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Um 5G tobt ein Krieg zwischen den USA und Huawei – darum geht es wirklich

Die USA werden nicht müde, ihre Verbündeten vor der 5G-Technik der chinesischen Technologieriesen Huawei und ZTE zu warnen.
Die USA werden nicht müde, ihre Verbündeten vor der 5G-Technik der chinesischen Technologieriesen Huawei und ZTE zu warnen.bild: shutterstock

Um 5G tobt eine Propagandaschlacht zwischen den USA und Huawei – darum geht es wirklich

US-Geheimdienste streuen die These, Huawei könne heimlich über eigentlich für Sicherheitsbehörden vorgesehene Schnittstellen auf Mobilfunknetze zugreifen. Der Konzern sei ein Spionagewerkzeug Chinas. Darum setzen Europa und die Schweiz trotzdem weiter auf Huawei.
24.02.2020, 19:36
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Die Regierung von US-Präsident Donald Trump versucht seit Monaten, eine Beteiligung von Huawei am Aufbau von 5G-Netzwerken ausserhalb Chinas zu blockieren. Huawei sei eng mit der chinesischen Regierung und der Kommunistischen Partei verbandelt und werde im Zweifelsfall Spionage- oder Sabotagebefehle der chinesischen Führung umsetzen, so der zentrale Vorwurf.

Huaweis Schicksal als 5G-Anbieter entscheidet sich in Europa

Eine Führungsrolle von Huawei beim Aufbau von 5G-Netzen ist nicht nur für US-Präsident Donald Trump eine Horrorvorstellung. Doch mit einem US-Boykott allein kann der Lauf des chinesischen Mobilfunkkonzerns nicht gestoppt werden. Alle Augen richten sich nun auf Europa.

In dieser Woche wollte sich eigentlich die internationale Mobilfunkbranche in Barcelona treffen. Weil viele Aussteller ihre Mitarbeiter und Kunden vor den Gesundheitsgefahren durch den neuartigen Coronavirus bewahren wollten, wurde die weltgrösste Mobilfunkmesse aber abgesagt, obwohl gerade die chinesischen Konzerne bis zum Schluss unbedingt nach Spanien kommen wollten. In Barcelona bleiben die Hallen also leer. Fast leer. Huawei ist trotzdem in Barcelona. Denn beim Schlüsselthema 5G richten sich die Blicke auf Europa – es geht um nicht weniger als die Frage, ob die Europäer beim Aufbau ihrer 5G-Netze (auch) auf Technik des chinesischen Technologie-Giganten Huawei setzen werden.

«Sie hoffen, dass ein Teil des Schlamms hängen bleibt, wenn sie genug Schlamm auf uns werfen.»
Huawei-Manager John Suffolk

Für Huawei steht in diesen Tagen viel auf dem Spiel. Huawei lege mit seiner Mobilfunk-Technik das Fundament für kommende Spionage-Angriffe chinesischer Geheimdienste, lautet der immer wieder gehörte Vorwurf Trumps – ohne dass die Amerikaner dafür bisher konkrete Belege vorlegten.

«Sie hoffen, dass ein Teil des Schlamms hängen bleibt, wenn sie genug Schlamm auf uns werfen», sagte Huawei-Manager John Suffolk auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Zuvor hatte der US-Sonderbeauftragte für internationale Telekommunikationspolitik, Robert B. Blair, schwere Vorwürfe gegen Huawei erhoben und verlangt, dass sich der Konzern von der chinesischen Regierung distanzieren müsse.

Kritiker werfen hingegen den USA vor, so ihre Mobilfunk-Industrie schützen zu wollen, die den Anschluss an Huawei (und Europa) verpasst hat. Spätestens seit der NSA-Affäre ist bekannt, dass die USA seit Jahren das Internet systematisch überwachen und fremde Regierungen ausspionieren.

Huawei gewinnt 5G-Verträge bei 47 europäischen Anbietern
Der chinesische Telekomriese Huawei hat weltweit 91 Verträge mit Mobilfunkprovidern zum Aufbau von Mobilfunknetzen der fünften Generation (5G) gewonnen. Das teilte Huawei-Manager Ryan Ding auf einer Hausmesse des Konzerns in London mit.

