Papst Franziskus ist eine Wundertüte und immer wieder für Überraschungen gut. Oft gibt er den lieben Vater, der für soziale Gerechtigkeit kämpft, manchmal ist er zornig, gelegentlich sagt er Dinge, über die man den Kopf schütteln muss.
Die Bandbreite reicht von erzkonservativ bis erfrischend unkonventionell. Nur weiss man nie so recht, was als nächstes kommt, wo er wirklich steht und woran man bei ihm ist.
In seinem heiligen Zorn hat er sich vor ein paar Tagen wieder einmal tüchtig vergaloppiert. Bei einer Generalaudienz nahm er sich die Heuchler in seiner Kirche vor: «Wie oft sehen wir den Skandal dieser Personen, die in die Kirche gehen und dort jeden Tag sind. Und dann führen sie ein Leben, in dem sie andere hassen oder schlecht über andere Leute reden. Besser man geht nicht in die Kirche: Lebe so, als seist du ein Atheist.»
Die Aussage hat mehrere Botschaften. Zuerst einmal diskreditiert er pauschal alle Atheisten als unmoralische Leute. Zweitens zeigen seine Worte, dass der Glaube offensichtlich kein Rezept für Moral und Ethik ist und er aus Gläubigen nicht bessere Menschen macht.
Der Papst ist nicht das erste Mal erzürnt über die Gier vieler Gläubiger und die skrupellosen Geschäftspraktiken von Betrieben, die von Katholiken geführt werden. Und drittens macht seine Aussage deutlich, dass er am liebsten Gläubige aus den Kirchen verbannen möchte, die nicht seinen Vorstellungen entsprechen. Die also nicht nach der reinen Lehre der katholischen Kirche leben und in Glaubensfragen nicht so konservativ und rückständig sind wie er und die Kurie.
In diesem Punkt erinnert der Pontifex an die beiden Schweizer Bischöfe Wolfgang Haas und Vitus Huonder. Auch sie haben klare Prioritäten: Lieber eine kleine Gemeinschaft mit glühenden Gläubigen, als eine Volkskirche mit lahmen Mitgliedern, die zwar brav Kirchensteuer zahlen, aber am Sonntagmorgen lieber in die Berge fahren als den Gottesdienst zu besuchen.
Mit dieser Strategie politisiert der Papst wie alle Fundis der Kurie am Kirchenvolk vorbei. Damit manövriert er seine Kirche in den westlichen Ländern weiter ins Abseits. Auf diese Weise wird seine Institution langsam aber sicher aussterben.
Die wenigen treuen Kirchenbesucher sind im Seniorenalter und sterben aus. Und für Junge ist eine Institution weder glaubwürdig noch attraktiv, die Frauen ausschliesst, Geschiedene und Homosexuelle diskriminiert, Empfängnisverhütung und Abtreibung verbietet und sexuelle Übergriffe zögerlich aufarbeitet.
Die Kurie klammert sich beim Exodus in der westlichen Welt an die Schwellenländer, wo die katholische Kirche noch gut verankert ist. Doch auch in diesen Weltgegenden emanzipieren sich die jungen Leute, die sich nicht mehr lange von weltfremden, frömmlerischen Pfarrern die Welt erklären lassen. Vor allem werden sie sich nicht vorschreiben lassen, wie sie zu leben haben.
Wie sehr sich viele Katholiken von ihrer Kirche und auch von Papst Franziskus entfremdet haben, zeigte sich bei seiner irren Aussage, Abtreibung sei Auftragsmord. Es gab keinen Aufstand, keine Revolution. Nur ein paar weitere Austritte. Die Welt drehte sich weiter, als ob nichts geschehen wäre.
Dies demonstriert die Gleichgültigkeit der Katholiken ihrer Kirche gegenüber. Es zeigt auch die Resignation weltoffener Geistlicher. Und Franziskus macht einmal mehr klar, dass er ein unverbesserlicher Fundamentalist ist.
Es stellt sich die Frage, ob sein soziales Engagement und seine schönen Worte der Barmherzigkeit für die Armen nur ein Lippenbekenntnis, eine Pose sind. Und ob sein wahres Gesicht dasjenige des Frömmlers und Eiferers ist, dem Dogmen wichtiger sind als seine Schäfchen. Denn es sind meist die Armen und Verzweifelten, die sich zu einer Abtreibung genötigt sehen.
Damit verbannt der «gute Hirte» Hunderttausende von Frauen nach seinem Glaubensverständnis in die Hölle. Denn bei Mord gibt es laut Bibel keine Gnade beim Jüngsten Gericht.