Nach dem Absturz einer ukrainischen Passagiermaschine bei Teheran verdichten sich die Hinweise auf einen Raketenbeschuss durch den Iran als Ursache. Teheran will nun auch Fachleute unter anderem aus den USA in die Untersuchungen einbeziehen. Die Nationale Behörde für Transportsicherheit in Washington erklärte, dass sie sich an der Untersuchung beteilige.
Die Regierungen in Kanada und Grossbritannien haben nach eigenen Angaben Informationen, die auf einen Beschuss durch iranische Raketen hinweisen. Diese Theorie wird US-Medienberichten zufolge auch in den USA verfolgt. Offiziell wird die Ursache für den Absturz weiter untersucht.
"The plane was shot down by an Iranian surface-to-air missile, this may well have been unintentional"
— BBC Breaking News (@BBCBreaking) January 9, 2020
Canadian PM Justin Trudeau calls for a "thorough investigation" into crash of Ukrainian plane near Tehran killing 176 people, including 63 Canadianshttps://t.co/LuXBhmYD8X pic.twitter.com/1ed5TfCa8D
Der kanadische Premierminister Justin Trudeau sagte am Donnerstag, seine Regierung habe Informationen «von mehreren Quellen, von unseren Alliierten und eigene Informationen». Die Beweise seien «sehr klar». Der britische Regierungschef Boris Johnson sprach einer Mitteilung zufolge von einem «Korpus an Informationen», der auf einen Abschuss durch eine iranische Rakete hinweise.
Der US-Sender CBS berichtete, US-Geheimdienste hätten Signale von einem Radar empfangen, das eingeschaltet worden sei. US-Satelliten hätten ausserdem den Start von zwei Boden-Luft-Raketen kurz vor der Explosion des Flugzeugs entdeckt.
Der US-Nachrichtensender CNN berichtete, der Theorie eines versehentlichen Abschusses durch den Iran lägen die Analyse von Satelliten-, Radar- und anderen elektronischen Daten zugrunde, die routinemässig vom US-Militär und den Geheimdiensten gesammelt würden.
Die New York Times veröffentlichte am Donnerstagabend (MEZ) ein Video, dass den Moment zeigen soll, in dem die Maschine kurz nach dem Start vom Flughafen Teheran von einer Boden-Luft-Rakete getroffen wird. Gemäss Angaben der Zeitung konnte sie die Echtheit des Videos verifizieren. Der Standort der Aufnahme stimme mit dem letzten bekannten Ortungssignal des Flugzeugs überein.
Exclusive: Video verified by The New York Times shows a Ukrainian airliner being hit over Tehran on Wednesday https://t.co/brU9ZRmRX9
— The New York Times (@nytimes) January 9, 2020
Das US-Nachrichtenmagazin Newsweek schreibt mit Verweis auf drei nicht namentlich genannte Quellen im Pentagon, in US-Geheimdienstkreisen und in irakischen Sicherheitskreisen, dass die Boeing 737–800 der ukrainischen Fluggesellschaft MAU gemäss Erkenntnissen von iranischen Boden-Luft-Raketen vom Typ Tor-M1 aus russischer Produktion getroffen worden sei. Der Abschuss soll ein Versehen gewesen sein.
Es werde angenommen, Iran habe seine Luftabwehr aufgrund der Spannungen mit den USA in höchste Alarmbereitschaft versetzt, so Newsweek. Kurz vor dem Absturz hatte Iran zwei US-Militärbasen im Irak mit Raketen beschossen. Der Angriff war eine Reaktion auf die Tötung des hochrangigen iranischen Generals Ghassem Soleimani durch eine US-Miltärdrohne in Bagdad am 3. Januar.
Die Ukraine hat bereits eigene Experten in den Iran geschickt. Der Leiter der iranischen Luftfahrtbehörde, Ali Abedsadeh, gab am Donnerstagabend im iranischen Fernsehen bekannt, dass der Iran auch Boeing-Fachleute aus den USA, Kanada und Frankreich an den Untersuchungen zur Absturzursache der ukrainischen Passagiermaschine bei Teheran beteilige.
