Die Strassen Berlins sind in diesen Tagen wie leergefegt. Es wirkt etwas trist im sonst so belebten, emsigen Bezirk Berlin-Mitte. Wenn man Glück hat, sieht man Christian Drosten vorbeiradeln. Ein Prominenter.
Wenn er zu seiner täglichen Tour aufbricht, die ihn über die kaum befahrenen Strassen Berlins führt, von der Charité bis zum Gesundheitsministerium und von dort weiter in die Bundespressekonferenz oder in das Aufnahmestudio des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
Vor vier Wochen war der 48-Jährige in Fachkreisen längst weltberühmt, doch die Deutschen selbst kannten den Virologen mit den dunklen Locken und dem jungenhaften Gesicht kaum.
Inzwischen ist Christian Drosten, Institutsdirektor der Berliner Charité, im ganzen Land bekannt. Drosten ist so etwas wie das deutsche Pendant zum Schweizer Arzt vom Bundesamt für Gesundheit, Daniel Koch. Der Vater eines zweieinhalbjährigen Sohnes ist der Corona-Erklärer der Nation, er ist der Mahner in der grössten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg.
Der Sohn eines Bauern aus der niedersächsischen Provinz studierte Chemietechnik, Biologie, promovierte in Medizin. Nun ist Drosten quasi aus dem Nichts zum vermutlich einflussreichsten Wissenschaftler Deutschlands aufgestiegen. Der Virologe und Experte für Corona-Viren berät Gesundheitsminister Jens Spahn und Bundeskanzlerin Angela Merkel.
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Seit Ende Februar erläutert er in einem Podcast mit dem Norddeutschen Rundfunk von Montag bis Freitag eine halbe Stunde lang die neuesten Entwicklungen in der Krise. Erklärt, wie sich das Virus verbreitet, mahnt die Menschen, zuhause zu bleiben, sagt, warum Covid-19 gefährlich ist, ohne Panik zu verbreiten. Er tut dies in einfachen Worten und reich an Anekdoten.
Als in Deutschland die Kneipen noch offen hatten, verriet Drosten seine Passion für Bier. Aber nur für Flaschenbier. «Trinkt kein gezapftes Bier», sagte er und verwies auf die Wahrscheinlichkeit der Viren-Übertragung über unzureichend gespülte Gläser in Restaurants. Die Wochenzeitung «Die Zeit» setzte über ein Drosten-Portrait unlängst den freilich zugespitzten Titel: «Ist das unser neuer Kanzler?»
Dass Drostens Wort so viel Gewicht hat, liegt auch daran, dass der Mann sich in der Welt der Corona-Viren auskennt wie wenige andere rund um den Globus. Er gehörte vor 17 Jahren zu den Mitentdeckern des Sars-Corona-Virus, eine Art Vorläufer der heutigen Corona-Pandemie.
Drosten und sein Forscher-Team entwickelten damals nach wenigen Tagen einen diagnostischen Test. Auch beim im Dezember erstmals aufgetretenen Corona-Virus entwickelte die von Drosten geleitete Forschergruppe einen Test, den sie schon im Januar weltweit zur Verfügung stellten.
Drosten ist sich nicht zu schade, auch mal einen Fehler zuzugeben. Oder zu sagen: Sorry Leute, auf diese Frage hat die Wissenschaft noch keine Antwort. «Ich sehe meinen Job nicht darin, die Wahrheit zu verkürzen, sondern darin, die Aspekte der Wahrheit zu erklären, aber auch Unsicherheiten zuzulassen und zu sagen: Das weiss man so nicht», sagte der Virologe in einem Interview mit der «Zeit». Es ist vermutlich genau diese entwaffnende Offenheit, die ihm auch in der breiten Bevölkerung eine hohe Glaubwürdigkeit verpasst.
Doch die mediale Aufmerksamkeit ist dem Virologen oftmals unangenehm – und die Analysen in den Medien über seine eigene Person geht ihm bisweilen zu weit. In seinem jüngsten Podcast drohte Drosten mit dem Rückzug aus der Öffentlichkeit.
Er widerspricht vehement Meinungen, wonach das Land längst von Wissenschaftlern geführt werde. Die Wissenschaft generiere Daten und versuche zu erklären. «Politik trifft die Entscheidungen, nicht die Wissenschaft.»
Leider würde die Rolle von Wissenschaftlern wie er in den Medien überzeichnet, das sei problematisch. «Es gibt Zeitungen, die malen inzwischen nicht nur in den Wörtern, sondern in Bildern Karikaturen von Virologen. Ich sehe mich selber als Comicfigur gezeichnet – und mir wird schlecht dabei», echauffierte sich der Virologe.
Drosten verzichtet seit Tagen darauf, Interviews zu geben. Auch, weil er in der Vergangenheit seiner Meinung nach oft falsch oder verkürzt zitiert worden war. Hinzu kommen offenbar vermehrt Drohungen aus der Bevölkerung. In einer E-Mail wurde Drosten für den Suizid des hessischen Finanzministers Thomas Schäfer verantwortlich gemacht. Schäfer nahm sich am Wochenende mutmasslich wegen der Herausforderungen durch die Corona-Krise das Leben.
Doch der Leiter der Berliner Charité glaubt ohnehin, dass sich das «Wohlfühlniveau» in Deutschland in den nächsten Wochen ändern werde, wie er sagt. Inzwischen sind in Deutschland viele ältere Menschen an Corona erkrankt. «Wir werden zwangsläufig jetzt in Deutschland ein Ansteigen der berichteten Fallsterblichkeit sehen», so der 48-Jährige. Schon jetzt sei die Fallsterblichkeit von 0.2 bis 0.4 auf etwa 0.8 Prozent gestiegen.
Der Virologe schwört die Gesellschaft auf eine längere Phase des Verzichts ein, der Alltag werde noch längere Zeit mit Einschränkungen zu bewältigen sein. «Wir müssen vielleicht davon ausgehen, dass wir gesellschaftlich ein Jahr im Ausnahmezustand verbringen müssen», sagte Drosten der «Zeit». (aargauerzeitung.ch)
Wir sehen ja in anderen Ländern, wie es auch gehen kann, speziell in den USA, wo Trump jetzt den Leuten empfiehlt Malariamedikamente zu nehmen.
Dr. Drosten ist ja übrigens nicht der Einzige der die Regierung berät. Dazu ist auch noch das Robert-Koch-Institut da. Herrn Wieler sehe ich eher als Pendant zu Herr Koch.
Auch Alexander Kekule bringt sich sehr ein.