Uber hat's vermasselt. Uber ist verloren. Uber wird implodieren – zumindest in der heutigen Form. Nach Jahren der Skandale musste Uber-Chef Travis Kalanick Mitte 2017 den Hut nehmen.
Fünf der sechs wichtigsten Investoren riss damals nach einer beispiellosen Skandal-Serie der Geduldsfaden. Die wichtigsten Investoren spedierten ihn aus seiner eigenen Firma.
Der Schlamassel war hausgemacht und der Hauptschuldige gefunden: Travis Kalanick, Jahrgang 1976, ein Trampel, der das Unternehmen während acht Jahren so geführt hatte, wie Donald Trump die USA regierte – im Chaos-Modus.
Nun, fünf Jahre später, zeigen Zehntausende vertrauliche E-Mails, Chatnachrichten und interne Präsentation aus den Jahren 2013 bis 2017, wie der Fahrdienst hochrangige Politiker, Wissenschaftlerinnen und Medienschaffende für seine Zwecke einspannte, um etwa Arbeitsgesetze zu seinem Vorteil zu erwirken.
Die Dokumente erlauben tiefe Einblicke in das damalige aggressive Geschäftsgebaren des Unternehmens. Sie zeichnen das Bild einer Firmenführung, die schnelle Expansion über alles stellte. Überraschend kommt dies nicht: Eine vom ehemaligen US-Justizminister Eric Holder geleitete Untersuchungskommission hatte bereits 2017 ein verheerendes Fazit gezogen.
Der Sumpf aus Sexismus, Mobbing und regelmässigen Skandalen bei Uber reicht Jahre zurück. Ein Überblick.
Uber-Mitarbeiter in New York bestellten laut US-Medienberichten Fahrten beim damals neuen Rivalen Gett, nur um sie kurzfristig wieder abzusagen. Mit den Fake-Bestellungen verschwendete Uber die Zeit der Gett-Fahrer, die so weniger echte Passagiere befördern konnten. Ubers fiese Tricks gelangten an die Presse und der Konzern musste sich entschuldigen.
2014 hat Uber Rückenwind. Von einem Journalisten auf die Auswirkungen seiner geschäftlichen auf private Erfolge angesprochen, meint Kalanick: «Wir nennen das Boob-er». Für den sexistischen Ausspruch gibt's mediale Ohrfeigen. Jahre später zeigt sich, dass der vermeintlich harmlose Spruch symptomatisch für die Unternehmenskultur bei Uber ist.
«Uber überschwemmt seinen US-Konkurrenten Lyft angeblich mit falschen Fahrtbestellungen, um dessen Geschäft zu schädigen. Ausserdem werden Lyft-Fahrer mit Spam-Mails zum Überlaufen animiert», schreibt das Newsportal Futurezone.
Top-Manager Emil Michael sagt bei einer Dinner-Party mit Reichen und Wichtigen in New York, er würde kritische Journalisten und deren Familien am liebsten ausspähen lassen. Im kleinen Kreis schwadroniert er darüber, kritische Journalisten mit Details aus deren Privatleben unter Druck zu setzen, um sie mundtot zu machen. Dumm nur, dass dem Dinner auch Journalisten beiwohnen, die seine Hasstirade mithören.
Laut Buzzfeed sinnierte Michael laut darüber, für eine Million Dollar Spezialisten für die Ausforschung von Gegnern anzuheuern. Diese könnten kritische Journalisten und deren Angehörige durchleuchten und unangenehme Fakten aus deren Privatleben zutage fördern.
Der Uber-Manager erwähnte etwa Sarah Lacy als mögliches Opfer einer Schmutzkampagne. Lacy hatte Uber mehrfach scharf wegen Sexismus kritisiert.
Futurezone schreibt: «Der nach einem Interview mit einer Journalistin beleidigte Uber-Manager Emil Michael drohte, die Fahrten der Frau zu analysieren und möglicherweise schlüpfrige Details aus ihrem Privatleben zu veröffentlichen. Dadurch wurde bekannt, dass Uber-Manager über einen so genannten ‹Gottesblick› (‹god's view›) Zugriff auf alle Fahrzeugbewegungen bei Uber erhalten.»
