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João de Deus: Wunderheiler missbrauchte Hunderte Anhängerinnen

In this handout photo released by Agencia Brasil, spiritual healer Joao Teixeira de Faria, better known as John of God, arrives to the Dom Inacio Loyola House in Abadiania, Brazil, Wednesday, Dec. 12, ...
Bild: AP/Agencia Brasil
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Wunderheiler missbrauchte Hunderte Anhängerinnen – jetzt sitzt er hinter Gittern

Der brasilianische Heiler João de Deus ist zu 19 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Weitere Verfahren folgen.
30.12.2019, 07:30
Hugo Stamm
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Millionen haben ihn verehrt, Hunderttausende setzten grosse Hoffnungen in ihn, doch nun ist der «Engel» gefallen. Endlich, ist man geneigt zu sagen. Endlich wurde ihm das Handwerk gelegt.

Die Rede ist vom brasilianischen «Wunderheiler» João de Deus, wie er sich nennt. Der Johann von Gottes Gnaden. Das klingt nach christlichem Glaube, in Wirklichkeit ist er ein Esoteriker und wird vor allem von diesen Kreisen in den Himmel gehoben. Das hinderte ihn nicht daran, seine vermeintlichen Heilungen mit dem Mantra zu beschliessen: «Im Namen Jesus Christus, du bist geheilt.»

Gefallen ist der göttliche Johann nicht etwa, weil er als Scharlatan enttarnt worden wäre, der Hunderttausende um ihre Hoffnung auf Heilung betrogen hat, nein, er wurde aus dem Verkehr gezogen, weil er unzählige Frauen sexuell missbraucht hat.

So berichtete «Spiegel TV» über João de Deus:

Vor rund einer Woche wurde der 77-jährige Analphabet João de Deus, mit bürgerlichem Namen João Teixeira de Faria, in Brasilien wegen sexueller Gewalt während spirituellen Sitzungen zu 19 Jahren und vier Monaten Haft verurteilt. Das Gericht kam zum Schluss, dass er vier Frauen vergewaltigt hat.

Über 500 Anzeigen

Doch das ist erst der Anfang, weitere juristische Verfahren folgen. Mehr als 500 Frauen haben ihn wegen sexueller Übergriffe angezeigt. Unter den Opfern befinden sich auch Schweizerinnen. Auch seine eigene Tochter Dalva hatte in einem Interview erklärt, vom Vater missbraucht worden zu sein. Was dieser umgehend bestritt.

Doch nicht genug: Gegen den «Wunderheiler» laufen auch Verfahren wegen illegalem Waffenbesitz und Korruption. Brasilianische Medien werfen ihm auch Kinderhandel vor.

Der Frauenschänder hatte eine perfekte Fassade aufgebaut und über 50 Jahre lang Millionen getäuscht. Er tourte durch die Welt und füllte Säle mit seinen kruden Fake-Shows.

João de Deus profitierte jahrelang von seinem Nimbus als weltbekannter Heiler. Seine vielen einflussreichen Freunde machten ihn zur lebenden Legende und wirkten als Schutzschild. Der Status als internationaler Superstar machte es den gepeinigten Frauen schwer, rechtlich gegen ihn vorzugehen.

Ein Vertreter des Esoterik-Anbieters Earth Oasis verteidigt den Heiler und bestätigt, dass Promis zu seinem Schutz beitrugen.Video: YouTube/Indigo Kristall

Die einflussreiche US-Talkmasterin Oprah Winfrey besuchte ihn 2013 und drehte eine Folge ihrer Show «Oprah's Next Chapter» über ihn. Auch eine Urkunde mit dem Dank des Dalai Lama prangt an der Wand des Zentrums, begleitet von einem Dankesschreiben des vorletzten Präsidenten von Peru. Neben dem früheren US-Präsidenten Clinton, Trumps Schwiegersohn Jared Kushner, den Schauspielerinnen Shirley McLane und Janet Leigh gehören auch hohe Politiker, Professoren, Richter, Unternehmer, Bischöfe und Würdenträger anderer Religionen zu den Fans des Wunderheilers.

Vor lauter Verblendung ist keiner dieser erfolgreichen und gebildeten Menschen auf die Idee gekommen, sich ein paar Fragen zu João de Deus' Wirken und den Operations- und Heilmethoden zu stellen. Ein Beweis, wie Aberglaube und magisches Denken die Menschheit immer noch beherrschen.

Monatlich pilgerten bis zu 10'000 Kranke zum «Wunderheiler»

Der Heiler empfing in seinem grossen geistlichen Zentrum Casa Dom Inacio in Abadiânia bis zu 10'000 Anhänger und Patienten pro Monat. Er nährte selbst bei Krebspatienten im Endstadium die Hoffnung, er könne sie heilen.

Dabei ging es oft blutig zu und her. So drang er beispielsweise mit einer «chirurgischen Schere», wie er das Instrument nennt, durch die Nase tief in den Schädel, und zaubert blutige Gewebefetzen hervor, quasi den Tumor. Oder er öffnete mit einem Skalpell vermeintlich den Bauchraum. Auf den Videos sind aber lediglich kleine Schnitte in die Fettschicht zu sehen. Bei den teilweise martialischen «Operationen» wendet er vermutlich Hypnosetechniken an, damit die Leute keine Schmerzen spüren.

