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Südafrika verhängte wegen Corona ein Tabak-Verkaufsverbot – mit Folgen

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Rauchen aus Protest gegen das Tabak-Verkaufsverbot.Bild: keystone

Den Südafrikanern raucht der Kopf – weil die Regierung 10 Millionen auf Entzug setzt

Zur Bewältigung der Coronakrise hat die südafrikanische Regierung im März einen Tabakbann verhängt. Die Wirkung davon ist umstritten, profitieren tut vor allem der Schwarzmarkt.
29.06.2020, 15:03
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Um was geht's?

Katlego Tshiloane (34) raucht vor Wut – allerdings nur im übertragenen Sinne. «Dieser Tabak-Bann macht keinen Sinn», schimpft der Südafrikaner aus Johannesburgs Vorort Soweto.

Früher hat er zwischen 10 und 20 Zigaretten pro Tag geraucht – das war vor den Ende März verhängten strikten Corona-Beschränkungen. Seitdem gab es zwar diverse Lockerungen, doch der Tabakbann hat sehr zum Ärger der Raucher des Landes bis heute Bestand.

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De facto befindet sich damit eine ganze Nation seit mehr als drei Monaten in der wohl grössten Raucher-Entzugskur der Geschichte. Die Tabakindustrie ist auf den Barrikaden, Verbraucherschützer wittern schwere Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte, Ökonomen warnen vor Steuerverlusten.

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Ein Demonstrant raucht aus Protest vor dem Parlamentsgebäude in Cape Town eine Zigarette.Bild: keystone

Viele Raucher bedienen sich auf dem Schwarzmarkt mit dubiosem Ersatz wie Rooibosch-Zigaretten. «Ich habe es sogar mal mit grünem Tee in der Pfeife versucht», gesteht Philip Newmarch (75). Der Kapstädter hat als 18-Jähriger mit dem Rauchen begonnen – und war plötzlich von allem Nachschub abgeschnitten, als die Vorräte aufgebraucht waren. «Die letzte richtige Zigarette habe ich Mitte April geraucht», sagt er.

«Die letzte richtige Zigarette habe ich Mitte April geraucht.»
Philip Newmarch (75)

Wie wird der Tabak-Bann begründet?

Die zuständige Ministerin Nkosazana Dlamini-Zuma hatte den Bann damit begründet, dass Raucher gefährdeter für Komplikationen durch Covid-19 seien und das Gesundheitssystem strapazieren könnten.

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Bild: keystone

Zwar hatte ein Gericht Anfang Juni befunden, der Tabakbann und ähnliche Massnahmen stünden rational nicht im Zusammenhang mit einer Begrenzung der Covid-19-Infektionen. Doch vergangenen Freitag gab ein anderes Gericht in Pretoria der Ministerin Recht und wies eine Klage der unabhängigen FITA-Tabakproduzenten ab. Dabei hatte Johnny Moloto gewarnt: «Der fortwährende Bann für den legalen Tabakverkauf bedroht das Überleben des Tabaksektors.» Der Manager vertritt die Interessen des Tabakkonzerns British American Tobacco South Africa (BATSA), mit einem Marktanteil von 78 Prozent Südafrikas grösster Tabakkonzern.

Der warnt vor den ökonomischen Folgen und argumentiert, dass die Branche dem Fiskus 2019 rund 13 Milliarden Rand (rund 678 Millionen Euro) an Steuern in die Staatskassen spülte. Sein Eil-Antrag vor Gericht auf Abschaffung des Banns wurde zuletzt überraschend auf Anfang August verschoben.

Rauchen macht dünn, gesund und glücklich! ... sagen diese Vintage-Werbungen für Zigaretten

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Früher galt Rauchen noch als vornehm. Und scheinbar auch als gesund.
Bild: pinterest.
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Der Schwarzmarkt regelt

Lisa Williams (61) aus Pretoria, die seit 20 Jahren dem Tabakgenuss frönt, glaubt daher nicht an eine baldige Aufhebung.

«Anfangs habe ich Vorräte für drei Wochen angelegt, dann war Schluss», sagt die Yoga-Lehrerin. Noch hat sie keine Entzugserscheinungen: Wie andere auch hat sie den Schwarzmarkt entdeckt. Dort ist viel starker Tobak dubioser Qualität zu haben, meint der Johannesburger Pocha Ngulube, der seine Zigaretten einzeln kauft. «Früher kostete eine 3 Rands», sagt er. Heute hat er sie mit viel Glück für 5 Rands gekauft.