2/ His remarks showed a lack of leadership, a lack of humanity, and a departure from our values and ideals
— travis kalanick (@travisk) 18. November 2014
Am Morgen des 15. Dezembers 2014 kam es in einem Lindt Chocolate Café in Sydney zu einer Geiselnahme. Ein Einzeltäter hielt über 16 Stunden 17 Geiseln gefangen. Die Polizei sperrte die Innenstadt ab. Die Nachfrage nach Uber-Fahrten zur Evakuierung besorgter Bürger nahm sprunghaft zu. Die Fahrtarife, die sich in Echtzeit nach der aktuellen Nachfrage richten, waren daher während der Geiselnahme bis dreimal höher als der übliche Tarif.
Erst nach heftiger Kritik und einem Shitstorm im Internet bot Uber den Betroffenen eine Rückzahlung an. In den USA war Uber bereits zuvor verboten worden, in Notsituationen willkürlich die Preise anzuheben.
Uber wertet das Fahrverhalten seiner Nutzer aus. Und zwar so akribisch, dass die Firma eine Liste potenzieller One-Night-Stands erstellen konnte. Anfang 2015 hat Uber anhand der nächtlichen Bestellungen ausgewertet, welche Kunden wohl zu einem One-Night-Stand unterwegs waren. Die Ergebnisse wurden in einem Blogeintrag veröffentlicht. Der Beitrag ist mittlerweile gelöscht.
Das Sammeln von Nutzerdaten sei «Teil des Konzeptes» des Fahrtenvermittlers, sagte Ubers Deutschlandchef, nachdem Kritik laut wurde. Künftig werde man sich allerdings darauf konzentrieren, «sinnvolle Auswertungen zu machen».
Anfang 2015 bestellte Apple-Chef Tim Cook Travis Kalanick zum Rapport. Beinahe hätte Apple Uber von seinen iPhones verbannt, da die App des Fahrdienstleisters unerlaubt Daten von iPhone-Nutzern gesammelt hatte.
Spiegel Online erklärte die Affäre wie folgt: «In China besorgten sich manche Uber-Fahrer schon vor ein paar Jahren gestohlene und gelöschte iPhones, auf denen sie sich mit gefälschten E-Mail-Adressen als Uber-Kunden registrierten und Fahrten anforderten. Für die Fahrer waren das lukrative Scheingeschäfte, weil sie besser bezahlt wurden, je mehr Fahrten sie annahmen.
Um des Problems Herr zu werden, griffen Ubers Programmierer dem Bericht zufolge zu einem Trick: Sie entwickelten eine Methode, mit der sie iPhones auch dann noch eindeutig erkennen konnten, wenn die Uber-App deinstalliert, das Gerät zurückgesetzt und die App mit neuen Nutzerdaten neu installiert worden war. Die «New York Times» bezeichnet die Methode als Fingerprinting, also als eine Art digitalen Fingerabdruck.
Dem Bericht zufolge wies Kalanick seine Programmierer an, in die Uber-App einen virtuellen Grenzzaun um Apples Hauptquartier in Cupertino einzubauen. Diese sogenannte Geofencing-Funktion schaltete Ubers Überwachungsfunktion im Umkreis der Apple-Zentrale ab, sodass sie bei Kontrollen durch Apples Spezialisten nicht entdeckt würde.»
Ende Februar 2015 gibt Uber zu, dass Daten von rund 50'000 Fahrern in falsche Hände geraten sind. Das Unternehmen verschweigt die Hacker-Attacke über Monate. Der Datenklau sei bereits Mitte September 2014 festgestellt worden, ereignet habe er sich Mitte Mai.
Die niederländische Staatsanwaltschaft durchsucht die Europa-Zentrale von Uber in Amsterdam. Das Unternehmen hatte bereits zuvor eine Strafe in der Höhe von 450'000 Euro erhalten, weil Ubers Dumping-Angebot UberPop von einem niederländisches Gericht als illegal eingestuft worden war. Uber hatte, so der Verdacht der Behörden, trotz Geldstrafe UberPop weiter angeboten.
