Wer sich dieser Tage mit dem Gedanken trägt, ein neues Smartphone zu kaufen, hat die Qual der Wahl. Nie war das iPhone-Portfolio grösser. Im Corona-Jahr 2020 haben die Kalifornier gleich fünf Modelle lanciert:
Das iPhone SE (2. Generation) gibt's seit Frühjahr. Die beiden genau gleich grossen iPhone 12 und 12 Pro sind seit Oktober erhältlich – watson hat sie in diesem Review vorgestellt. Und nun kommen noch rechtzeitig aufs Weihnachtsgeschäft die beiden iPhone-Spezialgrössen XS und XXL dazu.
Apple hat watson vor dem Verkaufsstart (am Freitag) Testgeräte als Leihgaben zur Verfügung gestellt. Für einen tiefschürfenden Review war die Zeit zu kurz. Im Folgenden fasse ich meine persönlichen Eindrücke zum iPhone 12 Pro Max zusammen, vergleiche mit den kleineren 12 Pro und Mini und verweise auf spannende Erkenntnisse Dritter.
Einige Techjournalisten schreiben in ihren Reviews, das iPhone 12 Pro Max sei zu gross. Dem kann ich nicht beipflichten. Es ist tatsächlich das grösste iPhone, das Apple bislang auf den Markt gebracht hat. Aber man kann es auch mit normalgrossen Händen gut bedienen. Wobei ich von zweihändiger Bedienung rede! Einhändig ist hochriskant.
Die Abmessungen:
Zweifelsohne ist das 12 Pro Max ein Schwergewicht. Dies macht sich beim kleinen Finger bemerkbar, der bei der Hochformat-Nutzung ziemlich viel «stemmen» muss.
Das Hands-on-Video habe ich mit der Splice-App in 4K-Auflösung auf dem 12 Pro Max geschnitten. Für Videobearbeitung unterwegs sind die Pro-Modelle mit dem leistungsfähigen A14-Bionic-Chip und dem grossen Arbeitsspeicher (6 Gigabyte RAM) an sich gut geeignet. Kein Warten, kein Ruckeln, auch rechnerintensive Arbeitsgänge laufen blitzschnell. Allerdings braucht man für längere hochauflösende Ultra-HD-Filme (alle neuen iPhones beherrschen Dolby Vision HDR) relativ viel Speicherplatz – und da kassiert der Hersteller ab.
Apple setzt bei den 2020er-iPhones weiterhin auf seinen Lightning-Anschluss statt auf UBS-C (wie beim iPad Air). Im Test versuchte ich den SSD-Speicher Samsung T7 über das dem iPhone beiliegende USB-C-auf-Lighning-Kabel (Ladekabel) anzuschliessen und scheiterte kläglich. Es wäre der (kostenpflichtige) Lighning-auf-USB-3-Kameraadapter erforderlich, um dem iPhone über ein weiteres Speichergerät den zusätzlich benötigten Strom zuzuführen (siehe YouTube). Mit dem iPad Air lässt sich die SSD-Festplatte direkt nutzen, was bei intensiver 4K-Videobearbeitung hilfreich ist.
My thumb trying to reach the far side of the iPhone 12 Pro Max when typing with one hand: pic.twitter.com/uuixyQ71eV
— ᴺᴼᵀ Jony Ive (@JonyIveParody) November 14, 2020
Die gute Nachricht: Das iPhone 12 Pro Max ist mit Abstand das ausdauerndste 2020er-iPhone und hält bei normalem Gebrauch problemlos einen ganzen Tag durch. Die schlechte Nachricht: Ein echtes Akkumonster ist es nicht.
Der YouTuber @Mrwhosetheboss hat das XXL-iPhone gegen das Samsung Galaxy Note 20 Ultra, das Huawei Mate 40 Pro, das Xiaomi Mi 10 Ultra und das OnePlus 8 Pro antreten lassen. Das iPhone 12 Pro Max machte im Nonstop-Ausdauertest zuerst schlapp – nach gut siebeneinviertel Stunden.
Fakt ist, dass der 12-Pro-Max-Akku eine vergleichsweise kleine Kapazität von 3687 mAh (Milliamperstunden) hat. Der Vorgänger 11 Pro Max hat immerhin 3969 mAh. Nicht zu reden von der Android-Konkurrenz, mit 4400 bis 4500 mAh.
In einem anderen Akku-Ausdauertest schlägt das iPhone 12 Pro Max jedoch trotz kleinerem Akku das Vorgängermodell, es kommt eben sehr darauf an, wie getestet wird.
