Bislang sind auf der Risikoliste des Robert Koch-Instituts (RKI) aus der Schweiz nur die Kantone Genf und Waadt gelistet. Doch die aus dem Ruder laufenden Coronazahlen in der Schweiz sind auch der Bundesregierung in Berlin nicht verborgen geblieben. In den meisten Kantonen – darunter Zug, Jura, Neuenburg, Schwyz, aber auch im Kanton Zürich – sind die Infektionen derart hoch, dass sie nach deutschem Massstab längst als Risikogebiete einzustufen wären.
Deutschland orientiert sich bei der Definition von Risikogebieten seit Frühjahr an der sogenannten 7-Tage-Inzidenz. Diese Kennziffer sagt aus, wie viele Menschen in einer bestimmten Region in sieben Tagen neu am Coronavirus erkrankt sind – und zwar nicht in absoluten Zahlen, sondern bezogen auf jeweils 100'000 Einwohner.
Wird der Wert von 30 Infektionen auf 100'000 Einwohner überschritten, kommen innerhalb Deutschlands moderatere Gegenmassnahmen zum Zug. Wird der Wert von 50 Infektionen geknackt, greifen Restriktionen wie aktuell etwa in Berlin, Hamburg oder München, wo Kneipen früher schliessen müssen und es Kontaktbeschränkungen im öffentlichen Raum gibt.
Die 7-Tage-Inzidienz wird mit Ausnahme von fünf Kantonen (AG, GL, BL, BS, SH) bereits an diesem Montag zum Teil massiv überschritten - doch noch zögern die zuständige Ministerien in Berlin, den überwiegenden Teil des südlichen Nachbarlandes auf die Risikoliste zu setzen. Denn die Konsequenzen der Risiko-Einstufung sind enorm – wer aus einem RKI-Risikogebiet nach Deutschland zurückkehrt, muss entweder einen aktuellen, negativen Covid-Test vorweisen oder sich für 14 Tage in Quarantäne begeben.
Gemessen an den deutschen Massstäben weist die gesamte Schweiz fast 90 Covid-Fälle auf 100'000 Einwohner aus - und wäre demnach insgesamt ein Risiko-Land. Zum Vergleich: Deutschland weist trotz einiger Hotspots weniger als 30 Fälle auf 100'000 Einwohner aus.
Finden sich nach Genf und Waadt demnächst weitere Kantone auf der RKI-Risikoliste? Nach den Worten der Bundesregierung dürfte dies in den nächsten Tagen der Fall sein. «Wir stehen in einem stetigen Austausch mit dem Innenminister und dem Auswärtigen Amt. Wir werden uns zur Schweiz weiterhin austauschen und gegebenenfalls weitere Kantone in die Risikoliste aufnehmen», sagte gestern der Sprecher des Gesundheitsministeriums auf Anfrage. Und fügte hinzu: «Ausschlaggebend hierfür ist die 7-Tage-Inzidenz.» Bleibt die Regierung in Berlin ihrer Linie treu, muss sie also in Sachen Schweiz handeln.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Felix Schreiner, Vorsitzender der Deutsch-Schweizerischen Parlamentariergruppe im Bundestag, hält Debatten über eine Ausweitung der gesamten Schweiz zum Risikogebiet für wenig hilfreich.
Der 34-Jährige verweist auf Zehntausende von Grenzgängern, die täglich von Deutschland in die Schweiz zur Arbeit pendeln. «Natürlich sehen wir die Entwicklung in der Schweiz mit Sorge. Aber was wir jetzt brauchen, ist eine gemeinsame Strategie der Schweiz und Deutschland anstelle einer Debatte über Grenzschliessungen oder Risikogebiete», mahnt der Baden-Württemberger.
Schreiner bedauert, dass der Datenaustausch der Covid-App zwischen Deutschland und der Schweiz noch immer nicht auf den Weg gebracht werden konnte: «Das würde die Rückverfolgung von Corona-Infektionen im Grenzraum erleichtern.»
Der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sei mit dem Schweizer Bundesrat im Gespräch über eine koordinierte Nutzung der jeweiligen Covid-App. «Ich hoffe, dass die Bundesregierung mit dem Schweizer Bundesrat zeitnah eine Lösung für dieses Problem findet», so Schreiner.
Auch bei den Corona-Massnahmen hofft Schreiner auf ein einheitlicheres Vorgehen der beiden Länder: «Ich stelle fest, dass die Menschen in der Schweiz in den öffentlichen Verkehrsmitteln oder im Einkaufszentrum lange Zeit keine Maske tragen mussten, während die Maskenpflicht in Deutschland längst eingeführt war. Ich wünsche mir hier ein einheitlicheres Vorgehen.» (bzbasel.ch)
Wer kann dies auch nur im Ansatz erklären?