UberPop, sprich Fahrten mit nicht-lizenzierten Fahrern in unkontrollierten Privatautos, ist weltweit umstritten, da Uber sämtliche Risiken auf die Fahrer und Passagiere überwälzt.
UberPop ist im Gegensatz zu UberX oder UberBlack besonders günstig, da Uber den privaten Pop-Fahrern keine Sozialleistungen bezahlt und sich auch nicht um die Sicherheit der Fahrgäste kümmert (beispielsweise technische Überprüfungen der Autos).
Recherchen der «Sonntagszeitung» decken Mitte 2016 auf, dass Uber in der Schweiz kaum Steuern bezahlt. Die Uber Switzerland GmbH mit Sitz in Zürich deklarierte für das Steuerjahr 2014 einen zu versteuernden Reingewinn von gerade mal 35'900 Franken. Laut dem Steuerrechner der Stadt Zürich ergibt sich daraus eine Steuerschuld für juristische Personen von 2924 Franken. Finanzanalyst Michael Studer von der Privatbank Julius Bär geht aufgrund der Grösse des Schweizer Marktes von einem Umsatz von Uber Switzerland in Höhe von 14 Millionen Franken im Jahr 2014 aus. Dieser dürfte sich mittlerweile auf 30 Millionen Franken erhöht haben.
Bei Polizeikontrollen bleiben auch in der Schweiz immer wieder Fahrer des Billigtaxi-Dienstes Uber hängen. Gemeint sind nicht lizenzierte Uber-Fahrer (UberX und UberBlack), sondern private UberPop-Fahrer, die Passagiere ohne Taxi-Bewilligung mit ihrem eigenen Auto befördern.
Die privaten UberPop-Autos haben oft keinen Fahrtenschreiber, der die Ruhezeiten des Fahrers erfasst. Da die Fahrer auf eigene Rechnung fahren, ist es für sie somit ein Leichtes, die tägliche Ruhezeit oder den wöchentlichen Ruhetag nicht einzuhalten.
2015 und 2016 wurden in der Schweiz 559 UberPop-Fahrer verzeigt. Laut Kantonspolizei Zürich werden «diese Straftatbestände mit Bussen bis zu 10'000 Franken geahndet».
Ubers ehemaliger Computerforensiker Ward Spangenberg erhebt vor Gericht schwere Vorwürfe: Mitarbeiter hätten die Fahrtrouten von Uber-Kunden, darunter Politiker und Prominente wie Sängerin Beyoncé, nachverfolgen können, obwohl Uber nach einem früheren Datenschutz-Skandal versprochen hatte, diese Praxis zu ändern.
Susan Fowler, eine ehemalige Software-Entwicklerin bei Uber, erhebt schwere Sexismus-Vorwürfe gegen das Unternehmen und insbesondere gegen ihren Vorgesetzten.
Laut Fowler schrieb ihr Chef am ersten Tag nach ihrer Probezeit, dass er eine offene Beziehung führen würde. Im Gegensatz zu seiner Freundin habe er Probleme, eine passende Partnerin dafür zu finden. Er schickte mehrere Chat-Nachrichten mit unzweideutiger Absicht:
Fowler erstellte Screenshots der Nachrichten und schickte sie der Personalabteilung. Die sexuelle Belästigung ist offensichtlich. Das Uber-Management wollte trotzdem nicht handeln. Fowler erhielt die Antwort, dass ihr Vorgesetzter bisher nicht durch Fehlverhalten aufgefallen sei. Der Manager sei zu wichtig, um ihn feuern zu können. Man belasse es daher bei einer Verwarnung. Als sich Fowler mit Arbeitskolleginnen über ihn unterhielt, erfuhr sie angeblich, dass ihr Chef aufgrund ähnlicher Vorfälle schon mehrfach bei der Personalabteilung gemeldet wurde.
Laut Fowler hatten zu Beginn ihrer Tätigkeit noch rund 25 Prozent Frauen im Unternehmen gearbeitet – bei ihrer Kündigung Ende 2016 waren es nur noch etwa 3 Prozent.
