Wladimir Putin lässt seine Armee an der Grenze zur Ukraine und auf der Krim aufmarschieren. Kommt es zur Eskalation? Und was macht der Westen? Fünf Fragen und Antworten.
Seit Ende März hat Russlands Präsident Wladimir Putin Kampftruppen und schweres Gerät an die Grenze zur Ostukraine und auf die besetzte Krim-Halbinsel verlegt. Der ukrainische Verteidigungsminister Andrij Taran sagte am Mittwoch, Russland habe entlang der gemeinsamen Grenze «insgesamt 110000 Soldaten» zusammengezogen. In den letzten Wochen ist es vermehrt zu Gefechten an der sogenannten Waffenstillstandslinie gekommen. Auch die Ukraine hat Truppen in den Osten und nahe der besetzten Krim-Halbinsel verlegt. Beide Seiten decken einander mit Kriegsdrohungen ein. Der russische Aussenminister Sergej Lawrow sagte kürzlich, der Versuch, einen neuen Krieg vom Zaun zu brechen, werde mit der «Zerstörung der Ukraine» enden.
Niemand kann das sagen, weil niemand weiss, was Putin wirklich im Sinn hat. Der Minsker-Friedensprozess, mit dem der schwelende Konflikt zwischen Russland und der Ukraine beendet werden soll, ist auf Eis gelegt. Klar ist: Ein neuer Krieg hätte für beide Seiten schwere Folgen. Bis heute sind in der Ostukraine über 13000 Menschen durch den seit 2014 andauernden Konflikt ums Leben gekommen. Die ukrainische Armee wurde in den letzten Jahren auch vom Westen mit modernen Waffen versorgt. Statt einem kurzen Eroberungsfeldzug wie in Georgien im Jahr 2008 wäre Russland in der Ostukraine heute wohl mit einem länger dauernden Krieg konfrontiert.
Das Verteidigungsbündnis hat mehrmals seine Unterstützung für die territoriale Integrität der Ukraine betont. «Die Nato steht an der Seite der Ukraine», sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg am Dienstag nach einer Krisensitzung mit dem ukrainischen Aussenminister. Auch US-Präsident Joe Biden versicherte seinem Amtskollegen Wolodimir Selenski seinen Beistand. Direkt eingreifen wird die Nato in den Konflikt aber kaum. Die Ukraine ist kein Nato-Mitglied und wird es auf absehbare Zeit auch nicht werden. Sehr wahrscheinlich ist, dass die Nato zusätzliche Waffen an die Ukraine liefert und die Armee weiter bei der Ausbildung ihrer Truppen unterstützt.
Russland sagt stets, dass es nur die russischen Staatsbürger in den abtrünnigen ukrainischen Provinzen Donezk und Lugansk schützen wolle. In den letzten Jahren hat Moskau dort über 400000 russische Pässe ausgegeben. Viele Beobachter sind sich einig, dass dies nur als Vorwand für einen Angriff dienen würde. Entscheidend dürfte sein, dass Putin sehen will, wie der neue US-Präsident Joe Biden unter Druck reagiert. Dieser hatte den Kreml-Chef kürzlich in einem Interview als «Killer» bezeichnet, was Putin gar nicht gefallen hatte. Diese Woche hat Biden den russischen Präsidenten in einem Telefonat vor einer weiteren Eskalation gewarnt und ihm gleichzeitig ein Gipfeltreffen in einem Drittstaat vorgeschlagen.
Die USA haben am Donnerstag neue Sanktionen gegen Russland verhängt. Sie sind die Quittung für einen Cyberangriff auf eine US-Firma im vergangenen Jahr, die Einmischung in die US-Präsidentschaftswahlen und das Anbieten von Kopfgeld auf getötete US-Soldaten in Afghanistan. Unter anderem wird US-Banken untersagt, Russland mit Krediten zu versorgen. Zudem wirft die USA zehn russische Diplomaten aus dem Land. Der Zeitpunkt der Sanktionen dürfte bewusst gewählt worden sein. Ob sie in Moskau viel Eindruck erwecken, sei dahingestellt.International · Seite 9, Artikel 2/4