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Sinkende Geburtenrate: Wie die 1-Kind-Politik China verändert hat

A woman wearing a face mask to protect against the spread of the coronavirus twirls a jumprope for a girl at Ditan Park in Beijing, Tuesday, Feb. 9, 2021. The park, which would normally host one of th ...
Ein Mädchen spielt in einem Park in Peking.Bild: keystone

«Niemand will noch Kinder haben»: Wie die 1-Kind-Politik China nachhaltig verändert hat

10.02.2021, 08:14
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Die Zahl der Geburten in China ist im vergangenen Jahr drastisch auf einen «alarmierenden» Tiefstand gefallen. Im Vergleich zum Vorjahr seien 15 Prozent weniger Neugeborene amtlich gemeldet worden, berichtete das Ministerium für öffentliche Sicherheit in Peking. Die Zahl sei von 11.79 auf 10.04 Millionen gefallen. Experten warnten am Mittwoch vor einer Überalterung im bevölkerungsreichsten Land der Erde, die damit noch deutlich schneller als erwartet voranschreitet. Das werde das Wachstum der zweitgrössten Wirtschaftsnation bremsen.

Die jährliche Geburtenrate hatte nach Angaben des Statistikamtes bereits 2019 den niedrigsten Stand seit Gründung der Volksrepublik 1949 erreicht. Als Gründe wurden die hohen Kosten für Bildung und Wohnungen in China genannt. Auch geht die Zahl der Eheschliessungen zurück, während die Scheidungsrate in China hoch ist. Viele Paare warten auch mit der Heirat und gründen erst später Familien.

Chinas Geburtenrate bis 2019:

Bild
Quelle: Weltbank

Die Aufhebung der seit 1979 geltenden Ein-Kind-Politik hatte 2016 nur zu einem leichten Anstieg der Geburten geführt, doch ist die Zahl seither jedes Jahr weiter gefallen. Das genaue Ausmass des Rückgangs wird sich im April zeigen, wenn das Statistikamt die Zahlen für 2020 vorlegen will. Experten wiesen darauf hin, dass die berichtete Zahl der neu beantragten Wohnortregistrierungen (Hukou) nicht alle Geburten abbilden, da viele Babys auch nicht angemeldet werden.

A man holds his newborn baby in hospital during the peak of the COVID-19 outbreak in Wuhan, China in a scene from the documentary "76 Days." The film, shot in four Wuhan hospitals, captures  ...
Hat in China fast schon Seltenheitscharakter: Ein Mann hält sein Neugeborenes in den Armen.Bild: keystone

Doch der besorgniserregende Trend ist klar: «Niemand will noch Kinder haben», sagte der Familienplanungsexperte und bekannte Autor Yi Fuxian von der amerikanischen Universität von Wisconsin der Deutschen Presse-Agentur in Peking. Die jahrzehntelange Ein-Kind-Politik habe «das Fruchtbarkeits-Konzept der Menschen verändert». «Die Menschen haben sich daran gewöhnt, nur ein Kind zu haben», sagte Yi Fuxian. «Das Konzept ist tief verwurzelt und nur schwer zu ändern.»

«Die Menschen haben sich daran gewöhnt, nur ein Kind zu haben»
Familienplanungsexperte und Autor Yi Fuxian

Auch seien die Ausgaben, um Kinder in China gross zu ziehen, höher als selbst in fortschrittlicheren Wirtschaftsnationen wie Taiwan oder Südkorea. «Auf der einen Seite ist die Scheidungsrate in China hoch, auf der anderen gehen die Trauungen zurück», sagte Yi Fuxian. «Das ist sehr beunruhigend.» Er warnte vor den wirtschaftlichen Folgen der Überalterung und des Rückgangs der arbeitsfähigen Bevölkerung.

«Wenn die Zahl der Arbeitskräfte geringer wird, beginnt der Niedergang der Wirtschaft»
Familienplanungsexperte und Autor Yi Fuxian

«Wenn die Zahl der Arbeitskräfte geringer wird, beginnt der Niedergang der Wirtschaft», sagte der Experte. Chinas Wachstum werde abflachen. Nach Schätzungen werde der Zuwachs in China in den Jahren 2030 bis 2035 langsamer ausfallen als in den USA, sagte Yi Fuxian. «Es wird unmöglich, die USA als grösste Volkswirtschaft abzulösen.» Experten wiesen auch darauf hin, dass weniger Menschen in Arbeit in China damit immer mehr Ältere versorgen müssen. Heute ist schon jeder fünfte Chinese über 60 Jahre alt.

Die Zeitung «Global Times», die vom kommunistischen Parteiorgan «Volkszeitung» herausgegeben wird, sprach von einer «Warnschwelle», die mit nur noch zehn Millionen gemeldeten Neugeborenen unterschritten worden sei. (meg/sda/dpa)

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Babys, wie du sie bis jetzt vermutlich noch nie gesehen hast
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So würde ein Baby mit Zähnen aussehen.
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Schatten und Kinder: Einfach herrlich :)
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46 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Rethinking
10.02.2021 08:24registriert Oktober 2018
Das hört sich für mich nach einer Lösung für das Problem Überbevölkerung an...

Ist ha nicht so das es zu wenig Menschen gäbe...

Ganz im Gegenteil. Wir vermehren und noch immer exponentiell und rotten gleichzeitig alle anderen Lebewesen aus...
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Cirrum
10.02.2021 08:38registriert August 2019
Good News! In Zukunft braucht es sowieso weniger Arbeitskräfte und das Wachstum muss sowieso aufhören... Wieso sollte man den Kindern diese Zukunft antun, die kommen wird...
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beaetel
10.02.2021 08:30registriert Januar 2014
Japan zeigt, dass Überalterung per se noch kein Weltuntergang sein muss. Was Chinas Jugendliche 1989 nicht schafften, schafft vielleicht Chinas Überalterung. Mehr Demokratie. Kapitalismus, das beweist China tagtäglich, funktioniert unter diktatorischen Bedingungen (Eine Partei, ein Führer) tiptop. Wie lange das gut geht, wenn man Andersdenkende, also Denkende unterdrückt, wird sich noch weisen.
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