Travis Kalanick kündigt interne Ermittlungen an – mal wieder.
1/ What's described here is abhorrent & against everything we believe in. Anyone who behaves this way or thinks this is OK will be fired. https://t.co/6q29N7AL6E
— travis kalanick (@travisk) 20. Februar 2017
Die Ermittlungen werden vom ehemaligen Justizminister Eric Holder geleitet. Sein Bericht wird wenige Monate später den Sumpf aus Sexismus, Diskriminierung und Mobbing bei Uber aufdecken und Kalanick den Job kosten.
Die «New York Times» nimmt Uber unter die Lupe: Für den Artikel «Inside Uber’s Aggressive, Unrestrained Workplace Culture» hatten Journalisten der NYT mehr als 30 ehemalige und aktuelle Angestellte befragt, interne E-mails und Chats durchgesehen sowie Tonaufnahmen von Meetings ausgewertet.
Im Bericht beschreiben sie die Unternehmenskultur als «hemmungslos». Das Management habe systematisch einen gnadenlosen Konkurrenzkampf unter seinen Mitarbeitern angestachelt. Verfehlungen erfolgreicher Mitarbeiter würden hingegen toleriert.
Die Recherchen der NYT decken sich mit immer wieder gehörten Vorwürfen ehemaliger Mitarbeiter.
Nach wiederholten Sexismus-Vorwürfen kennt Uber kein Pardon mehr. Der neue Technikchef muss nach wenigen Wochen gehen. Amit Singhal soll bei seinem früheren Arbeitgeber Google Frauen sexuell belästigt haben. «Bei seiner Einstellung verschwieg er, dass Google interne Ermittlungen wegen sexueller Belästigung gegen ihn eingeleitet hatte. Singhal bestreitet die Vorwürfe vehement», schreibt Spiegel Online.
Travis Kalanick lässt so seinen Worten Taten folgen: «Jeder, der sich so verhält oder glaubt, dass es okay ist, wird gefeuert», twitterte er kurz zuvor, nachdem die Software-Entwicklerin Susan Fowler in einem viel beachteten Blog-Eintrag auf die anscheinend bei Uber geduldeten Sitten aufmerksam gemacht hatte.
Uber entwickelt seit längerem selbstfahrende Autos. Im Februar wirft die Firma Waymo, die hinter den selbstfahrenden Google-Autos steckt, Uber den Einsatz gestohlener Technologie vor. Der bei Google/Waymo ranghohe Entwickler Anthony Levandowski, dessen Start-up von Uber gekauft wurde, habe vertrauliche Informationen mitgenommen.
Eine Untersuchung habe gezeigt, dass Levandowski sechs Wochen vor seinem Abgang bei Googles Schwesterfirma Waymo 14'000 Dateien mit dem Design verschiedener Systeme heruntergeladen habe. Waymo verklagt Uber und Levandowski wird gefeuert.
Ende 2016 fuhr ein selbstfahrendes Uber-Auto auf einer Testfahrt bei Rot über eine Ampel. Von diesem Vorfall existiert ein Video. Zwei Uber-Mitarbeiter sagten der «New York Times», dass insgesamt mindestens fünf Testautos bei Rot über Ampeln gefahren seien und dass die Führung dies zu vertuschen versuche. Im März hat Uber die Testfahrten mit Roboter-Taxis vorerst gestoppt.
Anfang März deckte die «New York Times» auf, dass Uber über Jahre hinweg eine selbst entwickelte Software namens Greyball eingesetzt hatte, die Standortdaten, Kreditkarteninformationen und Details zu verwendeten Social-Media-Konten nutzt, um weltweit Behördenmitarbeiter zu identifizieren und so Kontrollen durch Behörden zu umgehen.
Spiegel Online beschreibt die Täuschung wie folgt: «Der Fahrdienst-Vermittler Uber hat eingeräumt, dass Behörden-Mitarbeitern zum Teil eine falsche Version seiner App aufgetischt wurde – und will damit aufhören. Bei dem sogenannten ‹Greyballing› sieht die App für die betroffenen Nutzer echt aus, ist aber nicht funktionsfähig. Es werden etwa Autos eingeblendet, die gar nicht da sind, und kein Wagen kann bestellt werden.»
