«Da sassen wir also und bissen in die Bio-Zitrone samt Schale. Es war fast enttäuschend, wie unspektakulär es schmeckte. Lustig war hingegen, wie lange ich die Schale kauen musste und dass ich ständig rülpsen musste, nachdem ich die ganze Zitrone gegessen hatte. Ich kam mir vor wie ein Duftspray!». Diese Anekdote erzählt mir Florina Diemer an ihrem Esstisch, umgeben von veganen Kochbüchern und Katzenbildern, und lacht ihr helles Lachen. Die Geschichte zeigt gut, wie die 30-Jährige durchs Leben geht: neugierig, abenteuerlustig und offen. Gute Attribute für eine Veganerin. Diesen Lebensstil lebt die Zürcher Oberländerin, die in Zürich wohnt, seit mehr als drei Jahren.
Zur Zitronen-Degustation kam es so: Seit sie vegan isst, «rückt das Gemüse viel mehr in den Fokus», wie sie sagt. «Früher war es Beigemüse. Heute koste ich es viel intensiver und esse auch mal einen Fenchel so wie ich einen Apfel essen würde. Oder ich probiere, wie eine Kiwi mit Schale schmeckt – oder eben eine Zitrone.» Zusammen mit einer Freundin, die sie auf Instagram kennengelernt hatte, kam sie auf die Idee, sie trafen sich zum ersten Mal in real life – und los ging’s mit der Challenge.
Flo nimmt mich mit auf eine vegane Shopping-Tour. Wir starten im Migros Löwenplatz. «Ich bin mega das Migros-Kind», sagt sie und fügt lachend an, «aber manchmal, wenn ich es mir dreckig geben will, gehe ich den Coop. Nur ein bisschen schauen.» Sie ist voller Elan und hält mir freudig ein veganes Produkt nach dem anderen unter die Nase.
«Es gibt so viele vegane Produkte!», schwärmt sie und schwirrt im Laden umher. Bei vielen Produkten ist aber nicht auf den ersten Blick ersichtlich, dass sie keine tierischen Produkte enthalten. Manche verstecken sich denn auch gut. Milchpulver ist in vielen Produkten drin, wie etwa in Kartoffelstock, lerne ich. «Und auch gewisse E-Nummern sind nicht vegan», erklärt Flo und fügt an:
Ich wette, bei den meisten wusstet ihr gar nicht, dass sie vegan sind.
Zur Veganerin wurde Flo durch ihre Partnerin, die vegan lebt. «Wir schauten zusammen den Film ‹Earthlings›. Das war nicht gerade das romantischste Date. Holy mother, der ist echt heftig.» Danach dauerte es nicht mehr lange und sie wurde zuerst Vegetarierin, dann Veganerin.
Käse ... ja, Käse. Der sei bei fast allen der Knackpunkt und ein Produkt, das viele Veganerinnen und Veganer vermissen würden. Flo hat ihn sich einfach abgewöhnt – und vermisst ihn mittlerweile auch nicht mehr wirklich. «Ich kann ihn so gut ersetzen.» Auch die Tatsache, dass vegane Ersatzprodukte teils teuer seien, lässt sie keine Sekunde an ihrem Lebensstil zweifeln. Früher kaufte sie Bio-Produkte, um ihr Gewissen zu beruhigen:
Argumente für Veganismus findet sie genügend: Vergewaltigung, Mord, der Planet, unsere Gesundheit, die Ausbeutung der Schwächsten. Sie führt den ersten Punkt aus: «Kühe werden zwangsgeschwängert, damit wir ihnen bald darauf ihre Babys wegnehmen und ihre Milch trinken können. Das ist doch abnormal, wenn man sich das so überlegt.»
Flo erzählt von einem Artikel von Charlotte Roche, in dem sie beschreibt, was Feminismus mit Veganismus zu tun hat. «Den Ansatz finde ich wirklich spannend und war mit ein Grund, der mich zum Veganismus bewogen hat.» Seit Flo vegan lebt, fühlt sie sich wacher und leichter – und sie habe sogar mit Joggen angefangen, zeigt sie sich selbst erstaunt.
Flo vermutet, dass es dafür viele verschiedene Gründe gibt. «Einerseits glaube ich, dass die meisten sich nichts wegnehmen lassen wollen. Sie fühlen sich bevormundet. Und dann gibt es das gute alte Argument, dass wir die Nährstoffe brauchen und Menschen schon immer Fleisch gegessen haben», sagt sie. Diese Gründe könne sie noch halbwegs nachvollziehen. «Der andere Grund ist wohl, dass sie schon wissen, dass das, was sie tun, nicht so geil ist. So eine Bratwurst ist so weit weg von einem Kalb. Überleg dir mal den Weg vom einen zum anderen. Das kann doch nicht gut sein.»
Um das Klima weniger zu belasten, wäre schon viel getan, wenn viele Menschen ihren tierischen Lebensmittelkonsum herunterschrauben würden. Für Flo fühlt sich vegane Ernährung aber nach dem richtigen Weg an. Statt andere zu bevormunden, setzt sie lieber darauf, ihre Freude und Tipps mit ihrem Umfeld zu teilen, etwa auf ihrem Insta-Account. In den Story-Highlights finden sich etliche Tipps zur veganen Ernährung.
Inspiration findet sie selbst unter anderem auf den Instagram-Kanälen Swiss Vegan Finds, Vegans of Zuri, Accidentally Vegan Switzerland sowie unter www.vegan.ch. «Ich glaube, mit Positivität komme ich eher bei meinen Mitmenschen an.» Wenn jemand vegan leben wolle, dem oder der rät sie: «Leg mal einen veganen Tag pro Woche ein. Oder versuche gleich zwei, drei Monate lang vegan zu leben.» So lange? «Ja, so lange dauert es, bis du alle Milchersatzprodukte durchprobiert hast!», erwidert sie lachend.
Die verfi*** Industrie schafft es doch tatsächlich, dass vegan = Ersatzprodukt bedeutet.
Pflanzliche Ernährung ist vegan. Gemüse, Nüsse, Bohnen, Pilze, Früchte, Hülsenfrüchte...
Die meisten Ersatzprodukte sind Unsinn und stammen von der gleichen Industrie wie der nicht vegane Plastik. Diese Industrie bekommt die Plautze nicht voll!
Vegan gibt es seit jeher.
Und ist easy.