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Corona in den USA: Biden hält emotionale Corona-Gedenkrede

President Joe Biden reads the number of American that died from COVID-19 during a speech at the White House, Monday, Feb. 22, 2021, in Washington. (AP Photo/Evan Vucci)
Joe Biden
US-Präsident Joe Biden.Bild: keystone

«Ich kenne das Gefühl, wenn man den leeren Stuhl anstarrt» – Biden hält emotionale Rede

Amerika gedenkt der Corona-Toten. Es sind nun über eine halbe Million Verstorbene.
23.02.2021, 06:3623.02.2021, 13:16
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Die Flagge über dem Weissen Haus weht in der kalten Winterluft auf halbmast, auf der Südseite des Gebäudes erinnern Hunderte Kerzen an die unzähligen Corona-Toten in den USA. Präsident Joe Biden, First Lady Jill Biden, Vizepräsidentin Kamala Harris und ihr Mann Douglas Emhoff verbeugen sich vor den Opfern.

Mit gesenkten Häuptern begehen sie auf der Südseite des Weissen Hauses eine Schweigeminute, die Hände gefaltet wie zum Gebet. Kurz darauf spielt eine Militärkapelle das Lied «Amazing Grace».

«Heute markieren wir einen wahrlich düsteren und herzzerreissenden Meilenstein», sagte Biden am Montagabend (Ortszeit) unmittelbar vor der Gedenkveranstaltung in einer Ansprache. Die USA überschritten gemäss Daten der Universität Johns Hopkins (JHU) die Schwelle von mehr als einer halben Million Corona-Toten. «Das sind mehr Amerikaner, die in einem Jahr der Pandemie gestorben sind als im Ersten Weltkrieg, dem Zweiten Weltkrieg und dem Vietnamkrieg zusammengenommen», sagte Biden. «Das sind mehr Leben, die von dem Virus genommen wurden, als in allen anderen Ländern der Welt», sagte er.

Biden mahnt vor Abstumpfen

Der Präsident ermahnte die Amerikaner jedoch, angesichts der «unvorstellbaren» Opferzahl nicht abzustumpfen. «Wir müssen uns dagegen wehren, taub gegen das Leid zu werden. Wir müssen uns dagegen wehren, jedes Leben als eine Statistik zu sehen», forderte Biden. «Wir müssen das tun, um die Toten zu ehren. Genauso wichtig ist es, sich um die Lebenden zu sorgen, jene, die zurückgelassen wurden», sagte Biden. Jeder Corona-Tote habe Familie, Freunde und ein «ausserordentliches Leben» gehabt, das zu früh beendet worden sei.

Er wisse, wie es ist, wenn man einen leeren Stuhl am Küchentisch anstarre. «Es bringt alles zurück, egal wie lange es her ist.» Biden selbst verlor seine erste Frau und eine Tochter in den 70ern und 2015 einen Sohn an einem Gehirntumor.

Um der Toten zu gedenken, ordnete Biden im ganzen Land das Herabsetzen der Flaggen auf halbmast an. Dies gilt für fünf Tage an öffentlichen Gebäuden, Militärstützpunkten und den diplomatischen Vertretungen der US-Regierung im Ausland. Im Repräsentantenhaus erhoben sich die Abgeordneten zu einer Schweigeminute.

Verheerende Wintermonate

Die Wintermonate der Pandemie waren in den USA verheerend. Allein seit Anfang Januar starben mehr als 150'000 Menschen nach einer Infektion mit dem Coronavirus. In dem Land mit rund 330 Millionen Einwohnern gibt es inzwischen 28.2 Millionen bestätigte Infektionen.

Zuletzt gab es jedoch Hoffnung auf eine baldige Besserung der Lage. Die Zahl der täglichen Neuinfektionen fiel von mehr als 200'000 Anfang Januar auf inzwischen weniger als 70'000. Und auch die Impfkampagne schreitet voran: Bislang erhielten 44 Millionen Menschen in den USA die erste Impfung, rund 19.4 Millionen Menschen schon beide Impfdosen, wie aus Daten des CDC hervorgeht.

Biden macht bei der Impfkampagne seit seinem Amtsantritt vor gut einem Monat massiv Druck. Die USA bekommen von den Herstellern Moderna und Pfizer/Biontech nun bis Ende Juli rund 600 Millionen Dosen Impfstoff, was für alle Erwachsenen im Land ausreichend wäre. Damit könnte manchen Experten zufolge – wenn alles gut geht und sich zudem nur ein geringer Anteil der Amerikaner der Impfung verweigert – im Herbst das Gröbste der Pandemie vorbei sein.

Durchhalteparolen und Hoffnung

«Dieses Land wird wieder lachen, dieses Land wird wieder sonnige Tage haben. Dieses Land wird wieder Freude erfahren», zeigte sich Biden zuversichtlich:

«Wir werden das durchstehen, ich verspreche es Ihnen.»

Biden nannte keinen konkreten Zeitpunkt, ab wann er mit einer Rückkehr zu einer gewissen Normalität im Land rechnet. Er zeigte sich aber zuversichtlich, dass sich die Lage in der zweiten Jahreshälfte deutlich bessern sollte. Biden erklärte: «Wir haben nie aufgegeben. Wir sind Amerika. Wir können und werden das schaffen.»

Viele Experten warnen allerdings, dass es wegen der Ausbreitung neuer Varianten bald wieder zu einem Anstieg der Neuinfektionen kommen könnte. Mit besonderer Sorge verfolgt die Regierung die Ausbreitung der in Grossbritannien entdeckten Variante, die als deutlich ansteckender gilt. Sie könnte nach Ansicht der Gesundheitsbehörde CDC bis Ende März die vorherrschende Variante des Virus werden.

Die USA sind in absoluten Zahlen das am schlimmsten von der Pandemie betroffene Land. Relativ zur Einwohnerzahl ist die Zahl der Toten jedoch in einigen europäischen Ländern höher. In den USA starben den Johns-Hopkins-Daten zufolge rund 152 Menschen pro 100'000 Einwohner. In Belgien liegt dieser Wert bei 192, in Grossbritannien bei 182, in Italien bei 158. In der Schweiz sind demnach 113 Menschen pro 100'000 Einwohner gestorben. Experten gehen zudem in vielen Ländern bei Infektionen und Todesfällen von einer hohen Dunkelziffer aus. (sda/dpa)

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12 Kommentare
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Donny Drumpf
23.02.2021 08:04registriert November 2019
Das wäre dann wohl Präsidial.
Joe ist so langweilig... ich liebe es.
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RicoH
23.02.2021 09:37registriert Mai 2019
Es ist eine Wohltat, diesem "langweiligen" Präsidenten zu zu hören. Schade, dass er dabei nicht direkt in die Kamera schaut. So kommt er leider "aufgesetzt" herüber (aber immer noch kein Vergleich zu seinem Vorgänger).
Und ja, dass ich mich mit diesem Detail befasse, sagt viel über den Wechsel im Weissen Haus aus...
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Bougainvillea
23.02.2021 13:33registriert März 2020
Ich mag diesen Präsidenten.

Manche sagen er sei langweilig. Ich sage: endlich wieder ein amerikanischer Präsident, dessen Aussagen Hand und Fuss und vor allem Inhalt haben, ganz im Gegenteil zu der Soap Opera, die sein Vorgänger veranstaltet hatte.
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