Vanessa Jaiteh verliess Palau kurz nach unserem Interview Ende 2019 und zog mit ihrer vierköpfigen Familie nach Neukaledonien, wo der zweite Teil ihres vom Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (SNSF) unterstützten Projekts stattfand. Allerdings erfuhren sie dort nach zweieinhalb Monaten, dass ihre Visa-Informationen falsch waren. Die Visaverlängerung war nur im Ausland möglich. Da die Botschaft in Sydney über Monate ausgebucht war, wollten sie über Australien nach Vanuatu und sich das Visum dort besorgen, damit sie möglichst schnell wieder nach Neukaledonien konnten.
«Am 8. März 2020 verliessen wir Neukaledonien mit zwei Koffern, voll mit genügend Kleidern und Spielzeug für etwa zwei bis drei Wochen. Die Pandemie war damals noch weit weg.» Das änderte sich aber schnell und die unsichere Lage veranlasste sie dazu, 24 Stunden vor dem Weiterflug am 16. März diesen verstreichen zu lassen. «Ein Jahr später sind wir noch immer in Australien», schreibt Jaiteh. So entgingen sie zwar dem Zyklon, der kurz darauf auf Vanuatu wütete, sind seither aber «hoffnungsvolle Nomaden». Sie wohnten im letzten Jahr bei Schwiegereltern, ihrem Vater, Ferienwohnungen, Freunden und AirBnB-Wohnungen. 14 Umzüge kamen zusammen, dazu mehrere Lockdowns mit zwei kleinen Kindern.
Pläne für die Zukunft bestehen. So will die Familie Mitte April im Rahmen eines neuen Forschungsprojekts in die Schweiz und ab August nach Ghana. Offen ist aber noch das Schweiz-Visum für Ehemann Steve und ob die Familie eine Ausreisebewilligung aus Australien, dessen Grenzen geschlossen bleiben, erhalten wird. «Wir sind aber optimistisch», sagt Jaiteh.
Konkret will sie in Ghana Verbindungen zwischen mangelhaften Sicherheitsvorkehrungen auf Fischereischiffen und möglichen Menschenrechtsverletzungen auf See aufzeigen. Das soll zu besseren Arbeitsbedingungen, Transparenz im Fischfang und der Herkunft von Meeresfrüchten führen – Stichwort: «Slavery-tainted tuna» (in etwa: Thunfischfang, welchen Fischer unter moderner Sklaverei leisten müssen). Auch dieses Projekt wird vom SNSF unterstützt.
Corona verhinderte auch andere Pläne. Lange hatten sie gehofft, Weihnachten 2020 in der Schweiz zu verbringen und den Kindern einen echten Weihnachtsbaum und richtigen Schnee zu zeigen. Zudem starben Jaitehs zwei letzten Grosselternteile. Sie konnte weder zu einem letzten Besuch, noch zur Beerdigung. Trotzdem kann sie sagen: «Alles in allem bin ich jedoch dankbar, dass es uns gut geht und wir bis jetzt immer irgendwie eine Lösung gefunden haben. Ich glaube, man muss Enttäuschungen und das Ringen mit der neuen Realität zulassen können, ohne darin unterzugehen. Bewusst Dankbarkeit zu üben für das viele, das gut, schön und positiv ist, hat mir dabei in diesem Jahr sehr geholfen.»
«Sind wir nicht zu beneiden?» So beendet Fredy Gull seine E-Mail. Seine Wahl-Heimat, die zu den Föderierten Staaten von Mikronesien gehörende Insel Yap, ist weiterhin Corona-frei. Es gibt keine Masken, keinen Abstand, alle können sich frei bewegen.
«Man kann gehen, wann man will. Aber zurück kommt man nicht mehr», erzählt Gull. Yap hat die Grenzen nämlich dicht gemacht. Nicht einmal Yapesen kommen mehr rein, wenn sie im Ausland gestrandet sind.
«Es wird geimpft, was das Zeug hält, ich erhielt meine zweite Dosis am 26. Februar», berichtet Gull. Das Hotel ist logischerweise noch geschlossen, weshalb er aktuell vom Gesparten lebt. «Bier habe ich noch 700 Liter. Es geht nur sehr wenig weg, vielleicht ein 10-Liter-Fass pro Woche. Das Bier hat kein Verfallsdatum, wir trinken es, bis es nicht mehr geniessbar ist», schreibt er weiter. Sie sind wahrlich zu beneiden auf Yap.
