Am frühen Samstagmorgen verschwand eine Passagiermaschine der Malaysia Airlines über dem Südchinesischen Meer. Bisher sind lediglich Wrackteile gesichtet worden, von denen derzeit aber noch nicht sicher ist, ob sie wirklich von der Boeing 777-200 stammen. Es gibt eine Reihe von Spekulationen, was mit dem Langstreckenflugzeug und den 239 Menschen an Bord passiert sein könnte.
Plötzliche Schäden am Flugzeug können zu Explosionen oder dem sofortigen Verlust des Kabinendrucks führen. Doch gelten derartige Vorfälle bei den heutigen Maschinen als wenig wahrscheinlich – insbesondere bei dem Flugzeugtyp Boeing 777-200, der einen fast makellosen Ruf in Sicherheitsfragen geniesst.
«Ein Riss im Rumpf kann zum völligen Ausfall führen, bei dem keine Zeit zum Reagieren mehr bleibt – doch ist mir aus den vergangenen zwei oder drei Jahrzehnten so gut wie kein derartiger Zwischenfall bekannt», sagt der Flugzeugexperte des Beratungsunternehmens Frost & Sullivan, Ravi Madavaram. Sein Kollege Gerry Soejatman ergänzt, dass die Wartungsberichte der malaysischen Maschine keinerlei Auffälligkeiten aufweisen.
Der Fall von Flug MH370 weist einige Parallelen zum Absturz einer Air-France-Maschine im Juni 2009 über dem Atlantik auf, bei dem alle 228 Insassen starben. Ermittlungen ergaben damals, dass die Geschwindigkeitsmesser vereisten und die Maschine an Flughöhe verlor, die Piloten für derartige Extremsituationen aber nicht ausgebildet waren und falsch reagierten.
Nach den Worten von Experte Soejatman nutzt selbst die beste Sicherheitsausstattung wenig, wenn Piloten auf Notsituationen nicht vorbereitet würden: «Eine inkompetente Crew verliert dann rasch die Kontrolle.»
Die Behörden schliessen beides nicht mehr aus, nachdem bekannt geworden war, dass zwei Passagiere mit gestohlenen Pässen aus Italien und Österreich und ein dritter mit einem möglicherweise gefälschten chinesischen Ausweis unterwegs waren. Zudem gibt es Vermutungen, dass der Pilot unerklärlicherweise versucht haben könnte, nach Kuala Lumpur umzukehren.
Der Experte Shukor Yusof von Standard & Poor's mahnt jedoch zur Vorsicht: Niemand habe sich bisher zu einem Anschlag bekannt – «wo ist das Motiv?» Gestohlene Pässe seien nicht notwendigerweise ein Hinweis auf Terroranschläge, fügt er hinzu. Sie könnten auch von illegalen Gastarbeitern oder Mitgliedern des organisierten Verbrechens benutzt worden sein.
Für den modernen Flughafen der malaysischen Hauptstadt sind bislang keine massiven Sicherheitslücken dokumentiert. Laut dem Terrorismusexperten Rohan Gunaratna aus Singapur deuten die gestohlenen Pässe jedoch auf «schwere Mängel» bei den Ausweiskontrollen hin.
Tatsächlich teilte Interpol am Sonntag mit, dass die beiden 2012 und 2013 in Thailand gestohlenen Pässe in der Datenbank der internationalen Polizeibehörde registriert waren – offenbar aber nahmen die Verantwortlichen in Kuala Lumpur keinen Datenabgleich mit Interpol vor.
Experte Shukor weist allerdings darauf hin, dass es allein die schiere Menge an abzufertigenden Flugreisenden unmöglich macht, alle Unregelmässigkeiten aufzudecken: «Die Behörden müssen jederzeit alles richtig machen – bei potenziellen Entführern dagegen reicht es, wenn sie einmal durchkommen.»
Nach Angaben von Malaysia Airlines hatte die Boeing Treibstoff für mindestens acht Flugstunden getankt – dies sind zwei Stunden mehr als die benötigte Flugdauer und entspricht den Gepflogenheiten. Laut dem Experten Ravi hätte der Pilot bei einem Treibstoffverlust zudem in jedem Fall genügend Zeit gehabt, einen Notruf abzusetzen. Einen solchen gab es vor dem mysteriösen Verschwinden des Flugzeuges aber nicht. (dhr/sda/afp)
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