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Corona und die Gretchenfrage: Nun sag, wie hast du's mit der Impfung?

Spritzen auf farbigem Hintergrund.
Dass die in Rekordzeit entwickelte Impfung viele Menschenleben retten wird, werden Impfverweigerer ausblenden.Bild: shutterstock.com
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Corona und die Gretchenfrage: Nun sag, wie hast du's mit der Impfung?

05.12.2020, 10:1005.12.2020, 10:11
Hugo Stamm
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Die Frage, gepaart mit Verschwörungsideen, spaltet die Öffentlichkeit. Der Graben entzweit Familien, zerstört Freundschaften. Am Anfang war die Skepsis, das Misstrauen. Alle wurden davon erfasst. Die Kakophonie der Wissenschafter und Politiker verunsicherte viele.

Die einen suchten nach Ursachen, Zusammenhängen und Hintergründen. Sie lechzten nach seriösen Informationen und recherchierten intensiv. In der Hoffnung, das Mosaik ergebe irgendwann ein schlüssiges Bild.

Ihre Haupterkenntnis: Das Virus ist vielschichtig, hinterhältig und fies, seine Erforschung hoch komplex. Die Untersuchungsresultate, die laufend veröffentlicht wurden, brachten in den letzten Monaten immer neue Erkenntnisse über den Erreger und seine pandemischen Auswirkungen.

Impfung Coronavirus
Erste westliche Länder dürften in Kürze mit ihren Corona-Impfprogrammen beginnen.Bild: shutterstock.com

Auf der anderen Seite sind die Esoteriker, Impfgegner, Verschwörungstheoretiker, Alternativmediziner und Rechtsradikalen, die allem und jedem misstrauen: Der Schulmedizin, der Pharmaindustrie, den Wissenschaftern, den Politikern und überhaupt den Mächtigen.

Für sie ist das Virus ein Geschenk des Himmels. Endlich konnten sie ihrer Wut auf «die da oben» Ausdruck verleihen. Endlich hatten sie den (angeblichen) Beweis, dass sie mit ihrem Weltbild und ihrem Glauben richtig liegen: Die Politik ist korrupt, bekannte und geheime Mächte drangsalieren und manipulieren uns, die Globalisierung ist des Teufels, die Migrationsströme zerstören unsere Identität und Kultur.

In dieser aufgeheizten Atmosphäre ist die Impfung der Lakmustest.

Der Diskurs um die Deutungshoheit in der «Akte Corona» ist längst zum Glaubenskrieg geworden.

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In dieser aufgeheizten Atmosphäre ist die Impfung der Lakmustest. Coronaleugner und Skeptiker, die sich weigern, wissenschaftliche Erkenntnisse zu akzeptieren, machen mobil. Die Freiheitliche Bewegung Schweiz (FBS) sammelt bereits Unterschriften für die Initiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit (Stopp Impfpflicht)».

Dabei betont Gesundheitsminister Alain Berset bei jeder Gelegenheit, dass die Impfung freiwillig sei. Die Wutbürger glauben ihm natürlich kein Wort. Als würde er lügen, sobald er den Mund öffnet. Als gäbe es kein Parlament, das die Bundesräte kontrolliert.

Eine seltsame Diktatur

Manche Hardliner sprechen sogar von der Corona-Diktatur – und schreien die Parole bei Demos ins Mikrophon. Dabei übersehen sie, dass die Kundgebungen von den staatlichen Behörden bewilligt worden sind. Und dass sie von Polizisten geschützt werden, damit Linksautonome die Demonstrationen nicht stören. So sieht ihre Diktatur aus.

Das Hauptargument der Kritiker lautet wie bei der Masernimpfung, das Vakzine schwäche das Immunsystem. Gleichzeitig behaupten sie, Masern, Röteln und andere Krankheiten würden die Abwehrkräfte stärken.

Das gilt für sie auch für die Corona-Infektion, die sie mit der Grippe vergleichen. Es braucht aber keine wissenschaftliche Ausbildung, um erkennen zu können, dass das Coronavirus bei einem schweren Krankheitsverlauf das Immunsystem an den Rand des Kollapses bringt. Oder zum Tod führt. Was übrigens in seltenen Fällen auch bei Masern der Fall ist.

Dass die in Rekordzeit entwickelte Impfung viele Menschenleben retten wird, werden Impfverweigerer ausblenden.