Uber hat den Vorwurf der Behörden-Täuschung scharf zurückgewiesen: Greyball richte sich gegen Leute, die die Fahrer körperlich attackieren wollten, «Wettbewerber, die unsere Arbeit stören wollen, oder Gegner, die bei ‹Undercovereinsätzen› mit den Behörden unter einer Decke stecken, um unseren Fahrern eine Falle zu stellen», sagte Uber.
Jeff Jones, die Nummer zwei hinter Travis Kalanick, verlässt das Unternehmen nach weniger als einem Jahr. «Es ist klar, dass die Überzeugungen und Ansätze, die meine Karriere bestimmt haben, nicht vereinbar sind mit dem, was ich bei Uber gesehen und erlebt habe», erklärte Jones bei seinem Abgang nach nur sieben Monaten. Vor Jones hatte Uber 2017 drei weitere Top-Manager verloren.
Anfang März veröffentlicht die Nachrichtenagentur Bloomberg ein Video, das Travis Kalanick wenig schmeichelt. Ein Uber-Fahrer hat heimlich seinen Chef gefilmt, der zu ihm ins Auto gestiegen ist. Die Fahrt endet im Eklat.
Der Uber-Fahrer Kamel konfrontiert Kalanick mit den geplanten Preisreduktionen für den UberBlack-Service. Kamel kritisiert, dass Uber den Kampf mit der Konkurrenz auf dem Rücken der Mitarbeiter austrage. Er sei deswegen pleite. Der Konzernchef reagiert harsch auf die Vorwürfe des Fahrers und weist Kamel in die Schranken.
Einen Auszug aus dem Gespräch (ab Minute 4:00) haben wir hier übersetzt.
Die vom ehemaligen US-Justizminister Eric Holder geleitete Untersuchungskommission deckt unzählige Missstände bei Uber auf: Der Bericht enthüllt Sexismus, Diskriminierung, Mobbing, Pöbeleien, Suff, Managementversagen und mutmassliche Firmenspionage.
Die «New York Times» fasst es wie folgt zusammen: «Die Unternehmenskultur ist durchzogen mit sexueller Belästigung und Diskriminierung; und die Grenzen des bestehenden Rechts werden strapaziert. Tonangebend dabei ist Mr. Kalanick, der das Unternehmen auf aggressive Weise zum führenden Taxi-Service der Welt gemacht hat.»
Am 13. Juni platzt die nächste Bombe: Travis Kalanick lässt seine rund 12'000 Uber-Mitarbeiter per E-Mail wissen, dass er eine Pause einlegt, «um nachzudenken, an mir selbst zu arbeiten» und den Boss zu werden, «den diese Firma verdient».
Kalanicks Auszeit ist natürlich keineswegs freiwillig. Er stand nach all den Skandalen der vergangenen Wochen, Monate und Jahre massiv unter Druck. Der Uber-Vorstand hatte zuvor den 13-seitigen Bericht einer unabhängigen Untersuchung gesichtet. Das Dokument liest sich wie eine Anklageschrift gegen Kalanick und dessen Führungsstil. 215 Beschwerden kamen im Lauf der Ermittlungen ans Licht. Von Sexismus, Diskriminierung, Mobbing, Pöbeleien, Suff, Managementversagen bis zu mutmasslicher Firmenspionage ist alles dabei.
Nach dem verheerenden Bericht über das Arbeitsklima will sich Uber reformieren. Eine Gruppe von 14 Geschäftsführern soll Uber leiten, während Kalanick beurlaubt ist.
Schon zuvor trennte sich Uber wegen angeblichem Sexismus von 20 Mitarbeitern. Jetzt sollen neue Strukturen und Kontrollmechanismen geschaffen werden, um solche Fälle zu verhindern.