Die Blackbox des Flugzeuges solle im Iran untersucht werden. Falls dies aber aus technischen Gründen nicht möglich sein sollte, wären auch Untersuchungen im Ausland denkbar. Es sollten alle technischen Möglichkeiten in Betracht gezogen werden, um die Absturzursache umgehend zu klären, sagte Abedsadeh. Die Vermutung, die Maschine sei von einem iranischen Raketenabwehrsystem getroffen worden, bezeichnete er als absurd.
Auf sozialen Medien wurden Bilder publiziert, welche Überreste einer Tor-M1-Raketen in der Nähe der Absturzstelle zeigen sollen.
Second image (right) of Tor anti-aircraft missile debris, supposedly from near the #PS752 crash site. Still unverified, and still going to be very hard to geolocate it based on what's visible in the image. h/t @Liberalist_30 pic.twitter.com/TQNRp6hopj
— Eliot Higgins (@EliotHiggins) January 9, 2020
Der Gründer des auf die Auswertung von öffentlich einsehbaren Bild- und Videoquellen spezialisierten Portals Bellingcat, Eliot Higgins, schrieb auf Twitter, dass die Verifikation der Echtheit dieser Bilder aufgrund des kleinen und ungünstigen Bildausschnittes sehr schwierig sei.
Even if there was Streetview imagery of the area it's claimed to be taken in we'd still be look to match things like the wear on the curb-stones, which requires good quality reference imagery.
— Eliot Higgins (@EliotHiggins) January 9, 2020
Irans Präsident Hassan Ruhani sagte Angaben des Präsidialamtes in einem Telefonat mit seinem ukrainischen Kollegen Wolodymyr Selenskyj, Expertenteams beider Länder sollten die genaue Absturzursache gründlich untersuchen.
Die Ermittler wollen nun den kurzen Flug rekonstruieren. In einem am Donnerstag veröffentlichten vorläufigen Bericht der iranischen Luftfahrtbehörde heisst es, die Maschine habe versucht, zurück zum Flughafen zu fliegen. Augenzeugen hätten berichtet, die Maschine habe gebrannt. Als sie am Boden aufschlug, sei sie explodiert – wohl weil das Flugzeug grosse Mengen Kerosin getankt hatte.
Kiew zieht vier Versionen in Betracht: Alexej Danilow vom ukrainischen Sicherheitsrat schrieb auf Facebook, es sei möglich, dass die Maschine von einer Rakete des russischen Typs «Tor» getroffen worden sei. Deshalb seien Experten an der Untersuchung beteiligt, die bereits 2014 beim Abschuss des malaysischen Fluges MH17 durch eine Flugabwehrrakete über der Ostukraine ermittelt hätten.
Geprüft werden auch ein Zusammenstoss mit einem Flugobjekt wie etwa einer Drohne, ein Triebwerksschaden und ein Terroranschlag.
Die Ukrainer gedachten am Donnerstag der 176 Todesopfer. Präsident Wolodymyr Selenskyj rief einen Tag der Trauer aus. Die Fahnen wehten auf halbmast. In den Fernsehprogrammen und im Radio sollte auf Unterhaltungsformate verzichtet werden. Am Kiewer Flughafen Boryspil legten viele Menschen Blumen nieder. Dort hätte die Maschine eigentlich am Mittwochmorgen gegen 8.00 Uhr Ortszeit landen sollen.
Die ukrainische Unglücksmaschine war laut UIA erst am Montag technisch überprüft worden. Es war der erste tödliche Absturz einer UIA-Maschine. Die Fluggesellschaft gehört zum Teil dem umstrittenen Oligarchen Igor Kolomoiski, der Selenski nahestehen soll. (cbe/aeg/mlu/sda/afp)
Dass die Maschine gebrannt hat war relativ schnell bekannt. Dass Piloten in so einer Situation so schnell wie möglich umkehren ist logisch.
Nicht wirklich eine neue/hilfreiche Erkenntnis.
Früher wurden Flugunfälle von bis zu drei Parteien/Behörden gemeinsam untersucht. (Absturzland, Hersteller, und Fluggesellschaft). Heutzutage bremst die Politik die Technologie aus... :-(