Die Skeptiker wollen auch nicht wahrhaben, dass Impfungen viel harmloser sind als die Krankheit selbst und sie das Immunsystem kaum schwächen. Für den Körper ist eine Impfung eine Art schwache Krankheit, bei der die meisten Geimpften nur den Pieks der Nadel spüren.

Die wirkliche Resistenz

Die Impfverweigerer sind zwar nicht gegen das Virus resistent, allerdings gegen wissenschaftliche Erkenntnisse und empirische Erfahrungen.

Selbst wenn es mit der Impfung gelingen sollte, die Pandemie in wenigen Monaten in den Griff zu bekommen, werden sie sich in ihrer ideologischen Verblendung nicht belehren oder bekehren lassen. Sie werden sich auf alle Fälle stürzen, bei denen Geimpfte Nebenwirkungen erlebt haben.

Dass die erste Generation von Impfungen in seltenen Fällen zu Komplikationen führen wird, ist zu erwarten. Dass die in Rekordzeit entwickelte Impfung aber viele Menschenleben retten wird, werden sie ausblenden.

Und dann wundern sie sich, dass ihr Verhalten an eine sektenhafte Verblendung erinnert, die Merkmale einer Gehirnwäsche aufweist.

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Hugo Stamm; Religionsblogger
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Glaube, Gott oder Gesundbeter – nichts ist ihm heilig: Religions-Blogger und Sekten-Kenner Hugo Stamm befasst sich seit den Siebzigerjahren mit neureligiösen Bewegungen, Sekten, Esoterik, Okkultismus und Scharlatanerie. Er hält Vorträge, schreibt Bücher und berät Betroffene.
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343 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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bbelser
05.12.2020 11:53registriert Oktober 2014
Impfgegner sind immer fein raus.
Sie können sich ganz ohne irgendein Engagement als Rebellen und Helden feiern, die als einzige kapiert haben, wie der Hase läuft und was die korrupten Eliten mit uns vorhaben.
Das stärkt das Immunsystem;-)

Gleichzeitig sorgen die Verabtwortungsvollen und Solidarischen dafür, dass eine Durchimpfung von 60 -70% erreicht wird und schützen damit automatisch auch die Impfgegner.

Die erschöpfte und ausgelaugte Verzweiflung der tatsächlichen Heldinnen in der Intensiv-Pflege überhören unsere "mutigen Rebellen" dabei geflissentlich.
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HundBasil
05.12.2020 10:33registriert Mai 2018
Man darf in einer freien Welt Impfgegnerin sein. Wenn man solche Leute auch wieder katalogisiert und als Sektierer stigmatisiert, offenbart man seine totalitäre Geisteshaltung. Hoffentlich lassen sich möglichst viele Menschen impfen. Aber hoffentlich respektieren auch möglichst viele Menschen die diesbezüglichen Ängste der anderen.
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Lushchicken
05.12.2020 13:14registriert Oktober 2014
Eine gesunde Skeptik ist 100% angebracht. Ich bin junge Risikopatientin und mein Leben ist seit 9 Monaten praktisch vorbei. Es ist offensichtlich, dass wir es als Bevölkerung nicht schaffen, den Virus unter Kontrolle zu halten. Oder schlicht keine Lust mehr dazu haben. Eine Impfung ist daher für mich die einzige Möglichkeit, mein Leben zurückzubekommen, ganz egal, wie schnell die Entwicklung ging. Angst macht mir das nicht. Wenn man sich ein bisschen damit befasst, findet man heraus, dass die Beschleunigung der Entwicklung viel mit administrativen Erleichterungen zu tun hat.
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Muss ich mein Trinkgeld bei der Steuererklärung angeben?
Offiziell gibt es seit 1974 im Gastgewerbe kein Trinkgeld mehr und damit auch nichts zu deklarieren. In der Praxis ist es etwas komplizierter.

In den 70er Jahren einigten sich Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände auf die Formel «Service inbegriffen». Bedeutet, dass die Arbeitgeberin die Serviceleistung mit dem Lohn abgilt und der Gast diese nicht zusätzlich bezahlen muss. Klarheit geschaffen wurde damit aber nie, da das Trinkgeld nur theoretisch, nicht aber praktisch abgeschafft wurde. Mit der immer häufigeren digitalen Überweisung des Trinkgeldes kommt diese langjährige Praxis nun auch immer deutlicher ans Licht.

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