Auch Top-Manager Emil Michael, ein enger Vertrauter Kalanicks, verlässt das Unternehmen. Offen bleibt, ob Michael sich aus eigenem Antrieb zurückzog oder dazu gedrängt wurde. Sein Abgang soll im Untersuchungsbericht von Eric Holder als eine von vielen Massnahmen zur Verbesserung der Firmenkultur bei Uber erwähnt sein.
Michael stand bereits 2014 in der Kritik, nachdem er in einem vermeintlich vertraulichen Gespräch während eines Dinners mit Reichen und Wichtigen in New York darüber fantasiert hatte, wie man eine kritische Journalistin ausforschen könnte.
Eric Alexander, ein ranghoher Uber-Manager, soll sich die medizinischen Akten einer Frau beschafft haben, die angeblich von einem Uber-Fahrer vergewaltigt wurde. Laut Medienberichten wollte Alexander dadurch die Glaubwürdigkeit der Frau in Zweifel ziehen. Die Frau verklagt Uber und auch Alexander wird gefeuert.
Wie weit Uber noch von einer neuen Ära entfernt ist, zeigt eine Episode während der Mitarbeiterversammlung vor knapp zwei Wochen: Der Vorstand verkündete den Mitarbeitern Kalanicks Auszeit. Als Arianna Huffington, die die Reformen bei Uber im Verwaltungsrat mitforciert hat, eine stärkere Rolle von Frauen propagiert, unterbricht sie Vorstandskollege David Bonderman und sagt: «Mehr Frauen führen nur zu mehr Gerede.»
Mittlerweile ist Bonderman aus dem Vorstand zurückgetreten.
Mitte Juni erklärt der Zürcher Regierungsrat berufsmässige UberPop-Fahrten für illegal. UberPop-Fahrer, die über keine Bewilligung zum berufsmässigen Personentransport verfügen, verstossen demnach gegen Schweizer Recht. Regelmässige UberPop-Fahrer brauchen laut Regierungsrat wie Taxi-Fahrer eine Bewilligung und müssen zudem einen Fahrtschreiber installieren, damit die gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeiten überprüft werden können.
Weiterhin erlaubt sind UberX und UberBlack. Bei beiden Angeboten werden Fahrtschreiber und Transportbewilligung vorgeschrieben.
Uber-Mitgründer Travis Kalanick wird von den wichtigsten Investoren fallen gelassen. Aus der temporären Auszeit wird der definitive Abschied.
Er trauere derzeit um seine bei einem Bootsunfall ums Leben gekommene Mutter. «Ich liebe Uber mehr als alles andere auf der Welt und in diesem schwierigen Moment in meinem persönlichen Leben habe ich die Forderung der Investoren akzeptiert, beiseite zu treten, damit Uber wieder zum Aufbauen zurückkehren kann, statt durch einen weiteren Kampf abgelenkt zu werden», zitiert die «New York Times» aus einer bisher nicht veröffentlichten Erklärung Kalanicks.
Nun wird bekannt, dass Uber mehr als ein Jahr zuvor von rund 50 Millionen Fahrgästen die Nutzerdaten gestohlen wurden. Es gehe um Namen, E-Mail-Adressen und Telefonnummern von Nutzern rund um die Welt, erklärte Uber. Ausserdem hätten sich die Angreifer auch Zugriff auf Daten von etwa sieben Millionen Uber-Fahrern verschafft. Statt die Betroffenen und die Öffentlichkeit zu informieren, bezahlte Uber den Hackern rund 99'000 Franken, um den Hack zu vertuschen.
Uber gibt bekannt, dass man ab 1. Juni 2018 schweizweit auf das umstrittene Billig-Angebot UberPop verzichten wird. Mit dem Billigst-Service sei «kein wirtschaftlicher Erfolg erzielbar», begründet das Unternehmen die Entscheidung. Im Klartext heisst das: Die Schweizer UberPop-Fahrer, die auf eigene Rechnung fahren, machen Verluste und daher würden in absehbarer Zeit die Fahrer ausgehen.
Die Angebote «UberX» (lizenzierte Fahrer), «UberBlack» (Limousinen-Service) sowie «UberGreen» mit Elektrofahrzeugen bleiben weiter verfügbar.
