Im EU-Haushaltsstreit mit Ungarn und Polen hat ein Videogipfel am Donnerstagabend noch keine Lösung gebracht. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erstattete den übrigen Staats- und Regierungschefs Bericht, weil Deutschland derzeit den Vorsitz der 27 Länder hat. Ungarn und Polen bekräftigten ihre Blockade-Haltung, wie es aus EU-Kreisen hiess. Kurz darauf ging man zur eigentlichen Tagesordnung über: die Koordinierung in der Corona-Krise.
Ungarn und Polen hatten am Montag ihr Veto gegen den zentralen Haushaltsbeschluss eingelegt. Sie stossen sich an einer neuen Klausel zur Kürzung von Geldern bei bestimmten Rechtsstaatsverstössen in den Empfängerländern. Mit ihrem Nein ist das gesamte 1.8 Billionen Euro schwere Haushaltspaket für die nächsten sieben Jahre vorerst blockiert. Das schliesst 750 Milliarden Euro an Corona-Hilfen ein, auf die viele EU-Staaten dringend hoffen.
Eine Videokonferenz sei einfach nicht das richtige Format, um den komplizierten Streit beizulegen, sagte ein EU-Beamter. Ratschef Charles Michel habe alle Länder vorab kontaktiert, um die Diskussion «unter Kontrolle» zu halten. Man unterschätze aber nicht den Ernst der Lage. Das bereits im Juli grundsätzlich vereinbarte Haushaltspaket müsse so schnell wie möglich umgesetzt werden. Dafür brauche man jedoch eine Einigung.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will sich nicht festlegen, ob nach dem Veto Polens und Ungarns bis Weihnachten eine Lösung im Streit über das europäische Haushaltspaket gefunden werden kann. «Das ist ein schon sehr ernsthaftes Problem, das wir zu lösen haben», deshalb wolle sie nicht spekulieren, sagte Merkel am Donnerstagabend nach Video-Beratungen mit den anderen EU-Staats- und Regierungschefs. «Wir werden hart und ernsthaft daran arbeiten.» Deutschland werde alle möglichen Optionen ausloten. «Da stehen wir noch ganz am Anfang», sagte die Kanzlerin.
Auf die Frage, ob es für sie eine Option sei, Polen und Ungarn mit einem Entzug der Stimmrechte zu drohen, sagte Merkel: «Für mich ist das Wort Drohung in diesem Zusammenhang sowieso kein Wort. Wir haben die Pflicht, zu versuchen, einen Weg zu finden.» Deutschland werde nun als EU-Ratspräsidentschaft weiter mit Polen und Ungarn nach einer Lösung suchen, um eine Zustimmung zu ermöglichen.
Sie habe in der Runde am Abend deutlich gemacht, dass sie den mit dem EU-Parlament ausgehandelten Kompromiss für gut und ausgewogen halte, sagte Merkel. Auf der anderen Seite hätten auch Ungarn und Polen nochmals deutlich gemacht, dass sie der Rechtsstaatklausel nicht zustimmen könnten. Für fast alle Mitgliedsstaaten gehe es um ein Gesamtpaket aus mittelfristigem Finanzrahmen, Wiederaufbaufonds und Rechtsstaatsklausel. Im EU-Parlament werde es in der nächsten Woche daher keine Abstimmung geben. (sda/dpa)
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