Über die Hälfte der Verträge – nämlich 47 Kontrakte – stammen von europäischen Mobilfunkanbietern. Unter ihnen ist auch der Schweizer Mobilfunkanbieter Sunrise. Swisscom nutzt auch Huawei-Technologie, setzt bei 5G aber auf Ericsson aus Schweden. Salt baut ihr 5G-Netz mit Nokia auf. (oli/sda)

USA drängen auf allen Kanälen

Die USA versuchen nun auf allen diplomatischen Kanälen, Grossbritannien und die Staaten der Europäischen Union zu einem Huawei-Verzicht zu drängen. Die USA drängten auch die Schweiz dazu, Vorsicht walten zu lassen bei Huawei. Die Behörden verzichteten aber darauf, Einschränkungen vorzunehmen.

Bislang sind auch die Europäer nicht auf den Kurs einer Total-Blockade eingeschwenkt. Die EU-Kommission sprach sich zuletzt aber dafür aus, «risikobehaftete Anbieter» aus Kernbereichen der 5G-Netze fernzuhalten. In diese Kategorie würde auch Huawei fallen, ohne dass der Konzern beim Namen genannt wird.

Zuletzt hatten selbst enge Verbündete der USA wie Grossbritannien darauf verzichtet, Huawei ganz grundsätzlich von der Vergabe von 5G-Verträgen auszuschliessen. Die Regierung von Boris Johnson legte lediglich fest, dass Anbieter, die als «risikobehaftet» gelten, nicht in Kernnetzen und in der Nähe von wichtigen Anlagen wie Flughäfen oder Atomkraftwerken eingesetzt dürfen – und maximal gut ein Drittel der Infrastruktur versorgen können.

Warum Europa weiter auf Huawei setzt

Die Zurückhaltung der Europäer beim Huawei-Boykott hat mehrere Ursachen:

Erstens befürchten Länder wie Deutschland oder auch die Schweiz Boykott-Aktionen Chinas gegen eigene Unternehmen, sollte Huawei explizit verbannt werden. Export-Nationen wie Deutschland und die Schweiz würde dies besonders hart treffen.

Zweitens würde ein Totalverzicht teuer: Die Europäer haben schon beim Aufbau der 4G-Netze oft Huawei-Technik verbaut. Und da 4G und 5G nahtlos ineinander übergehen, könnte man zunächst vorhandene LTE-Anlagen von Huawei aus dem Netz reissen müssen, bevor man neue Technik der europäischen Huawei-Konkurrenten Nokia und Ericsson verbaut. Das würde eine Unmenge kosten. Manche Schätzungen gehen von einem Betrag von bis zu 55 Milliarden Euro aus. Dazu kommen zusätzliche Kosten beim 5G-Netzaufbau, denn die Anlagen von Nokia und Ericsson sind teurer als die Geräte von Huawei.

Drittens gilt Huawei bei 5G als technisch führend: «Aus rein technischer Sicht sind unsere 5G-Basisstationen in Bezug auf die Übertragungsrate schneller als andere, sie sind kleiner und verbrauchen weniger Energie», sagte Huawei-Top-Managerin Catherine Chen der Deutschen Presse-Agentur. «Bei gleicher Grösse versorgen unsere Basisstationen drei Mal mehr Benutzer als die Basisstationen anderer, und der Stromverbrauch beträgt nur ein Drittel der anderen.»

Huawei sieht sich der Konkurrenz bei 5G-Technik voraus
"Aus rein technischer Sicht sind unsere 5G-Basisstationen in Bezug auf die Übertragungsrate schneller als andere, sie sind kleiner und verbrauchen weniger Energie", sagte Huawei-Top-Managerin Catherine Chen der Deutschen Presse-Agentur. "Bei gleicher Grösse versorgen unsere Basisstationen drei Mal mehr Benutzer als die Basisstationen anderer, und der Stromverbrauch beträgt nur ein Drittel der anderen."

Wenig Alterntiven zu Huawei

Die Provider haben keine grosse Auswahl, wenn es um die Beschaffung von 5G-Anlagen geht. Neben den chinesischen Konzernen Huawei und ZTE und den beiden europäischen Wettbewerbern Ericsson und Nokia kann eigentlich nur noch der Samsung-Konzern aus Südkorea schlüsselfertige Anlagen liefern. Der deutsche Vorzeigekonzern Siemens war früher noch am Aufbau von 2G- und 3G-Mobilfunknetzen beteiligt. So stammte die Technik für das erste UMTS-Netz (3G) in Hongkong aus Deutschland. Siemens gelang es aber nie, das Geschäft wirtschaftlich auf ein stabiles Fundament zu stellen. So gab es erst ein Joint-Venture mit Nokia – und dann überliess Siemens das Know-how ganz den Finnen.