Die Richter haben entschieden: Uber wird in Europa rechtlich mit Taxi-Diensten gleichgestellt. Uber braucht also wie jede andere Taxi-Firma eine Lizenz. Damit ist der seit Jahren umstrittene Günstig-Fahrdienst UberPop, sprich Fahrten mit nicht-lizenzierten Fahrern in unkontrollierten Privatautos, gestorben. Die meisten grossen europäischen Städte, auch in der Schweiz, haben UberPop bereits vorher verboten.
Hierzulande gab Uber wenige Tage vor dem Gerichtsurteil bekannt, dass man ab dem 1. Juni 2018 schweizweit auf UberPop verzichten wird. Die Dienste UberX und UberBlack mit lizenzierten Fahrern bleiben bestehen.
UberPop ist im Gegensatz zu UberX oder UberBlack besonders günstig, da Uber den privaten Pop-Fahrern keine Sozialleistungen bezahlt und sich auch nicht um die Sicherheit der Fahrgäste kümmert (beispielsweise technische Überprüfungen der Autos).
Uber hat in mehreren Ländern mit aggressiven Methoden politische Entscheidungen manipuliert. Das geht aus vertraulichen Unterlagen hervor, die dem britischen «Guardian» zugespielt worden sind. «Uber hat Gesetze gebrochen, die Polizei getäuscht und mit heimlicher Lobbyarbeit Regierungen beeinflusst», schreibt die Zeitung nach Auswertung von über 124'000 Dokumenten, den «Uber Files».
Die vertraulichen E-Mails, Chatnachrichten etc. zeigen, wie Uber-Mitarbeiter mit über 700 Politikern und fast 600 Chef-Beamten in Kontakt traten, um die Gesetze rund um Taxidienste des jeweiligen Landes direkt zu beeinflussen.
Das Datenleck umfasst Unterlagen aus den Jahren 2013 bis 2017, also aus der Zeit unter Kalanicks Führung. Uber hat demnach ranghohe Politiker wie Emmanuel Macron, Medienschaffende und Wissenschaftlerinnen mit fragwürdigen Methoden für sich eingespannt. Macron soll 2015 als damaliger französischer Wirtschaftsminister auf Bitten des Unternehmens dafür gesorgt haben, dass eine Uber-kritische Verordnung in Frankreich entschärft wurde. In Deutschland soll Uber eine Privatdetektei beauftragt haben, negative Informationen über Rivalen zu sammeln.
Uber bestreitet die Vorwürfe nur teilweise und verweist darauf, dass sich das Unternehmen grundlegend verändert habe.
Erstens: Die Grundidee von Uber ist goldrichtig. Die Ausführung ein Desaster. Ubers grösster Feind ist weder die Bürokratie noch das Taxi-Kartell – und auch nicht die Städte, die Uber verbieten, weil sich Kalanick keinen Deut um lokale Gesetze schert. Uber kollabiert von innen. Wegen Kalanicks Führungsstil, der Firmenkultur, der Skandale. Der Fisch stinkt vom Kopf her, heisst es. Bei Uber ist es nicht so einfach. Der Kern des Konzerns ist verdorben. Kalanick kann man austauschen, die unsägliche Firmenkultur lässt sich nicht über Nacht umkrempeln.
Zweitens: Verliert Uber nur einen wichtigen Prozess vor Gericht – und es hat über 170 gerichtliche Auseinandersetzungen am Hals – gerät das mit rund 70 Milliarden US-Dollar noch immer unfassbar hoch bewertete Start-up weiter in Schieflage.
Drittens: Schon jetzt verbrennt Uber mehr als zwei Milliarden US-Dollar pro Jahr, obwohl immer mehr Menschen Uber fahren. Kein Start-up hat das Geld seiner Investoren jemals schneller vernichtet. Das Problem: Die Billig-Tarife decken laut Berechnungen des Finanzblogs «Naked Capitalism» nur 41 Prozent der effektiven Kosten – der Rest wird aus der Kasse der Risikoinvestoren bezahlt. Wie lange noch?