Nach der Vergiftung des Kremlkritikers Alexej Nawalny hat ein russisches Gericht das Vorgehen der Behörden bestätigt, die noch keine Ermittlungen in dem Fall begonnen haben. Die Richter in Moskau wiesen am Freitag eine Beschwerde des Anwalts von Nawalny dagegen zurück, wie die Staatsagentur Tass meldete.
Sein Antrag sei in der gesetzlich festgelegten Frist geprüft und an die zuständigen Ermittlungsbehörden weitergeleitet worden.
Das Team des Oppositionellen hatte eine Anzeige erstattet, kurz nachdem Nawalny vor rund zwei Wochen auf einem Inlandsflug von Sibirien nach Moskau das Bewusstsein verloren hatte und in ein Krankenhaus gebracht worden war. Die Polizei im sibirischen Tomsk hatte daraufhin «Vorermittlungen» eingeleitet.
Der Kreml hatte das Vorgehen der Polizei zuletzt verteidigt, erst dann zu ermitteln, wenn feststehe, dass Nawalny tatsächlich vergiftet worden sei. Die Generalstaatsanwaltschaft sah dafür bislang keine Hinweise, hat aber ein Rechtshilfeersuchen in Deutschland gestellt.
Die deutsche Regierung hatte am Mittwoch nach Untersuchungen eines Spezial-Labors der Bundeswehr mitgeteilt, dass sie es als zweifelsfrei erwiesen ansehe, dass Nawalny mit dem Nervengift der Nowitschok-Gruppe vergiftet worden sei. Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach von einem «versuchten Giftmord».
Der 44 Jahre alte Jurist ist einer der schärfsten Kritiker von Präsident Wladimir Putin. Nawalnys Team geht davon aus, dass Putin den bekannten Oppositionellen ausschalten wollte. Der Kreml hatte am Donnerstag wiederholt eine Verwicklung in dem Fall zurückgewiesen.
Ärzte in der sibirischen Stadt Omsk, wo Nawalny behandelt wurde, teilten am Freitag mit, dass der 44-Jährige vor dem Vorfall fünf bis sieben Tage Probleme mit der Verdauung und Ernährung gehabt habe. Die Mediziner hatten zuvor von Stoffwechselstörungen gesprochen.
Die EU droht Russland nach der Vergiftung des Kremlkritikers Alexej Nawalny offen mit Sanktionen. In einer am Donnerstagabend veröffentlichten Erklärung heisst es, die Europäische Union rufe zu einer gemeinsamen internationalen Reaktion auf und behalte sich das Recht vor, geeignete Massnahmen zu ergreifen. Dazu gehörten auch Sanktionen.
«Die russische Regierung muss alles dafür tun, um dieses Verbrechen gründlich in aller Transparenz aufzuklären und um die Verantwortlichen vor Gericht zu bringen», heisst es in der vom EU-Aussenbeauftragten Josep Borrell im Namen der Mitgliedstaaten veröffentlichten Erklärung. «Straffreiheit darf und wird nicht akzeptiert werden.» Der Einsatz chemischer Waffen sei unter keinen Umständen akzeptabel und stelle einen schweren Verstoss gegen das Völkerrecht und die internationalen Menschenrechtsnormen dar.
«Die Europäische Union verurteilt den Mordversuch gegen Alexej Nawalny auf das Schärfste», heisst es. (aeg/sda/dpa)