Könnten Mobilfunkfirmen Spionage verhindern?

Die Mobilfunkfirmen seien weltweit stark von den 5G-Ausrüstern abhängig, weil sie selbst nicht mehr das Know-how hätten, ihr Netz unabhängig von Huawei, Ericsson, Nokia etc. zu betreiben. So zumindest die Kritik einiger Telekom-Experten. Diese bezweifeln, dass die Mobilfunkfirmen noch fähig wären, Spionageaktionen von 5G-Ausrüstern – egal ob Huawei oder einer anderen Firma – zu bemerken bzw. zu verhindern. Das Problem: Mobilfunkfirmen hätten aus Kostengründen in den letzten Jahren viel Know-how ausgelagert und seien daher nicht mehr die Herren über ihre Netze. Ein Vorwurf, der plausibel klingt, sich aber schwer beweisen lässt.

USA haben den Anschluss verloren

Fakt ist: Die USA stehen beim Zukunftsthema 5G ohne eigene Industrie da. Selbst die Wissenschaftler in den legendären Bell Laboratories, die früher zum US-Telekomriesen AT&T gehörten, forschen inzwischen am Thema 5G für einen Arbeitgeber ausserhalb der USA. Bell Labs landete erst beim US-Netzspezialisten Lucent, der 2004 vom französischen Konkurrenten Alcatel übernommen wurde. Alcatel-Lucent – und damit auch die Forscher in den Bell Labs – wurden dann 2016 von Nokia geschluckt. In Kreisen europäischer Rivalen wird argumentiert, die auch von staatlicher Unterstützung befeuerte globale Expansion von Huawei habe die Konzentration beschleunigt.

Trump will Hilfe von Apple

Trump möchte nun am liebsten die Uhr zurückdrehen. Doch der Aufbau einer umfassenden 5G-Kompetenz in den USA ist eine komplexe Aufgabe, für die der US-Präsident bisher nur skurrile Vorschläge präsentierte. So forderte er Apple-Chef Tim Cook auf, der iPhone-Hersteller möge sich am Aufbau der neuen Mobilfunktechnik in den USA beteiligen. «Die haben alles – Geld, Technik, Vision und Cook», schrieb Trump auf Twitter – obwohl Apple noch nie an der Entwicklung von Mobilfunkstationen oder Netzwerkknoten beteiligt war. Apples iPhones unterstützen bislang nicht mal das 5G-Netz, während Samsung, Huawei, Oppo und Co. seit fast einem Jahr 5G-fähige Handys anbieten.

Weniger Kopfschütteln lösen dagegen Gedankenspiele aus, US-Tech-Firmen wie den Netzwerkspezialisten Cisco oder den Chiphersteller Qualcomm in den 5G-Infrastrukturmarkt zu lenken, weil diese mit ihrem Kerngeschäft dichter an dem Thema dran sind. Um mit Huawei mithalten zu können, müssten die Amerikaner aber Milliarden in die Hand nehmen, um das spezielle Know-how selbst aufzubauen oder durch Übernahmen einzukaufen.

USA schielen auf Nokia und Ericsson

Der langjährige CIA-Spezialist Thomas Donahue schlug in einem Strategiepapier Ende Januar vor, eine Übernahme der beiden führenden europäischen Spezialisten – also Nokia und Ericsson – ins Auge zu fassen. Es reiche nicht aus, sie mit Aufträgen zu versorgen, weil man in einem Konfliktfall zu wenig Einfluss hätte.

US-Justizminister William Barr griff vor zwei Wochen das Gedankenspiel von Donahue auf und sagte, die Vereinigten Staaten sollten ihre «finanziellen Muskeln» spielen lassen, um Nokia und Ericsson zu unterstützen. US-Vizepräsident Mike Pence wies allerdings sofort die Idee einer US-Beteiligung an den beiden europäischen Firmen zurück. Die Vereinigten Staaten könnten 5G bereitstellen, indem sie sich auf «die Macht des freien Marktes» sowie auf US-Konzerne verliessen, sagte er dem Fernsehsender CNBC.

