Schweizer Uhren zählen nebst Schokolade und Käse zu den beliebtesten Exportgütern des Landes. Eine Schweizer Uhr am Handgelenk ist auch in China, dem heute wichtigsten Absatzmarkt für Luxusgüter, längst zum Statussymbol geworden. Faszination lösen im fernen Osten auch die Technik und Geschichte einer mechanischen Uhr aus.
Den Aufstieg teurer Uhren von Marken wie Rolex, Omega oder Cartier zeigt die Exportstatistik des Schweizerischen Uhrenverbands (FH) gut auf: Im Jahr 2019 wurden 1.67 Millionen Uhren zu Exportpreisen von 3000 Franken und mehr das Stück ins Ausland verschifft. Das sind dreieinhalb mal mehr als vor zwanzig Jahren. In Franken lag das Exportvolumen dank stetig steigender Preise mit 14 Milliarden gar viereinhalb mal höher.
Ganz anders sieht die Welt bei den günstigen Schweizer Uhren aus, die zu Exportpreisen von unter 200 Franken in der Statistik geführt werden und mit bis zu 600 Franken das Stück über den Ladentisch gehen. In diesem Segment haben sich die Exportzahlen in den vergangenen knapp zwanzig Jahren auf 11.6 Millionen Uhren beinahe halbiert.
Die Konkurrenz habe im untersten Preissegment zugenommen, erklärt Uhrenverbandspräsident Jean-Daniel Pasche den Einbruch. So sei etwa die Zahl der «Fashion-Uhren» von Modemarken wie Guess, Puma oder Armani stark gewachsen. Und es gebe auch sonst immer mehr billige Uhrenmarken aus Europa und Asien, die Schweizer Herstellern das Leben schwer machen.
Kopfzerbrechen bereitet der Branche auch der Siegeszug von Smartwatches und Fitnesstrackern. Wurde die neue Konkurrenz nach der Lancierung der ersten Apple Watch vor gut fünf Jahren zunächst als Chance verstanden, dass junge Menschen später im Leben auf herkömmliche Uhren umsteigen könnten, graben die Smartwatches nun der Uhrenbranche das Wasser ab.
Nur zwei Jahre nach Lancierung hat der Techriese aus Cupertino die Apple Watch zur weltweit grössten Uhrenmarke ausgerufen. Das stimmt zumindest gemessen an den Stückzahlen. Angaben dazu veröffentlicht Apple nicht, doch laut Schätzungen des Marktforschers Strategy Analytics haben die Kalifornier 2019 gut 30 Millionen Computeruhren verkauft. Das sind weitaus mehr als die insgesamt gut 20 Millionen Schweizer Uhren, die 2019 exportiert wurden.
Die Uhrenhersteller spüren den Druck aus der Computerwelt. In einer im Sommer publizierten Studie der Beratungsfirma Deloitte sieht mittlerweile gut ein Drittel der befragten Uhrenmanager die Smartwatches als Bedrohung für ihr Geschäft. Und zwei Drittel gaben in der Umfrage unumwunden zu, dass die Schweizer Uhrenbranche den Einstieg ins Geschäft mit Smartwatches verpasst habe.
Smartwatches sowie Uhren mit Fitness- oder anderen Funktionen aus der Schweiz sind noch selten. Swatch versuchte es mit einfachen Sportuhren etwa fürs Beachvolleyball und führte Uhren mit der Bezahlfunktion «Swatch Pay» ein. Einen weiteren Versuch wagt man nun mit der im Herbst lancierten «T-Touch Connect Solar» von Tissot.
Der Vorteil dieser mit einem «Swiss made»-Betriebssystem und Solarzellen ausgerüsteten Uhr ist der sparsame Energieverbrauch. Eine Akkuladung soll bis zu einem halben Jahr halten, während eine Apple Watch spätestens nach zwei Tagen an die Steckdose muss. Dagegen verfügt die Tissot-Uhr lediglich über Basisfunktionen etwa zum Wetter, zur Messung der Höhenmeter oder der Schrittzahl.
In höheren Preisklassen sorgt die zur französischen LVMH-Gruppe zählende Schweizer Uhrenmarke Tag Heuer mit ihrer «Connected»-Uhr für Aufsehen. In diesem Jahr haben die Jurassier bereits die dritte Generation der mit den US-Techriesen Intel und Google entwickelten Uhr auf den Markt gebracht, die nun stark auf Fitnessapplikationen ausgerichtet ist.
Innovationen wie jene von Tissot oder Tag Heuer könnten der Branche nach der Coronakrise neues Leben einhauchen. Denn die Zwangsschliessungen der Shops im Frühling und coronabedingte Reisebeschränkungen setzen den Uhrenverkäufern zu. Jean-Daniel Pasche geht davon aus, dass die Uhrenexporte 2020 um einen Viertel in etwa auf das Niveau von vor elf Jahren einbrechen werden.
Gleichzeitig deuten die Monatsstatistiken darauf hin, dass sich die Schere zwischen günstigen und teuren Uhren noch weiter öffnet. Im Einstiegssegment brachen die Exporte nämlich stärker ein als im Luxussegment. Dass sich das Geschäft in China zügig von der Krise erholt, kommt vor allem teuren Marken zugute. Und das unaufhaltsame Wachstum der Apple Watch belastet die günstigen Uhren nach wie vor.
Für den Werkplatz Schweiz sei es wichtig, dass weiterhin günstige Uhren herstellt werden, ist Pasche überzeugt. Das in diesem Bereich aufgebaute Know-how müsse bewahrt werden, auch wenn hohe Produktionskosten und der starke Franken Nachteile seien.
Die Aufschlüsselung nach Preisklassen in der Exportstatistik könnte schon bald der Vergangenheit angehören. Medienberichten zufolge drängt die Swatch Group im Verband auf Anpassungen, die in diese Richtung gehen. Swatch selber wies die Gerüchte zurück und liess verlauten, dass die Statistik «moderner» gestaltet werden soll und die Realität besser abbilden müsse.
Im Verband würden Diskussionen darüber geführt, wie die Exportdaten künftig veröffentlicht werden, hält sich FH-Präsident Pasche bedeckt. Ein Entscheid dazu sei erst im nächsten Jahr zu erwarten. Analysten befürchten derweil einen erheblichen Transparenzverlust. Schliesslich können sie aus den Angaben auf Entwicklungen von Marken wie Swatch sowie von Tissot oder Longines aus den mittleren Kategorien schliessen.
Die nächste Exportstatistik zur Entwicklung im Monat November veröffentlicht der Uhrenverband nach «altem» Muster am Donnerstag. Die Jahresstatistik 2020 folgt dann am 28. Januar.
(dsc/sda/awp)
Wer kauft sich also noch eine günstige Swatch und co? Die haben den Smart-Anschluss verpasst.
Die nächste Industrie mit denselben hohlen Phrasen ist die Autoindustrie.