Nach tagelangen Protesten in Kolumbien gegen eine umstrittene Steuerreform und dem Rücktritt des Wirtschaftsministers zeigen sich die Vereinten Nationen alarmiert wegen Berichten über exzessive Polizeigewalt. «Wir sind äusserst besorgt über die Informationen, die wir heute über eine unbestätigte Anzahl von getöteten und verletzten Menschen in Cali erhalten», schrieb die Vertreterin der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte in dem südamerikanischen Land, Juliette de Rivero, am Dienstag auf Twitter.
In der Nacht zu Dienstag war es vor allem in Cali wieder zu von Polizeigewalt überschatteten Demonstrationen gekommen. Kolumbianische Medien berichteten von mehreren, teils schwer verletzten Menschen. Berichte über weitere Tote wurden wie in den vergangenen Tagen zunächst nicht offiziell bestätigt. Die nationale Ombudsstelle hatte am Montag eine Untersuchung von 19 Todesfällen während der Protesttage gefordert. Demonstranten zündeten in Cali unter anderem eine Polizeistation und ein Hotel an, in dem Polizisten untergebracht waren. Die Hauptzugangsstrassen nach Cali sind blockiert und der Flughafen der Millionenstadt gesperrt.
Tausende Kolumbianer demonstrieren seit vergangenen Mittwoch gegen eine vom damaligen Wirtschaftsminister Alberto Carrasquilla angestossene und inzwischen zurückgezogene Steuerreform. Die Regierung wollte unter anderem die steuerlichen Freibeträge senken, die Einkommenssteuer für bestimmte Gruppen erhöhen und die Befreiung von der Mehrwertsteuer für eine Reihe von Waren und Dienstleistungen abschaffen. Damit sollten die von der Corona-Krise verursachten Defizite im Staatshaushalt ausgeglichen werden. In der Nacht auf Sonntag hatte Präsident Iván Duque auch den Einsatz des Militärs zur Unterstützung der Polizei genehmigt.
Immer wieder wendet die Polizei in Kolumbien bei Demonstrationen übermässige Gewalt an, etwa im November 2019, als mehrere Menschen ums Leben kamen, unter ihnen der Schüler Dilan Cruz. Die Polizei ist in dem südamerikanischen Land aufgrund der Erfahrungen aus Konflikten etwa mit linken Guerillagruppen und rechten Paramilitärs dem Verteidigungs-, nicht dem Innenministerium unterstellt. (sda/dpa)