Selbst wenn sich die Übernahmeideen von Donahue und Barr zerschlagen, können Nokia und Ericsson auf goldene Zeiten hoffen. Nach Jahren des langsamen Wachstums werden sie in den nächsten Jahren massiv vom 5G-Ausbau rund um die Welt profitieren.

Huawei warnt USA vor Retourkutsche

Huawei-Top-Managerin Catherine Chen deutete zuletzt an, dass amerikanische Unternehmen ihren Platz in Huawei-Produkten nach dem Embargo der US-Regierung dauerhaft verlieren könnten. «Bei einer längeren Zeitspanne, wie von zwei oder drei Jahren, wenn wir mit europäischen, japanischen und koreanischen Unternehmen schon lange sehr gut zusammengearbeitet haben, wird es nicht möglich sein, diesen neuen Partnern den Rücken zuzudrehen, die mit uns in schwierigen Zeiten zusammengearbeitet haben», sagte sie. Auch dieses Säbelrasseln gehört zur Propagandaschlacht und soll Druck auf die US-Regierung aufbauen.

Das Weisse Haus hatte im Mai massive Einschränkungen für Geschäfte von US-Unternehmen mit Huawei verfügt. Unter anderem kann der chinesische Konzern dadurch bei neuen Smartphones keine Google-Dienste mehr vorinstallieren.

Was 5G von 4G unterscheidet

5G soll dank extrem schneller Reaktionszeit eine Kommunikation praktisch in Echtzeit ermöglichen. Das gilt als wichtige Voraussetzung zur Fernsteuerung von Industrieanlagen oder Roboterautos. Daher ist es notwendig, die Reaktionszeiten (Latenz) in den Netzen zu reduzieren. Davon profitieren auch Anwendungen wie Game-Streaming oder Video-Anrufe. Endkunden profitieren im 5G-Netz primär davon, dass sich pro Funkzelle viel mehr Smartphones und andere Geräte verbinden können, was in dicht besiedelten Regionen wichtig ist. Für Handy-Nutzer zentral sind also nicht die höheren Download-Geschwindigkeiten, sondern die höhere Bandbreite, die auf mehr Endgeräte verteilt werden kann.

Je nach Anwendung (Netflix, autonome Fahrzeuge etc.) sind andere Eigenschaften des 5G-Netzes wichtig.

5G 5G-Netz
Der Ort einer Anwendung im Dreieck zeigt, welche 5G-Eigenschaft wie wichtig ist. grafik: watson (lea senn) / quelle: ieee

(oli/sda/awp/dpa)

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So schnell ist das 5G-Netz wirklich
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24 Kommentare
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Don Alejandro
24.02.2020 20:27registriert August 2015
Die USA wollen einfach ihre eigene Backdoor. Das soll kein Votum für Huawei sein, viel mehr das die Europäer endlich mal selber was bauen sollen.
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mystiker
24.02.2020 22:14registriert März 2019
US-Geheimdienste streuen die These, Huawei könne heimlich über eigentlich für Sicherheitsbehörden vorgesehene Schnittstellen auf Mobilfunknetze zugreifen.

Wenn ich mir den Satz so richtig überlege, komme ich auf den folgenden Schluss:

Die US-Geheimdienste möchten nicht, dass andere auch an die Daten kommen, welche sie sich andauernd beschaffen.

Für mich ist es eine Tatsache, dass fast(!) alle Software/Hardware irgendwie ein Backdoor haben. Alles was irgendwie möglicherweise missbraucht werden kann wird missbraucht.
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Madison Pierce
24.02.2020 21:06registriert September 2015
Das ist doch alles Propaganda, nur merken es viele mangels technischem Fachwissen nicht.

Bei Huawei sollen die Antennen bzw. die Elektronik dafür beschafft werden. Die hängt dann am Netzwerk der Anbieter. Das besteht nicht aus Geräten von Huawei. Für Netzwerkkomponenten gibt es genügend andere Anbieter.

Wie soll Huawei dann die mitgeschnittenen Daten nach China schicken? Über das Netzwerk wohl eher nicht, das würde auffallen. Das konnte noch niemand erklären.
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