Der frühere TV-Koch Attila Hildmann bekommt offenbar zu spüren, dass auch sein Telegram-Kanal kein rechtsfreier Raum ist: Er darf von Aliens und Flugscheiben fabulieren, er darf vom Hochladen aller Egos in die Cloud fantasieren, aber er darf nicht Dietmar Hopp beleidigen. Ihm ist offenbar eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ins Haus geflattert.
Bei dem verstrahlten Kochtopf-Kanzler, Attila Hildmann, flattern so langsam die ersten Klagen & Unterlassungsklagen ein.
— Anonymous Kollektiv (@AnonKollektiv) June 18, 2020
Da kann ruhig mehr kommen Leute, je mehr desto schneller kann er mit Mario Rönsch in der Knastkantine zusammen kochen! ;)#OpTinfoil pic.twitter.com/k5D81jMj2Q
Hildmann soll umgehend ein Posting vom vergangenen Freitag löschen und erklären, die Äusserungen über Hopp nicht zu wiederholen. Das geht aus Screenshots hervor, die Hildmann verbreitet hat.
Die Dietmar-Hopp-Stiftung konnte das am Donnerstag auf Anfrage von watson-Medienpartner t-online.de zunächst weder bestätigen noch dementieren. Es gibt aber eine andere Quelle, welche die Echtheit des Anwaltsschreibens bestätigt.
Anmerkung: Ich habe mit der Dietmar-Hopp-Stiftung gesprochen, die es bisher weder bestätigen noch dementieren konnte. Habe aber aus anderer Quelle, dass es das Anwaltsschreiben gibt.
— Lars Wienand (@LarsWienand) June 18, 2020
Mit dieser Form Gegenwind hatte der Berliner wohl überhaupt nicht gerechnet: «Ich kann das grad nicht fassen, dass Deutschlands Milliardär mich abmahnt», schrieb er. Entgegen der Aufforderung löschte er seine Beleidigungen nicht und wiederholte seine Wortwahl sogar. Den Rest klärten seine Anwälte. Wörtlich schrieb er: «Nicht nur du hast welche Diddi, ich beschäftige mehr als du und hab auch Bessere!» Auch hier dürften Zweifel angebracht sein.
Hildmann, der zunehmend radikalere Reichsbürger-Ideologien vertritt und dabei von «Liebe» spricht, war mit den Einschränkungen in der Coronakrise zusehends abgedriftet. Für ihn ist es ein Projekt zur Unterdrückung der Menschen, Zwangsimpfungen mit Chip-Implantaten für alle stehen demnach bevor, wenn er die Welt nicht davor rettet.
In der Logik ist für ihn Hopp auch Mittäter – Hopp ist SAP-Gründer – und der Software-Konzern hat die Corona-Warn-App massgeblich entwickelt. Hopp ist auch an dem Biopharma-Unternehmen Curevac beteiligt, das einen Impfstoff an Menschen testen darf. In Curevac investieren auch der Bund und vor allem die Stiftung von Bill Gates. Gates ist für den auch zunehmend antisemitisch auftretenden Hildmann neben George Soros ein Inbegriff des Bösen.
Hildmann schrieb den mehr als 60'000 Abonnenten seines Kanals mit einem Foto von Dietmar Hopp, Hopp sei ein «ekliger Gates-Lump». Dazu wählte er eine sexuelle Beleidigung und behauptete, Hopp sei «safe auch auf Adronochrom!»
Der letzte Punkt lässt sich in der Anwaltspost gut zusammengefasst so lesen: «Durch diesen abstrusen Vorwurf versuchen Sie offenbar, unseren Mandanten im Sinne einer bizarren Idee (...) in unmittelbaren Zusammenhang zu folternden Kindesentführern und/oder Satanisten zu bringen.»
Adrenochrom steht im Mittelpunkt eines wirren Verschwörungsmythos, dem auch Xavier Naidoo anhängt und der von der QAnon-Bewegung getragen wird: Weltweit würden Kinder in Gefangenschaft gehalten, um aus ihrem Blut für eine satanistische Elite eine angebliche «Verjüngungsdroge» zu gewinnen. Tatsächlich lässt sich Adrenochrom im Labor herstellen, ist in Onlineshops erhältlich und bewirkt keinen Verjüngungseffekt.
Bisher hatten Prominente nicht auf solche absurden Darstellungen und Pöbeleien reagiert. Hopp, Geldgeber der TSG Hoffenheim, hat aber fast einen Sport daraus gemacht, gegen Beleidigungen vorzugehen. Er verfolgt seit Jahren Fussballfans juristisch und mit einigem Aufwand, die ihm sein millionenschweres Hobby Hoffenheim übel nehmen und ihn unflätig beleidigen. Wer sich mit ganzen Fanszenen anlegt, für den ist Hildmann ein ganz kleines Kaliber.
Hildmann hat nun offenbar die verwegene Idee, Fussballfans könnten ihn nun zumindest finanziell unterstützen: Er preist ihnen seine Getränkemarke an. Im stationären Handel ist sie nach Protesten von Kunden wegen Hildmanns Äusserungen und Auftreten aber kaum noch zu haben.
Antwort von Kaufland auf meine Anfrage vor ein paar Tagen. 😁 pic.twitter.com/WXHuIQT1OZ
— Steffen Karma (@karmaup10) June 18, 2020
Doch dem Koch wird nicht nur juristisch eingeheizt: Auch die Anonymous-Bewegung geht gegen ihn vor – wenn auch mit ganz anderen Mitteln. Menschen um den wichtigsten deutschen Anonymous-Account machen ihm sein digitales Leben schwer. Zunächst hackten sie seine Firmenseite. Dann recherchierten sie und veröffentlichten, wer zum Administratoren-Team einer Telegram-Gruppe um Hildmann gehört.
Anonymous gelang es auch, in seiner Gruppe unter die Administratoren aufgenommen zu werden. Prompt wurden Tausende Nutzer rausgeworfen und interne Chats veröffentlicht. Ausserdem erwecken die Netzaktivisten den Eindruck, das Auto des zeitweilig paranoid auftretenden Hildmann mit einem Peil-Sender zu verfolgen. Ob das tatsächlich so ist, ist unklar. In der Vergangenheit ist die Gruppe vor allem mit Aktionen gegen Überwachung, Polizeistaat und für Rechte im Netz aufgetreten. Für Hildmann sind sie Regierungstrolle.