Der grosse deutsche Esoterik-Anbieter Earth Oasis, der regelmässig Gruppenreisen zum «Wunderheiler» organisierte, dürfte geschockt sein. Die Umsätze werden wohl einbrechen und manche Kunden rückblickend genervt sein. Denn Earth Oasis lockte die Esoteriker mit blumigen Zuschreibungen auf eine Reise nach Brasilien.

«Vielleicht ist João de Deus gerade deshalb zum bedeutsamsten Heiler unserer Tage geworden, weil er in Demut sein Tun in Gottes Hände legt. (…) Ruhm und Bewunderung haben sein Leben nicht verändert – João ist weiter der demütige liebevolle Mensch, standhaft und unermüdlich in seiner Mission der Heilung.»

In einem herben Kontrast zu diesem Geschwurbel steht seine Selbsteinschätzung, bezeichnete er sich doch als das berühmteste Volltrance-Medium. Wieso nur kommt einem da Uriella selig in den Sinn?

João de Deus behauptet nach esoterischer Lesart, 36 Geistwesen würden bei den Heilungen durch ihn sprechen und wirken, während er in Trance sei. Unter ihnen Ignazius von Loyola, Franz von Assisi und König Salomon.

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Eigentlich hätten bei dieser Behauptung die Alarmglocken der Patienten läuten müssen. Er nennt denn auch die Behandlungen «spirituelle Operationen». Eine Wortschöpfung, die ebenfalls Fluchtreaktionen hätten auslösen müssen.

Beim ersten Schweizer Besuch generierte der Heiler eine Million Umsatz

Bei seinem ersten Besuch in der Schweiz in Winterthur im Juli 2012 strömten in drei Tagen gegen 10‘000 Esoteriker und Anhänger der Alternativmedizin in die Eulachhalle. Unter ihnen viele Schwerkranke. Der Eintritt kostete 167 Franken. Der Umsatz lag bei weit über einer Million.

Die Besucher warteten stundenlang in der Schlange, um endlich eine Kurzbehandlung zu bekommen. Manchen riet er, nach Brasilien zu kommen, weil er in der Schweiz keine «Operationen» durchführen dürfe.

Viele Besucher waren hinterher wegen der Warterei frustriert, wie sie mir draussen sagten. Denn als Journalist bekam ich keinen Einlass. João de Deus hatte vermutlich Angst, dass ich ihn als Trickbetrüger entlarven könnte.

Wäre da noch die Frage, wie die «Operationen» funktionieren, die Patienten «mit eigenen Augen» gesehen haben? Diese «spirituellen Methoden» sind schon alt und werden von Hunderten Geistheilern, vor allem auch auf den Philippinen, ausgeführt. Dabei handelt es sich schlicht um Taschenspielertricks. Wie Untersuchungen zeigten, hantieren die Heiler dabei mit tierischem Blut und Gewebe.

Hugo Stamm; Religionsblogger
Hugo Stamm
Glaube, Gott oder Gesundbeter – nichts ist ihm heilig: Religions-Blogger und Sekten-Kenner Hugo Stamm befasst sich seit den Siebzigerjahren mit neureligiösen Bewegungen, Sekten, Esoterik, Okkultismus und Scharlatanerie. Er hält Vorträge, schreibt Bücher und berät Betroffene.
Mit seinem Blog bedient Hugo Stamm seit Jahren eine treue Leserschaft mit seinen kritischen Gedanken zu Religion und Seelenfängerei.

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172 Kommentare
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WellWellWell
28.12.2019 08:57registriert August 2015
Ich kenne eine Person, die diesen "Wunderheiler" verehrt hat, mehrfach zu ihm nach Brasilien gereist war. Damit konfrontiert (resp. lieb & vorsichtig darauf aufmerksam gemacht), dass er verhaftet wurde, bzw. jetzt verurteilt, wollte die Person nichts davon wissen und keifte, das wären alles "Fake News".
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N. Y. P.
28.12.2019 06:35registriert August 2018
Der göttliche Johann ist auch wegen illegalem Waffenbesitz und Korruption. angeklagt.

Wer hätte das gedacht.

Ich verstehe einfach nicht, wie Huntertausende diesem Tropenkopf nachrennen konnten. Sobald Personenkult entsteht, ist es meistens zum schlechten bestellt. Siehe all die Wunderheiler oder all die Politiker, die das Blaue vom Himmel versprechen. Wie Lemminge folgen die Schäflein ihrem Führer. Nicht mehr fähig, selber zu denken.
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Zeit_Genosse
28.12.2019 07:46registriert Februar 2014
Überall wo Gurus, Heiler, Führer, Seher, Narzissten und Diktatoren sind, ist Vorsicht geboten. Warum sich Menschen unterwerfen wollen oder da hineingeraten, ist mir schleierhaft. Und es wäre an den Eltern, ihren Kindern als Lebensschule von diesen Menschen zu warnen. Es gibt nämlich viele davon.
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