Zu einem positiven Akku-Fazit kam der deutsche Techjournalist Mathias Kremp vom ehemaligen watson-Medienpartner «Spiegel» Online. Er schreibt, in seinem Test habe sich das Pro Max erst nach fast 16 Stunden Dauer-Videowiedergabe ausgeschaltet, das sei «ein extrem guter Wert».
Apple gibt folgende Maximalwerte an:
Das iPhone 12 Max Pro ist Apples neues Flaggschiff. Der gewichtigste Vorzug ist auch der am besten sichtbare: Es ist das 6,7 Zoll grosse OLED-Display. 17 Zentimeter sind das in der Diagonalen. Aussen herum gibt's einen schwarzen Streifen, und natürlich die «Notch» oben. Doch wirkt der «Buckel» angesichts des Riesenbildschirms unscheinbar.
Weitere Spezifikationen:
Persönlicher Eindruck: Das Display lässt keine Wünsche offen. Ich sage das ganz bewusst im Wissen, dass eine Funktion fehlt, die mittlerweile einige Android-Konkurrenten anbieten: Gemeint ist die «adaptive Bildwiederholfrequenz». Das iPhone zeigt mit den standardmässigen 60 Hz (Hertz) an und ist nicht in der Lage, auf bis zu 120 Hz hochzufahren, was unter anderem ein noch flüssigeres Scrollen ermöglichen würde.
Und ja, ich lasse mich gern eines Besseren belehren, falls Apple dem iPhone 13 (Pro) im nächsten Herbst eine höhere Bildfrequenz spendieren sollte. (Zugegeben, ich hatte vor ein paar Jahren auch behauptet, man brauche beim Smartphone-Fotografieren kein Weitwinkelobjektiv. 🙈)
Die Dreifach-Kamera des iPhone 12 Pro Max auf der Rückseite des Geräts sieht gleich aus wie beim iPhone 12 Pro, ist aber in einigen Punkten überlegen. Das Teleobjektiv hat mehr Zoom (2,5x statt 2x) und in der «Normalkamera» (auch Weitwinkel oder 1x genannt) kommt laut Apple ein neuer und vor allem grösserer und stabilisierter Fotosensor zum Einsatz.
So weit die Theorie. Und in der Praxis? Ist die Kameraleistung des iPhone 12 Pro Max sichtlich besser als beim kleineren, weniger teuren Pro-Modell, dem iPhone 12 Pro?
Nein. Die Unterschiede zwischen 12 Pro Max und 12 Pro bezeichnen sogar ausgebuffte Profis als gering. Bei schlechten Lichtverhältnissen soll sich aber der grössere Kamera-Sensor des «Max» positiv bemerkbar machen. Nun ja.
Der grössere Kamera-Sensor bietet laut The Verge einen beeindruckenden maximalen ISO-Wert – ein Mass für die Lichtempfindlichkeit. Das iPhone 11 Pro habe eine Spitzen-ISO von 3072, das normale iPhone 12 Pro eine Spitzen-ISO von 5808 und das 12 Pro Max eine Spitzen-ISO von 7616.
Das Bildrauschen nimmt bei hohen ISO-Werten tendenziell ab, was bedeute, dass Fotos vom iPhone 12 Pro Max im Allgemeinen weniger «verrauscht» seien als die vom 12 Pro.
Das iPhone 12 Pro Max komme dank grösserem Kamera-Sensor bei schlechten Lichtverhältnissen länger ohne «Nachtmodus-Tricksereien» aus, will Rafael Zeier vom «Tages-Anzeiger» bei seinen Tests herausgefunden haben.
Bekanntlich schaltet sich der iPhone-Nachtmodus bei wenig Licht automatisch dazu, worauf schlaue Algorithmen das Fotografierte künstlich aufhellen. Beim 12 Pro werde diese Softwarefunktion vergleichsweise schneller aktiviert. Dies führte dazu, dass die Gesichtskonturen von am Abend fotografierten Familienmitgliedern weniger scharf wirkten.
Spiegel-Journalist Kremp lobt die neue Weitwinkelkamera im iPhone 12 Pro Max. Sie löse sehr schnell aus und komme mit so kurzen Belichtungszeiten aus, dass aus der Hüfte oder auf dem Velo geknipste Schnappschüsse gelingen.
