Es wird eine Reise ins Ungewisse. In genau einem Monat spielt das Schweizer Fussball Nationalteam seine erste EM-Partie. In 12 Städten Europas findet diese EM statt. Die 24 Teams werden pausenlos am Reisen sein. Was einst als Jubiläumsturnier zum 60-jährigen Bestehen des europäischen Fussballverbands Uefa gedacht war, wird wegen Corona zur Herausforderung.
Die grösste Angst: Dass Corona auch noch während der EM wütet, und sich darum plötzlich ein ganzes Team oder mehrere Spieler in Isolation begeben müssen. Hoffnung macht der Fortschritt bei den Impfungen. Die Frage ist einfach: Reicht die Zeit, damit die Nationalspieler und der Staff rechtzeitig fürs Turnier geimpft werden?
Letzte Woche kommunizierte Swiss Olympic, dass Schweizer Sportlerinnen und Sportler nun ebenfalls Zugang zu Impfungen erhalten werden. Dies, nachdem nun der Impfstoff in den allermeisten Kantonen für sämtliche Bevölkerungsschichten zugänglich ist. An dieses Programm ist auch das Fussball Nationalteam angeschlossen.
Nationaltrainer Vladimir Petkovic und einige Staffmitglieder haben die erste Impfung bereits erhalten. Petkovic sagt: «Wichtig war, dass die Älteren Leute und die Risikogruppen priorisiert wurden. Wir sind als Fussballer in der zweiten Reihe – und das ist richtig so.»
Das Vorbereitungs-Camp der Schweizer Nati in Bad Ragaz beginnt am Mittwoch 26. Mai in Bad Ragaz. Der Flug nach Baku steht am 6. Juni auf dem Programm. Petkovic wird seine zweite Impfdosis wohl kurz vor Beginn des Zusammenzugs erhalten. «Ganz ohne Risiko ist das wegen den Nebenwirkungen nicht, aber die Vorteile überwiegen für mich», sagt er.
Komplizierter ist die Lage für die Spieler. Weil die meisten Schweizer in internationalen Ligen quer verteilt über ganz Europa spielen und in den letzten Wochen ein ziemliches Stress-Programm absolvierten mit meist zwei Partien pro Woche, konnten sie nicht in globo frühzeitig geimpft werden. So, wie das der zweite Schweizer EM-Gegner Italien anfangs Mai gemacht hatte.
Zudem überwiegt bei den meisten Klubs wegen des dichten Programms derzeit die Vorsicht. «Das Risiko von Nebenwirkungen und damit eines Ausfalls des betreffenden Spielers in entscheidenden Partien wollen viele Klubs nicht eingehen», erzählt Petkovic. Stand jetzt ist noch kaum ein Schweizer Nationalspieler geimpft.
Was bedeutet das nun? Der definitive Entscheid, wie das weitere Vorgehen aussieht, ist noch nicht gefällt. Das wahrscheinlichste Szenario sieht so aus: Sobald die Spieler in der Schweiz eingetroffen sind, wird jenen, die das möchten, ein Impftermin organisiert. So würden die Spieler dann nach der ersten Impfung an die EM reisen. Die zweite Dosis jedoch erst nach dem Turnier erhalten. Eine Impfpflicht gibt es indes für niemanden.
Gemäss jetzigen Erkenntnissen ist das Risiko einer Erkrankung am Coronavirus zwischen 60 und 70 Prozent kleiner für Personen, die bereits eine Impfdosis erhalten haben. Heisst: Die Impfung könnte sich für die Nati lohnen, auch wenn es vor der EM noch nicht für die zweite Dosis reicht. Martin Maleck, der Schweizer Teamarzt, sagt auf Anfrage: «Der Staff wird nahezu komplett geimpft sein bis zur EM. Das mindert das Risiko schon erheblich. Aktuell laufen Abklärungen, ob zusätzliche Impfungen für Spieler in der Schweiz noch möglich sein werden. Aber aufgrund der individuellen Reisedispositionen gestaltet sich das kompliziert.»
Einige Schweizer Nationalspieler, die bereits an Corona erkrankten, werden ohnehin nur eine Impfdosis erhalten. Das ist bei Shaqiri, Schär, Seferovic, Mbabu, Widmer und Edimilson Fernandes der Fall. Bei Akanji geht man mittlerweile davon aus, dass er sich gar nicht angesteckt hat, sondern Opfer eines falsch-positiven Tests war.
So oder so: Die Zeit rund um die EM wird wegen Corona auch für die Spieler speziell. Einen Lager-Koller befürchtet Nationaltrainer Petkovic indes nicht. «Allein schon wegen des ständigen Tapetenwechsels mit den verschiedenen Spielorten.» Und er ergänzt: «Ich werde alles dafür tun, um eine Sieger-Atmosphäre zu kreieren.»
Ein erstes Zückerchen werden die Spieler nach dem Camp in Bad Ragaz erhalten. Petkovic gewährt ihnen zwei freie Tage bei der Familie. «Klar appelliere ich an die Eigenverantwortung aller. Bedeutet: Keine Freunde, kein Ausgang – einfach nur Zeit bei der Familie. Ich bin überzeugt, dass die Spieler in diesen Tagen viel positive Energie für das Turnier tanken werden.» Wales, Italien und die Türkei sollen es zu spüren bekommen.