Bei der Präsentation der Apple Watch wurde die Computeruhr von manchen Beobachtern als Gimmick für Nerds belächelt. Sechs Jahre später hat sie mit ihren Fitness- und Gesundheitsfunktionen eine grosse Nutzer-Basis gewonnen. Am Dienstagabend wird der Marktführer die mittlerweile sechste Generation seiner Smartwatch vorstellen (watson berichtet live). Doch vorher blicken wir zurück auf bewegte Jahre.
Apple ist der wertvollste Technologie-Konzern der Welt. Dies obwohl man mit den wichtigsten Produkten nie eine marktbeherrschende Stellung erreicht hat. Selbst das iPhone kommt im Weihnachtsgeschäft weltweit nicht gross über einen Marktanteil von 20 Prozent hinaus – um dann für den Rest des Jahres auf Werte um 15 Prozent zurückzufallen.
Samsung und Huawei verkaufen in der Regel mehr Smartphones als Apple. Und alle Hersteller von Android-Geräten zusammengerechnet, lassen die iOS-Plattform von Apple zahlenmässig weit hinter sich. Wobei anzumerken ist, dass Apple den Löwenanteil aller Profite weltweit einstreicht.
Bei den Smartwatches herrschen klare Verhältnisse, was die Markanteile und den Profit betreffen. Hier laufen die Kalifornier der gesamten Konkurrenz den Rang ab.
Als Apple im September 2014 den Einstieg ins Uhrenbusiness ankündigte und den Prototypen der Apple Watch enthüllte, gab sich eine bekannte Persönlichkeit aus der Schweizer Wirtschaft betont gelassen: Nick Hayek. «Mir fehlt die Killer-Applikation», sagte der Chef des weltgrössten Uhrenkonzerns, der Schweizer Swatch Group. Das NZZ-Interview wurde viel zitiert – Hayeks skeptische Worte gingen um die Welt.
Zwar verlief der Verkaufsstart der ersten Apple Watch im April 2015 nicht unbedingt so, wie die Apple-Führung sich das vorgestellt hatte. Der damalige Chefdesigner Jony Ive hatte noch davon geträumt, in das Segment der Luxusuhren vorzustossen. Die aberwitzig teure, goldene Apple Watch «Edition», die bis zu 18'000 Franken kostete, erwies sich aber als Ladenhüter. Die technisch identischen Versionen mit einem Aluminium- oder Edelstahl-Gehäuse waren hingegen weit günstiger zu haben und lockten ein Millionen-Publikum.
Apple stand damals – wie so oft – nicht in der ersten Reihe, um die neue Produktsparte ins Leben zu rufen. Doch auch keinem der Wettbewerber war es bis zu diesem Zeitpunkt gelungen, eine Computeruhr im Massenmarkt zu etablieren. Manche Sportler trugen spezialisierte Smartwatches von Polar oder Fitness-Armbänder von Fitbit am Handgelenk. Und Google versuchte etwas halbherzig, mit Partnern wie Fossil oder dem Schweizer Luxusuhren-Hersteller Tag Heuer eine Variante des Betriebssystems Android, die inzwischen WearOS heisst, auf die Uhr zu bringen. Zum Durchbruch reichte es nicht.
Heute verkauft sich die Apple Watch nicht nur besser als sämtliche Uhren aller Marken des Swatch-Konzerns: 2019 hat Apple die gesamte Schweizer Uhrenindustrie überholt.
Im Wettlauf um die Vorherrschaft im Smartwatch-Markt kam Apple der Umstand zugute, dass viele Käufer ein iPhone oder andere Geräte von Apple besitzen. Sie lassen sich untereinander einfacher verknüpfen als Geräte von unterschiedlichen Herstellern aus dem Android-Lager. Dieser Vorteil schlug sich auch in der Apple-Bilanz nieder.
Die Absatzzahlen der Apple Watch kommuniziert der Konzern zwar nicht, auch der Umsatz in Dollar wird in einer grösseren Sparte versteckt. Es gibt aber zuverlässige Schätzungen: Der als treffsicher geltende Analyst Neil Cybart von AboveAvalon hat im Vorfeld des anstehenden Apple Events berechnet, dass inzwischen 103.2 Millionen Geräte verkauft wurden. Im Weihnachtsquartal 2018 wurde demnach erstmals die Schwelle von zehn Millionen Stück überschritten, ein Jahr später lagen 13.8 Millionen Apple Watches unter dem Weihnachtsbaum.