Mein Fazit: Die Top-Smartphones der führenden Hersteller liefern mittlerweile auch bei weniger guten Lichtverhältnissen Top-Resultate. Die Kameraleistungen von Apple, Samsung und Huawei unterscheiden sich hauptsächlich darin, wie realitätsnah oder übertrieben satt die Farben wirken. Hinzu kommen unterschiedlich leistungsstarke und verschieden grosse Weitwinkel- und Teleobjektiv-Sensoren. Im normalen Gebrauch spielt dies für die meisten User keine Rolle.
Bei allen im Herbst 2020 lancierten iPhones wird der Touchscreen durch ein neuartiges Sicherheitsglas geschützt, das Apple Ceramic Shield nennt und das vom Gorilla-Glass-Hersteller Corning stammt. Die Glaskeramik-Scheibe vermag bei Stürzen den Bildschirm zu schützen, wie zumindest Falltests mit dem iPhone 12 gezeigt haben. Da das 12 Pro Max wie das kleinere 12 Pro einen Rahmen aus Edelstahl hat, dürfte es jedoch etwas weniger robust sein als das Mini. Da wird das Spezialglas wie beim iPhone 12 von einem Aluminiumrahmen eingefasst, so dass die Geräte deutlich leichter sind.
Alle neuen iPhones sind wasserdicht (IP68) und überstehen zumindest im Süsswasser längere Tauchgänge. Man könnte faszinierende Unterwasserfilme drehen, wobei dadurch allerdings die Herstellergarantie erlischt. (Zudem raten der Hersteller und bekannte Techblogs davon ab.)
Kurze Antwort: leider nein.
Die automatische Gesichtserkennung (Face ID) funktioniert perfekt, der iPhone-Bildschirm entsperrt in Sekundenbruchteilen, wenn man ihn antippt und nach oben wischt.
Zuhause in den eigenen vier Wänden ist das absolut praktisch, aber mit Schutzmaske im Gesicht ein Ärgernis, weil man jedes Mal den PIN-Code eingeben muss (oder das alphanummerische Passwort, falls man eins festgelegt hat).
Apple sollte seinem nächsten Flaggschiff unbedingt einen Finger-Scanner spendieren, zusätzlich zu Face ID.
Es kommt eben doch auf die Grösse an. Manche mögen's handlich, anderen kann es nicht gross genug sein.
Apple bietet Kaufinteressenten eine informative Webseite an, wo sich iPhone-Modelle direkt vergleichen lassen. Von da stammen auch die folgenden massstabsgetreuen Abbildungen, die die Grössenverhältnisse relativ gut zeigen.
Er werde das Gefühl nicht los, dass sich das iPhone 12 Pro Max wie das perfekte Handy für das Leben anfühle, das er vor der Pandemie geführt habe, hält der Chefredaktor von The Verge, Nilay Patel, in seinem Review fest. Früher habe er viel Zeit damit verbracht, zu pendeln, in Flugzeugen zu sitzen oder anderweitig unterwegs zu sein, und mit seinem Smartphone zu arbeiten. Das XXL-iPhone hätte all diese Dinge wesentlich verbessert, aber jetzt fühle es sich einfach wie ein weiterer Bildschirm für Social Media auf der Couch an.
Ich schliesse mich diesem Eindruck an, vor allem, weil ich in den letzten zwei Tagen dank iPhone 12 Mini die Vorzüge eines kleinen Handys wiederentdeckt habe. Ich tendiere dazu, für mobilen Filmgenuss und anderen digitalen Konsum ein richtig grosses Display zu empfehlen (Hallo iPad Air!).
Und dann ist da noch das liebe Geld...
Ob iPhone 12 Pro Max, 12 Pro, 12 oder 12 Mini: Alle Geräte sind dank leistungsfähigem A14-Chip zukunftssicher. Damit schafft man locker ein halbes Jahrzehnt und erhält alle wichtigen Sicherheits-Updates. Und wer doch etwas früher ein Neues möchte, kann das Alte für gutes Geld loswerden.
Apple selbst verkauft das iPhone 11 Pro Max nicht mehr und verweist auf autorisierte Fachhändler. Und natürlich kann man es auch als «Occasion» günstig erstehen. Wer nicht unbedingt ein OLED-Display will, sollte sich das iPhone 11 genauer anschauen. Das ist nicht ohne Grund ein Kassenschlager geworden und das meistverkaufte Smartphone der Welt.
Bleibt die Frage, ob wir schon in wenigen Jahren nicht mehr ohne 5G-Smartphone leben können? Das wage ich stark zu bezweifeln. Persönlich würde ich nicht darauf wetten, dass der ultraschnelle Mobilfunkstandard ein Muss wird. Aber wenn man's an Bord hat, kann's nicht schaden.