Gruppe von Personen herabsetzt oder diskriminiert oder Völkermord leugnet, verharmlost oder rechtfertigt, oder eine Leistung, die für die Allgemeinheit bestimmt ist, verweigert.

Der Bericht macht aber auch deutlich, dass nicht alle rassistischen Äusserungen und Handlungen strafbar sind. So erfasst die Strafnorm nur Äusserungen und Handlungen, die öffentlich gemacht wurden. Äusserungen und Handlungen im privaten Rahmen werden nicht erfasst. (sda)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Konzerte gegen Rassismus in Chemnitz
1 / 12
Konzerte gegen Rassismus in Chemnitz
65'000 Menschen protestierten am Montag bei einem Konzert in Chemnitz gegen Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und Gewalt.
quelle: ap/ap / jens meyer
Auf Facebook teilenAuf X teilen
So war die Schweiz in den Kolonialismus verstrickt
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
11 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
John Henry Eden
18.04.2021 12:41registriert Januar 2014
Wie soll ein Land, in dem 25 % der Bevölkerung Ausländer sind und 40 % der Jugendlichen einen Migrationshintergrund haben, frei von Fremdenfeindlichkeit sein? Das ist vollkommen unmöglich. Menschen sind keine Roboter, sie haben gute und schlechte Emotionen.

Solange es der Schweiz wirtschaftlich gut geht, ist die Fremdenfeindlichkeit hierzulande kein kritisches Problem. Falls der wirtschaftliche Abstieg kommt, wird es ganz anders aussehen.

Whataboutismps: Hätten Deutschland, Frankreich oder Spanien unsere Zahlen, würde dort die AfD, die Rassemblement National und die Vox regieren.
5117
Melden
Zum Kommentar
avatar
Tepalus
18.04.2021 12:07registriert Oktober 2016
Also erst mal; "Muslime" sind keine Ethnie. Das wäre Religionsfeindlichkeit gegenüber dem Islam.

Zweitens würde ich evtl. "Schwarze" mal aufdröseln? (Afrikaner, Südamerikaner, etc.) Oder findet ihr die Bezeichnung "Gelbe" für Asiaten ok?

Nennt es doch einfach "Afrikanischer/Asiatischer Phänotyp".

...oder wie war das mit dem Alltagsrassismus? :)
5525
Melden
Zum Kommentar
avatar
Ursus der Schräge
18.04.2021 12:32registriert März 2018
Wir haben hier aber kein eigentliches Rassismusproblem, sondern ein generelles. Wird jemand gemobbt, schlechtgemacht oder wird ihm übel mitgespielt, wird sofort unterteilt in übriges und ihn Rassismus! Das ist meiner Meinung nach bedenklich.
389
Melden
Zum Kommentar
11
Wo die 800'000 Auslandschweizer wohnen – und in welchen 5 Ländern KEIN EINZIGER
Die Schweiz ist eine Nation von Auswanderinnen und Auswanderern. Diesen Schluss legt die Auslandschweizerstatistik nahe. Die Schweizer Gemeinde im Ausland wuchs 2023 um 1,7 Prozent. Nahezu zwei Drittel davon leben in Europa.

Am 31. Dezember 2023 waren 813'400 Schweizerinnen und Schweizer bei einer Vertretung im Ausland angemeldet, wie das Bundesamt für Statistik (BFS) am Donnerstag mitteilte. 2022 war die Auslandschweizer-Bevölkerung noch um 1,5 Prozent gewachsen.

Zur Story