Der Boom der Apple Watch hat auch damit zu tun, dass der Konzern sich auf bestimmte Themen fokussierte, die bei den Nutzern besonders viel Anklang fanden:
So verpasst man als Apple-Watch-User nie mehr eine wichtige Nachricht eines bestimmten Absenders oder die nächste Abfahrt auf der Autobahn, die man gleich nehmen muss.
Seit der dritten Generation kann die Watch dank LTE-Funk auch ohne iPhone ins Internet und Telefonate entgegennehmen, ohne dass der Akku sofort leergesaugt ist.
Als Clou erwies sich aber vor allem die Entscheidung von Konzernchef Tim Cook, das Fitness- und Gesundheitsangebot der Computeruhr in den Vordergrund zu stellen und auszubauen.
Cook, der regelmässig morgens um fünf Uhr im heimischen Fitnesstudio steht, sorgte nicht nur dafür, dass die Apple Watch Bewegungen und sportliche Aktivitäten des Besitzers erfasst. Seit der vierten Auflage (2018) kann die Apple Watch auch Herzrhythmusstörungen erkennen, ein einfaches EKG aufzeichnen und Stürze registrieren. Das Modell aus dem Herbst 2019 erhielt einen Always-on-Bildschirm, der ständig leuchtet, statt nur beim Heben des Handgelenks. Parallel senkte Apple den Preis älterer Modelle.
Nach Berechnungen des Marktforschungsinstituts Strategy Analytics dominiert Apple mit einem Marktanteil von 55.5 Prozent (Absatz) die gesamte Smartwatch-Branche, gefolgt von Samsung (13.9 Prozent) und Garmin (8.0 Prozent).
In den Top-3 taucht der Smartwatch-Pionier Fitbit gar nicht mehr auf, der für rund zwei Milliarden Dollar von Google übernommen werden soll – wenn die Wettbewerbshüter grünes Licht geben.
Der Milliardendeal zeigt aber auch, dass Google das Segment noch nicht aufgegeben hat. Samsung setzt im Wettlauf mit Apple allerdings nicht auf das Google-System Android Wear, sondern auf die eigene Software Tizen. Dass der chinesische Technologie-Riese Huawei bei seinen Smartwatches auch auf ein eigenes System setzt, zeigt, dass Google bei seiner Aufholjagd mit WearOS gegenüber Apple aktuell nicht auf viel Unterstützung ausserhalb des Geschäfts mit sogenannten Fashion-Uhren von Anbietern wie Fossil zählen kann.
Immerhin setzen die Wettbewerber inzwischen auch bei den Funktionen Akzente, die man bei Apple bislang vergeblich sucht. So glänzt die Huawei Watch GT 2 Pro mit einer Batterie-Laufzeit von rund zehn Tagen, während die Apple Watch nach gut einem Tag wieder aufgeladen werden muss. Da die Huawei-Uhr aber etliche Funktionen vermissen lässt, steht eine Ablösung des Marktführers nicht bevor.
Vielmehr dürfte Apple nach der Keynote am 15. September 2020 seine Vormachtstellung bei den Smartwatches weiter ausbauen. Laut Gerüchteküche soll heute ein günstigeres Einsteigermodell vorgestellt werden. Zudem kommt mit der neuen Version des Betriebssystems (watchOS 7) eine schon lange gewünschte Sleep-Tracking-Funktion. Man kann in Zukunft die Schlafqualität mit dem «Wearable» überwachen und wenn nötig optimieren – und dies bei vernünftigem Akkuverbrauch (zumindest bei neueren Apple-Watch-Modellen).
Die sechste Generation der Apple Watch («Series 6» genannt) soll auch den Sauerstoffgehalt im Blut messen können. Falls sich entsprechende Hinweise bestätigen, kann man sich neu auf mögliche Herz-Kreislauf-Probleme hinweisen lassen. Ein interessanter Nebeneffekt wäre zudem laut Fachleuten, dass ein niedriger Sauerstoffgehalt auch auf das Coronavirus, bzw. eine Covid-19-Erkrankung, hinweisen könnte.
Ab 19 Uhr erfahren wir mehr.
(dsc/sda/awp/dpa)
Also meine AW Serie 5 hält locker zwei Tage, inkl. 1 grosse Runde joggen mit Musikhören. Ich habe lediglich den Bildschirm so eingestellt, dass er normalerweise aus ist.
Aber Apple hat ja schon immer von Vermarktung und nicht von Features gelebt. Für den Massenmarkt wohl das richtige Konzept, der Erfolg gibt ihnen Recht.