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Ein Demonstrant hält vor dem Parlamentsgebäude in Cape Town ein Protestschild hoch.Bild: keystone

Auch Tshiloane bestätigt, dass Zigaretten problemlos zu haben seien. Die Preise sind aber hoch. Kostete die Stange Markenzigaretten einst 420 Rands (21.50 Euro), so fordern Schwarzmarkthändler nun 650 Rands (33.30 Euro). «Bei Markenzigaretten reichen die Preise sogar bis zu 1800 Rands (92.20 Euro)», weiss Williams. Der Autor Max Du Preez rügt daher, der Bann habe die grösste Verbrechenswelle in Südafrikas Geschichte ausgelöst, legt man die Zahl der individuellen Überschreitungen zugrunde. Millionen Bürger hätten erstmals Gesetze gebrochen. «Tausende Jobs sind in der Wirtschaft gefährdet, während die Kriminalität zur neuen Normalität wird», klagt Manager Moloto.

Rauchen jetzt weniger?

Die Regierung dagegen glaubt, dass durch den Schwarzmarkt teilweise die negativen ökonomischen Folgen des Tabakbanns kompensiert werden. Sie hofft zudem, dass gut 10 Prozent der Raucher ihr Laster aufgeben – bei knapp zehn Millionen Rauchern im Lande wär das eine Million.

«Ich habe seit 33 Jahren geraucht, bin aber panisch geworden bei der Ausweitung des Lockdown.»
Susan Gordon

Bei Susan Gordon war das der Fall. Bis zu den Coronabeschränkungen war sie eine starke Raucherin. «Ich habe seit 33 Jahren geraucht, bin aber panisch geworden bei der Ausweitung des Lockdown» erklärt die 50-Jährige aus Johannesburg und meint: «Ich wusste, ich würde nicht genügend Zigaretten vorhalten können und hatte das Rauchen sofort drastisch reduziert». Als sie merkte, dass es auch ohne geht, beschloss sie mit medizinischer Unterstützung aufzuhören. «Aber ich denke dennoch, dass der Bann einfach lächerlich ist», kritisiert sie.

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Bild: keystone

Auch bei einigen Fans der ebenfalls verbotenen E-Zigaretten zeigt der Bann Wirkung. Nachdem der Akademiker Salim Vally sich zunächst über dubiose Quellen mit Nachschub eingedeckt hat, gab er vor drei Wochen auf. «Der Bann hat bei mir wie ein Katalysator gewirkt», gibt er zu. (jaw/sda/dpa)

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Als Rauchen noch als vornehm galt
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Als Rauchen noch als vornehm galt
John Lennon 1969 in Toronto, Kanada. Es weht damals noch ein anderer Wind um rauchende Promis. Niemand stört sich gross daran, dass die Stars paffen – für die Nachteile des Tabakkonsums gibt es nicht so ein Bewusstsein wie heute.
quelle: zuma dukas dukas / ?? 2005 by jeff goode/toronto star
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Der Rauchende Schimpanse
Video: watson
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23 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Ökonometriker
29.06.2020 15:42registriert Januar 2017
Es gibt ja sehr viele gute Gründe mit dem Rauchen aufzuhören, aber Schutz vor Corona ist höchst wahrscheinlich keiner. Ja, Raucher haben zwar öfters Komplikationen vom Virus. Aber sie bekommen das Virus massiv seltener und verbreiten es weniger gut. Das geht soweit, dass man jetzt versucht, diesen schützenden Effekt des Rauchens mit Nikotinpflastern zu simulieren.

Nicht, dass man jetzt mit dem Rauchen anfangen sollte - Rauchen tötet noch mehr Leute als Corona - aber ein Tabakverbot ist sicher der falsche Weg, um das Virus in den Griff zu kriegen.
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Cirrum
29.06.2020 15:48registriert August 2019
Immer wieder unglaublich, wie ein paar Menschen etwas entscheiden und die Massen müssen sich danach richten...
Genau das Selbe hier mit Cannabis.. ist genau so lächerlich, sogar noch eine Stufe höher, denn es ist niemals so Gesundheitsschädlich wie Tabak... Grundsätzlich soll doch jeder Mensch mit seinem Körper machen dürfen, was er will, solange er niemandem dabei schadet!
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saukaibli
29.06.2020 16:27registriert Februar 2014
Also wenn man die weltweiten Corona-Zahlen anschaut, ist jetzt der schlechteste Zeitpunkt überhaupt um mit dem Rauchen aufzuhören. Denn eines gleicht sich in allen Ländern: Raucher sind sowohl bei den Infizierten als auch bei den schweren Fällen prozentual zum Raucheranteil in der Bevölkerung massiv untervertreten. Französische Forscher am Hôpitaux de Paris führen sogar Studien durch und gehen davon aus, dass Nikotin die Rezeptoren blockieren könnte, an die das Virus andockt. Wäre lustig, wenn das grundlos verteufelte Nikotin plötzlich hilfreich wäre, die WHO wäre übelst in Erklärungsnot :-D
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