Nach der von Manipulationsvorwürfen überschatteten Präsidentenwahl in Belarus (Weissrussland) bleibt die Lage in dem Land angespannt. Eine Übersicht.
In der Nacht zum Dienstag kam es bei Demonstrationen erneut zu blutigen Zusammenstössen mit der Polizei. Tausende Menschen waren auf den Strassen unterwegs.
Die Menschen skandierten «Es lebe Belarus» und «Freiheit». In sozialen Netzwerken kursierten Fotos von Uniformierten, die sich demonstrativ auf die Seite der Demonstranten stellten. Sie wurden als «Helden» gefeiert.
Nein. In insgesamt 33 Orten des Landes habe es Aktionen gegeben, berichteten Medien.
Nach Meinung von Beobachtern war die Nacht zum Dienstag von noch mehr Gewalt geprägt als die zum Montag, als es etwa 100 Verletzte und 3000 Festnahmen gegeben hatte. Die Sicherheitskräfte gingen hart gegen die Protestierenden vor. In sozialen Medien gab es vielfach Videos, die zeigten, wie Uniformierte auf Menschen einprügelten. Es kursierten zudem Berichte, wonach die Polizei Blendgranaten abfeuerte, um Demonstranten auseinanderzutreiben. Auch Gummigeschossen sollen eingesetzt worden sein.
Ja, es gab Berichte von vielen Verletzten. Insgesamt war die Lage aber unübersichtlich. Es gab zunächst keine offiziellen Zahlen zu Verletzten und Festnahmen. Im Internet wurden Bilder von blutüberströmten Menschen veröffentlicht. In Minsk versuchte die Polizei, die Menschen aus dem Stadtzentrum zu vertreiben. An einigen Stellen wurden Barrikaden errichtet.
In der Hauptstadt kam es zu einem tödlichen Zwischenfall. Nach Darstellung der Behörden soll am Montagabend ein Sprengsatz in der Hand eines Mannes explodiert sein, den er auf Spezialeinheiten der Polizei habe werfen wollen.
Aber auch die Polizisten selbst wurden Ziel von Attacken. In einem beim Nachrichtenkanal Telegram verbreiteten Video war zu sehen, wie ein Uniformierter auf einer Kreuzung womöglich absichtlich von einem Auto angefahren wurde.
Es gab Medienberichte, wonach schwere Militärtechnik in das Zentrum von Minsk gebracht worden sei. Lukaschenko hatte im Wahlkampf mit dem Einsatz der Armee gedroht, um Putschversuche zu verhindern.
Für heute Dienstag haben die Gegner Lukaschenkos zu einem landesweiten Streik in den Staatsbetrieben aufgerufen, um den Machtapparat zu brechen. Kommentatoren sprachen zuletzt von der «Geburt der Nation Belarus», die sich rund 30 Jahre nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion erst jetzt so richtig eine Identität gebe – und sich abnabeln wolle vom grossen Nachbarn Russland. Unklar war zunächst, wie Staatschef Alexander Lukaschenko darauf reagieren wird.
Die Proteste richten sich gegen den 65-jährigen Lukaschenko, der das Land zwischen Polen und Russland schon seit mehr als einem Vierteljahrhundert mit harter Hand regiert. An seinem vermeintlichen Sieg bei der Wahl am Sonntag mit 80 Prozent der Stimmen gibt es grosse Zweifel. Viele vermuten, dass das Ergebnis gefälscht wurde. Lukaschenko wird von Kritikern «letzter Diktator Europas» genannt. Bereits in der Nacht zum Montag hatte es landesweit Proteste und auch Ausschreitungen gegeben.
Die Oppositionsbewegung «Ein Land zum Leben» («Strana dlja Schisni») schrieb: «Das war ein historischer Abend». Die Tage von Lukaschenko seien nach den Gewaltexzessen mit Gummigeschossen und Blendgranaten gegen die Bürger gezählt, hiess es. «Der Sieg über den Tyrann in den nächsten Tagen ist einfach offensichtlich», teilte die oppositionelle Plattform mit.
Swetlana Tichanowskaja, die Herausforderin von Lukaschenko, ist nach Litauen geflüchtet. Dies gab der Aussenminister des baltischen Staates auf Twitter bekannt.
Svetlana #Tikhanovskaya is safe. She is in #Lithuania. pic.twitter.com/6f9U2meoX0
— Linas Linkevicius (@LinkeviciusL) August 11, 2020
Zuvor hatte ihr Wahlkampfstab bekannt gegeben, sie werde sich zunächst nicht an den Aktionen beteiligen. Die Polizei könnte sich von ihrer Anwesenheit provoziert fühlen und sie festnehmen.
Tichanowskaja kam dem offiziellen Ergebnis zufolge bei der Abstimmung nur auf 10 Prozent. Sie erkennt das Ergebnis nicht an. Sie will eine Neuauszählung der Stimmen erreichen. Ihr Wahlkampfteam geht davon aus, dass sie zwischen 70 und 80 Prozent der Stimmen errungen hat.
International löste die Gewalt nach der Wahl Besorgnis aus. UN-Generalsekretär António Guterres rief die Behörden in Belarus dazu auf, «absolute Zurückhaltung und vollsten Respekt für das Recht auf Meinungsfreiheit, friedliche Versammlungen und das Bilden von Gruppen» zu zeigen.
Das Weisse Haus in Washington äusserte sich «tief besorgt». Die Sprecherin von US-Präsident Donald Trump, Kayleigh McEnany, sagte: «Wir fordern die Regierung von Belarus auf, das Recht auf friedliche Versammlung zu respektieren und keine Gewalt anzuwenden.» (sda/dpa)
Ahahaha, look who's talking.
Findet ihr so eine Beschreibung einer Wahlfarce nicht etwas bemüht neutral? Wenn die Stimmen der Opposition aus den Fenstern der Wahllokale getragen werden und fast alle Kandidaten im Gefängnis sind ist es überhaupt keine Wahl.