Das offizielle Schweizer Covid-Zertifikat soll nächste Woche lanciert werden. Zunächst in einer Pilotphase, gegen Ende Monat dann auch für die breite Bevölkerung. Es ist Teil des bundesrätlichen Planes, die Schweizer Gesellschaft wieder in eine gewisse Normalität zurückzuführen: Wer getestet oder geimpft ist oder einen Antikörperschutz nachweisen kann, soll das mit einem fälschungssicheren Zertifikat beweisen können und so von Lockerungen profitieren.
Anfang Woche machte watson publik, wie Entwürfe und Pläne des Bundesamtes für Informatik und Telekommunikation (BIT) konkret aussehen. Das BIT hat den Auftrag, das Covid-Zertifikat technisch umzusetzen. Zusammengefasst kann gesagt werden: Es wird einen QR-Code geben, der auf Papier oder in einer App gespeichert wird. Offene Fragen lässt das BIT jedoch vorerst offen, nachdem am Montag erste Details auf der Tech-Plattform GitHub online gestellt wurden.
watson versuchte einen Teil der Fragen zu klären – das zuständige Bundesamt blockte aber ab. «Wir werden am Freitag detailliert zum Covid-Zertifikat informieren», teilt Bundesamtssprecherin Sonja Uhlmann auf Anfrage mit.
Die zögerliche Kommunikationsstrategie hat ihre Gründe: Die Entwickler:innen beim BIT arbeiten unter Hochdruck an der Umsetzung, wie Arbeitsprotokolle aufzeigen. So wurden am Dienstagabend noch kurz vor 21 Uhr Änderungen auf der Entwicklungsplattform gespeichert.
Auch politisch steht noch einiges offen. Klar ist: Der Bundesrat wird am kommenden Freitag einige rechtliche Bestimmungen zum Covid-Zertifikat in eine Verordnung giessen müssen. Zudem steht die Volksabstimmung über das Covid-19-Gesetz (am 13. Juni) bevor. Hier muss der Bundesrat möglichst rasch Klarheit schaffen, was eine Ablehnung der Vorlage für das geplante Covid-Zertifikat bedeuten würde.
Gleichzeitig läuft auf kantonaler Ebene eine riesige Koordinationsarbeit wegen der geplanten Lancierung und Auslieferung der Covid-Zertifikate an die Bevölkerung. Die Verantwortlichen müssen in diesen Stunden klären, welche Personen genau die Dokumente ausstellen werden. Der oberste Kantonsarzt der Schweiz, Rudolf Hauri, sprach an der gestrigen Pressekonferenz von einer grossen «Herausforderung» und redete von offenen Punkten, ohne konkret werden zu können.
Ungewissheit herrscht nicht nur auf Behördenstufe, sondern auch in der Bevölkerung, wie erste Reaktionen nach dem watson-Bericht zu den Covid-Zertifikaten zeigten.
Folgende technische und organisatorische Fragen haben sich bislang herauskristallisiert:
Einzelne offensichtliche aber trotzdem gestellte Fragen wurden in der Zwischenzeit beantwortet. So dürfte mittlerweile klar sein, dass das Covid-Zertifikat in einer eigenen CovidCert-App digital abgespeichert werden kann.
Eine Integration in die bereits verbreitete SwissCovid-App dürfte aus rechtlichen Gründen nicht realisierbar sein, weil das Proximity-Tracing-System auf Freiwilligkeit, bzw. einem gesetzlich verankerten Diskriminierungsverbot beruht.
Der Eidgenössische Datenschützer (EDÖB) sagte zudem auf Anfrage von watson, dass seines Wissens das digitale Impfzertifikat nicht mit den privaten Check-in-Apps kombiniert werde, die das Erfassen von Gästedaten ermöglichen: «Eine solche Koppelung ist unseres Wissens nicht vorgesehen.»
Die Datenschutz-Abteilung beim Bund erklärte weiter, dass es das BIT und das Bundesamt für Gesundheit in datenschutzrechtlichen Fragen begleitet. Nicht nur pro forma, sondern auch kritisch, wie EDÖB-Sprecherin Silvia Böhlen sagte. Sie spricht in ihrer Stellungnahme von «diversen, teilweise kontradiktorischen Konsultationen», damit beim Covid-Zertifikat dem Datenschutz durch eine «technisch abgesicherte Datenminimierung» Rechnung getragen werde.
Erklärtes Ziel der Datenschutzbehörde sei es gewesen zu verhindern, dass «Unberechtigte erkennen können, ob die Person, welche ihr Zertifikat präsentiert, geimpft, getestet oder genesen ist», sagte Böhlen weiter. Dieser Punkt dürfte einen Hinweis darauf geben, wie das BIT die Frage Nummer 1 am kommenden Freitag beantworten wird.
Der Bund dürfte gut darin beraten sein, wenn er Ende Woche möglichst grosse Transparenz liefert. Ein Referendum gegen die Gesetzesänderung, mit der das Zertifikat im Covid-19-Gesetz geschaffen wird, wurde längst angekündigt. Die Sammelfrist für die benötigten 50'000 Unterschriften läuft am 8. Juli ab. Zudem steht am übernächsten Sonntag, am 13. Juni, die Abstimmung über die Erstfassung des Covid-19-Gesetzes an. Wird dieses von den Stimmberechtigten abgelehnt, wird auch die rechtliche Grundlage für das Zertifikat obsolet.
Schliesslich gilt es vor der Lancierung der Covid-Zertifikate wichtige Fragen bezüglich der Wirksamkeit der in der Schweiz verfügbaren Impfungen zu klären.
Der auf digitale Epidemiologie spezialisierte EPFL-Professor Marcel Salathé, einer der Väter von SwissCovid, meldete Mitte Mai in einem Essay gewisse Bedenken an.
Er stehe der vorschnellen Verwendung eines Zertifikats innerhalb der Landesgrenzen kritisch gegenüber. «Die Vorstellung, dass der Zustand meines Immunsystems darüber entscheiden soll, ob ich an einer Veranstaltung teilnehmen darf, erscheint mir folgenreich und wirft viele Fragen auf».
Wichtige Fragen, die sich aus Sicht des Epidemiologen beim geplanten Covid-Zertifikat stellen, sind:
Das Wichtigste im Moment sei, so schnell wie möglich eine möglichst hohe Impfrate zu erreichen, meinte Salathé. Auf diese Weise werde die Ansteckungsgefahr so reduziert, dass «eine Immunitätsprüfung» beim Betreten eines Restaurants oder einer Veranstaltung völlig überflüssig werde.
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Und Leuten die das nichts angeht zeige ich weder Zertifikat noch Ausweis.
Eine Bar oder Restaurant kämpft im Normalfall um jeden Kunden. Ohne Zwang werden die niemals ein Zertifikat für ihre Besucher voraussetzen.
War ja beim Maskentragen letzten Sommer ähnlich: Solange lediglich die starke Empfehlung des BR galt, hatte fast niemand eine Maske im ÖV an. Kaum wurde es Pflicht, hielt sich umgehend jeder daran.
Ich sehe dieses Zertifikat nur für den Grenzübertritt.