Am Mittwochabend spielte sich in Tel Aviv ein Politkrimi par excellence ab. Bis zur letzten Minute war nicht klar, ob die Opposition in Israel es schaffen würde, eine Koalition zu bilden.
Bis Mitternacht hatte Oppositionsführer Yair Lapid Zeit, eine Regierung auf die Beine zu stellen. Dafür fehlten ihm bis kurz vor Ende der Frist drei Unterschriften. Darunter jene von Naftali Bennett, einem Politiker rechtsaussen im Spektrum, Parteichef von Yamina und langjähriger Gefährte von Ministerpräsident Netanjahu. Auch die Unterschrift von Mansour Abbas, Parteichef der arabischen Partei Raam, fehlte.
Kurz darauf dann die Sensation: Lapid informiert den israelischen Präsidenten Reuven Rivlin über die erfolgreiche Regierungsbildung.
Ist das nun das Ende der Ära Netanjahu? Wer wird sein Nachfolger? Wer ist alles in dieser Koalition und am wichtigsten: Kann das überhaupt gut gehen? Die wichtigsten Fragen im Überblick.
Das liegt an der Zusammensetzung. Oppositionsführer Yair Lapid hat es fertiggebracht, eine kunterbunte Koalition aus Links-, Mitte und Rechtsaussenparteien an einen Tisch zu bekommen. Sie eint vor allem die Abneigung gegen Netanjahu, der sich mit einem laufenden Korruptionsprozess konfrontiert sieht. Ihre politischen Ziele klaffen jedoch weit auseinander.
Nach stundenlangen Verhandlungen unterzeichneten die Parteichefs der kleinen arabischen Partei Raam und der beiden rechten Parteien Yamina und Neue Hoffnung eine Koalitionsvereinbarung. Es ist das erste Mal in der Geschichte Israels, dass eine arabische Partei einer rechtsgerichteten Koalition beitritt.
Möglich war die Unterzeichnung, weil Lapid bereit war, grosse Zugeständnisse an Yaminas Parteichef Naftali Bennett zu machen. Er lässt ihm den Vortritt als Ministerpräsidenten. Vorgesehen ist eine Rotation, nach zwei Jahren wird Lapid das Amt übernehmen.
Voraussichtlich schon. Stand jetzt wird Benajmin Netanjahu in die Opposition müssen. Die Regierung muss jedoch erst einmal vereidigt werden. Das wird nicht vor nächster Woche stattfinden.
Beobachtende rechnen damit, dass Netanjahus Anhänger bis zur Vereidigung mit aller Macht versuchen werden, das wacklige Bündnis von Lapid und Bennett zum Scheitern zu bringen. Bis zuletzt gab es Berichte über mögliche Abtrünnige in den Reihen der Yamina-Partei.
Netanjahu verbrachte bereits die letzten Tage damit, Druck auf seine Gegner auszuüben. Abgeordnete wurden mit Textnachrichten bombardiert, in denen sie unter anderem als Verräter beschimpft wurden. Auch in den sozialen Medien wurde gegen die Opposition gehetzt, Anhänger Netanjahus tauchten sogar vor den Wohnungen von Politikern auf.
Es gibt deren zwei.
Zuerst an der Reihe ist der ultrarechte Naftali Bennett. Er wurde mit einem Internet-Start-up zum Millionär, steht für national-religiöse Politik, seine Partei gilt als siedlerfreundlich. Er ist gegen eine Zwei-Staaten-Lösung mit Palästina und setzt sich dafür ein, dass Israel die Westbank annektieren soll.
Der 49-jährige Bennett, Sohn von amerikanischen Auswanderern, wird oft als noch rechter als Netanjahu beschrieben. Er diente dem Noch-Ministerpräsidenten als Verteidigungsminister und schaffte es nun, an die Spitze des Landes zu kommen, obwohl seine Partei bei den Parlamentswahlen im März lediglich 7 von 120 Sitzen gewinnen konnte.
Sein Kalkül brachte ihm also das Amt des Ministerpräsidenten ein, jedoch nur bis zum 27. August 2023, dann soll Yair Lapid übernehmen.
Lapids Zukunftspartei war bei der Wahl im März zweitstärkste Kraft hinter dem rechtskonservativem Likud von Netanjahu geworden. Seine Partei gewann 17 der 120 Sitze.
Er stieg vor neun Jahren nach einer Karriere als Fernsehmoderator in die Politik ein. In einer früheren Netanjahu-Regierung diente er als Finanzminister. Er gilt als Zentrist und Hoffnungsträger für säkulare Israelis.
Einer der unerwartetsten Königsmacher ist Mansour Abbas, Chef der kleinen arabischen Partei, die unter ihrem hebräischen Akronym Raam bekannt ist und vier Sitze im derzeitigen Parlament hat.
Abbas stimmte in letzter Minute zu, der Koalitionsregierung beizutreten, obwohl seine Partei keine Sitze im Kabinett bekommen wird. Das ist doppelt kurios: Es ist das erste Mal in der Geschichte Israels, dass eine arabische Partei einer rechtsgerichteten Koalition beitritt.
Zudem sind arabische Parteien seit Jahrzehnten nicht mehr direkt an israelischen Regierungen beteiligt. Sie wurden von den anderen Parteien meist gemieden und sind selbst misstrauisch, einer Regierung beizutreten, die die Besatzung der palästinensischen Gebiete und Israels Militäraktionen überwacht.
Die Partei Abbas' gilt als gemässigt islamistisch. Sie ist für die Gründung eines unabhängigen Palästinenserstaates. Dies könnte die Arbeit der Lapid-Koalition erschweren. Und hier zeigt sich auch das Problem der Koalition: Ihre politischen Ziele liegen weit auseinander. Ihr einziger gemeinsamer Nenner: Sie wollen alle Netanjahu loswerden.
Sagt wohl genug warum NetanNeindu weg muss. Vor allem auch weil er eine korrupte....... Ist.
So gesehen ist auch eine kurzlebige Allianz nützlich.
Dass Netanjahu weg ist, ist gut. Dass er durch eine Person ersetzt wird, die noch rechter ist als er, weniger. Hoffentlich tritt er in der Koalition gemässigter auf, noch mehr Provokationen verträgt diese Region nicht.