Sean Hannity ist der Star-Moderator bei Fox News. Er verfolgt einen politischen Kurs, wie wir ihn auch von der Blocher-SVP kennen: fremdenfeindlich, aber wirtschaftlich neoliberal. Tucker Carlson ist der aufstrebende Star bei Fox News und im Begriff, Hannity den Spitzenplatz streitig zu machen. Er ist aus ganz anderem Holz geschnitzt. Tagtäglich wettert er gegen «Corporate America» und die Wirtschaftsbosse.
In Carlsons Monologen darf kein antikapitalistisches Klischee fehlen. Multinationale Konzerne werden an den Pranger gestellt, natürlich auch die Wall Street und vor allem Silicon Valley. Sie alle haben nur ein Ziel: den kleinen Mann zu knechten und auszubeuten.
Die dunklen Wirtschaftsmächte haben im Verbund mit den Mainstreammedien – «New York Times», «Washington Post», CNN, etc. – den senilen Joe Biden zum Präsidenten gemacht. Nun werden sie ihn als Marionette für ihre teuflischen Pläne missbrauchen.
Im Vergleich zu Carlson sind die Maoisten in der Schweiz von einst die reinsten Sonntagsschüler und Bernie Sanders ein Pfadfinder.
Ein häufiger Gast ist Josh Hawley, ein republikanischer Senator aus dem Bundesstaat Missouri. Hawley hat die besten Universitäten besucht und ist hochintelligent (stellt euch Roger Köppel vor zehn Jahren vor). Hawley hat sich ebenfalls als harter Kritiker von Google, Facebook & Co. profiliert und will sich so als Präsidentschaftskandidat für 2024 ins Gespräch bringen. Hawley war es auch, der als erster Senator erklärt hat, er werde Protest im Kongress gegen die Wahl Bidens einlegen.
Tucker Carlson – auch ihm werden übrigens Ambitionen aufs Weisse Haus nachgesagt – und Josh Hawley sind die Gesichter einer neuen Grand Old Party (GOP). Einer Partei, in der nicht mehr der obere Mittelstand das Sagen hat, sondern die untere Mittelschicht. Einer Partei, in der die relevanten Entscheidungen nicht mehr im Country Club oder auf dem Golfplatz gefällt werden, sondern an lärmigen Rallys.
Kurz: eine Partei, die nicht mehr global und kapitalistisch ist, sondern national und pseudo-sozialistisch.
Carlson und Hawley wollen die Früchte ernten, die Donald Trump gesät hat. Dieser war ohnehin nie ein in der Wolle gefärbter Republikaner, sondern ein opportunistischer Populist. Trump hat keine Werte und kein Programm. Der pathologische Narzisst unterwirft alles seinem grenzenlosen Egoismus. Deshalb kürzt Trump an einem Tag die Steuern für die Reichen und fordert am nächsten zum Entsetzen der GOP-Oberen 2000 Dollar Unterstützung für den kleinen Mann.
Noch vor kurzem wäre jemand, der die GOP als Arbeiterpartei bezeichnet hätte, für geisteskrank erklärt worden. Heute will zumindest ein Teil der Republikaner eben diese Arbeiter vertreten, zumindest die weissen. Die Eliten in den Küstenstädten überlassen sie gerne den Demokraten.
Dieser Kurs ist auch in Wirtschaftskreisen nicht unbemerkt geblieben. Und die Wirtschaftsführer reagieren. Die US Chamber of Commerce (Handelskammer) hat sich in scharfen Worten dagegen ausgesprochen, dass die Wahl Joe Bidens von den Republikanern im Kongress angefochten wird.
Mehr als 180 Topmanager aus New York – darunter Schwergewichte wie BlackRock-Chef Larry Fink – protestieren ebenfalls dagegen, dass Republikaner «die Grundpfeiler der Demokratie» angreifen. Der Business Roundtable schliesslich, angeführt von Walmart-Boss Doug McMillon, äussert die Befürchtung, dass das Störmanöver der Republikaner «den so dringend benötigten wirtschaftlichen Aufschwung» gefährde.
Die nationalen und antikapitalistischen Töne aus den Reihen der GOP sind für die Manager mehr als ein Imageproblem. Um erfolgreich investieren zu können, brauchen die Wirtschaftsführer Rechtsstaat und Verlässlichkeit. Genau dies jedoch stellen die aufstrebenden Stars der GOP in Frage. Sie setzen auf Chaos in der Hoffnung, die legitim gewählten Demokraten auf diese Weise ausbremsen zu können.
Die Störmanöver der GOP-Rebellen haben möglicherweise auch einen politischen Langzeiteffekt, der sich gegen sie wenden kann. Die Republikaner haben in den letzten 32 Jahren nur einmal eine Volksmehrheit erzielt. Einzig das Elektorensystem hat Trump ins Weisse Haus gehievt. Hillary Clinton hat 2016 rund drei, Joe Biden heuer gar rund sieben Millionen Stimmen mehr erhalten.
Mit ihrem absurden Aufstand gefährden die Republikaner eben dieses für sie überlebenswichtige Elektorensystem. Davor warnen selbst Hardliner und Trump-Anhänger. Einer davon ist Ken Buck, republikanischer Abgeordneter aus dem Bundesstaat Colorado. Er schreibt heute in der «Washington Post»:
Die Wirtschaft gegen die Republikaner aufgebracht, das Elektorensystem in Frage gestellt: Langfristig hat Trump der einst so mächtigen GOP grossen Schaden zugefügt. Sollte der sich abzeichnende Erfolg der Demokraten in Georgia bestätigt werden, wird innerhalb der Partei bald der Teufel los sein.
Die alten Country-Club-Republikaner und die Pseudo-Sozialisten werden sich zerfleischen. «New York Times»-Kolumnist Thomas Friedman rät daher zu einer Scheidung. Die Anhänger der Trump-Sekte würden auf diese Weise, so Friedman, «eine diskreditierte ohnmächtige Minderheit von Spinnern werden, die darauf warten, was ihnen Trump in seinem jüngsten Tweet zu sagen hat».
Eine Aussicht, an die man sich gewöhnen könnte.