Deutschland schmunzelt, Grund dafür ist die Merkel-Partei CDU. Diese gilt nicht unbedingt als die Partei, die bei jungen Wählern am beliebtesten ist. In Zahlen: Bei der Europawahl 2019 machten gerade mal 13 Prozent der unter 30-Jährigen ihr Kreuz bei den Unionsparteien.
Vor diesem Hintergrund ist klar, dass die CDU sich noch mehr um junge Menschen bemühen muss. Auch wenn Generalsekretär Paul Ziemiak im Interview in der Sendung «Frühstart» bei ntv verkündet, die Zustimmung zu den Unionsparteien sei bei jungen Menschen deutlich höher als noch vor einem Jahr.
Als Versuch, die Beliebtheit unter Jungwählern weiter auszubauen, darf wohl auch die aktuelle Instagram-Story von Noch-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer gewertet werden. Als Anlass gilt das 75-jährige bestehen der Partei.
Wenn man nur ihren Worten lauscht, klingt es nach einem ganz normalen Werbevideo. Doch unten steht die Übersetzung für die Jungen und Junggebliebenen unter uns: In ziemlich aufdringlichen Jugendsprache.
So wird etwa das «Guten Tag» von Kramp-Karrenbauer mit «Yo Leute» übersetzt. Laut ihr fänden manche die CDU ja etwas altbacken, aber sie seien doch ziemlich jung geblieben. Der Beweis steht in der Übersetzung: «Ihr denkt, die CDU ist Old School, aber wir sind fresher denn je.»
Es wäre an der Zeit, zu zeigen, «was in den 75 Jahren so alles los war». Und damit es auch die Teenager verstehen, hier noch die Übersetzung: «Zeit, mal zu flexen, was in den 75 Jahren so alles abging.»
Swiped einfach nach oben, um euch den nicen Geburtstagsfilm zu sehen und gönnt euch!
Das haben sie wirklich eins zu eins so hochgeladen. Es ist alles noch schlimmer als gedacht... pic.twitter.com/UQhdJMDqcM
— Miguel Robitzky (@miguelrausa) June 24, 2020
Das Video, das auf einen Film zum 75. Jubiläum der Partei hinweisen soll, wird in den sozialen Netzwerken bereits kontrovers diskutiert.
«Eine Grundregel in der politischen Kommunikation: Wanze Dich nie mit sogenannter ‹Jugendsprache› an #diesejungenleute ran», meint Politikberater Martin Fuchs auf Twitter. «Auch nicht in Insta-Stories. Nie!»
Eine Grundregel in der politischen Kommunikation: Wanze Dich nie mit sogenannter "Jugendsprache" an #diesejungenleute ran - auch nicht in Insta-Stories 🚫 NIE! https://t.co/AZKbEsMHkQ #75JahreCDU pic.twitter.com/RcUjizcf0D
— Martin Fuchs (@wahl_beobachter) June 24, 2020
Kramp-Karrenbauers persönlicher Referent Boris Binkowska antwortet ihm jedoch, ebenfalls mit demonstrativ jugendlicher Anrede: «Yo Martin, die ‹Jugendsprache› ist im Untertitel bewusst überzogen und steht im Kontrast zum Gesagten (Ton an!).» Er werte das eher als Selbstironie
Yo Martin, die "Jugendsprache" ist im Untertitel bewusst überzogen und steht im Kontrast zum Gesagten (Ton an!). Ich werte das eher als Selbstironie.
— Boris Binkowska (@bbinkowska_) June 24, 2020
Empfehle dazu auch das Video zu #75JahreCDU und insb. die Passage zur Frauenbewegung 👇 https://t.co/xMlwRZqqto
Damit sind die Eckpunkte gegeben, dazwischen finden sich viele verschiedene Meinungen.
Der Politikwissenschaftler Constantin Wurthmann glaubt nicht, dass die Selbstironie von jedem erkannt wird, vor allem nicht von denen, die damit eigentlich angesprochen werden sollen: Den Erstwählern.
Problem ist aber, dass nicht jede/r Zuschauer/in das als Selbstironie sieht. Wenn man selber aus dem Unionsmilieu kommt, kann man das vielleicht so verstehen, nur eben nicht, wenn man eine emotionale Distanz empfindet. Das trifft für die meisten Erstwähler derzeit zu.
— Constantin Wurthmann (@CW_PoWi) June 24, 2020
Journalist Morten Wenzek scheint auch nicht so recht überzeugt zu sein. Er spielt in seinem Tweet dazu auf ein bekanntes Meme an, dass einen älteren Herrn in jugendlichen Klamotten zeigt, der ein fröhliches «What's popping, fellow young kids» in die Runde schmeißt.
Niemand:
— Morten Wenzek (@morten_wenzek) June 24, 2020
Wirklich absolut niemand:
AKK: what’s popping, fellow young kids. pic.twitter.com/wfJ92aQMYp
Applaus bekommt das Video dagegen etwas überraschend vom politischen Gegner, namentlich von SPD-Influencerin Lily Blaudszun. Sie findet es – offenbar gänzlich unironisch – «gelungen, so neue Wege zu gehen.»
Als Teil von #diesejungenleute: musste total lachen und finds gelungen, so neue Wege zu gehen.
— Lilly Blaudszun (@LillyBlaudszun) June 24, 2020
(Trotzdem ist zusätzlicher Untertitel für Gehörlose angebracht) https://t.co/GTfLc2pkCg
Egal, ob peinlicher Cringe oder gelungene Selbstironie: Eins hat Annegret Kramp-Karrenbauer auf jeden Fall geschafft: Die Leute reden über sie – und das Video.
(watson.de/om/cki)