Lukas Steiner absolviert aktuell seinen zweiten Master-Studiengang, den er in St.Gallen und Lissabon besucht. «Mir geht es super, jammern hilft eh nichts», verkündet er aus Portugal. Nach seiner langen Veloreise nach Kapstadt half ihm die Pandemie gar, um sich auf das Studium zu fokussieren. Dank der Fernunterricht-Regelung konnte er auch einen Monat von Madeira aus den Online-Vorlesungen folgen.
Seine Veloreise half ihm, dass er unbeschwerter durchs Leben geht, weniger plant, sich mehr von der Spontanität leiten lässt und weiss: «Auch wenn man mal Pech hat oder es nicht läuft wie gewünscht: Es geht immer weiter.» Die positive Einstellung helfe ihm sehr während der Pandemie. «Vor allem habe ich durch die Reise gemerkt, in was für einer privilegierten Lebenssituation wir uns in der Schweiz befinden und ich habe diese schätzen gelernt. Jammern hilft nicht, man muss es akzeptieren und neue Wege finden.»
So suchte Steiner auch Möglichkeiten, um seinen Abenteuertrieb auszuleben. Statt durch Afrika zu radeln, wanderte er im Sommer von Andermatt nach Locarno: «Das war ein super Erlebnis, welches ich ohne Corona kaum absolviert hätte.»
Doch das Fernweh spürt Steiner weiterhin: «Wenn ich wieder mal einen Monat frei hätte und problemlos reisen könnte, würde ich beispielsweise gerne mit einem Esel durch den Wachankorridor in Afghanistan wandern. Oder ich hätte auch sonst noch ein paar Ideen auf Lager», lacht er. Vorerst wird er voraussichtlich im Mai in die Schweiz zurückkehren und im Juni in Kapstadt ein Praktikum starten. «Dann werde ich nicht elf Monate bis Kapstadt benötigen, sondern nur elf Stunden.»
Vor zwei Jahren war Reto Scherraus-Fenkart der einzige Schweizer auf São Tomé und Principe. Dem ist nicht mehr so. Ein weiterer Schweizer zog in die Hauptstadt. Er hat mit seiner angolanischen Lebenspartnerin ein kleines, gemeinsames Kind. «Tja, meinen Status als einzigen Schweizer hab ich verloren. Wir sind jetzt also 2,5 Schweizer auf der Insel», erzählt Scherraus-Fenkart mit einem Lachen.
Dem Honorarkonsul geht es soweit gut. Oder wie er sagt: «Unkraut vergeht nicht.» Das Konsulat musste von Mai bis September aber geschlossen bleiben. Im November kehrte er auf die Insel zurück, zurzeit weilt er in Portugal, aber die Rückkehr nach São Tomé steht schon bald an. Dort gelten die bekannten Massnahmen wie Abstand halten und Maskenpflicht. Nicht überall werden sie gleich gut eingehalten. Im Fussballstadion wurde ein Notspital errichtet, das von kubanischen Ärzten geleitet wird. Eines der Hauptprobleme ist aber: «Die Menschen gehen sich nicht testen und selbst wenn sie Symptome haben, braucht es für viele Überwindung.»
Pläne, in die Schweiz zurückzukehren, gibt es nicht. Die Welt hat sich aber auch auf der kleinen Insel verändert: «Mein bester Freund begleitete mich auf São Tomé zum Flughafen. Wir blickten kurz über unsere Schultern und weil niemand da war, haben wir uns zum Abschied kurz innig umarmt, als wäre das ein Verbrechen.»
Hanspeter Gsell bereist als Inselsammler normalerweise die Südsee und da am liebsten abgelegene Inseln. Corona-bedingt sei dies zuletzt zu kurz gekommen: «Reisen auf pazifische Inseln mussten wir zurückstellen. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben», sagt Gsell. Die «freie Zeit» nutzte der Inselsammler für seine zweite Leidenschaft: mit «Immer wieder Südsee» hat er seine aktuellsten Abenteuer in ein sechstes Buch verpackt.
Zu Beginn des Jahres gab es noch eine weitere positive Nachricht für Gsell. Er wurde als erster Europäer in den Vorstand des Yap Visitors Bureau (Tourismusbüro von Yap) gewählt. Auch wenn da aktuell viele Aktivitäten ausgesetzt sind, wird sich Gsell ab sofort unter anderem darum kümmern, die Insel Yap den europäischen Besuchern näherzubringen.
Eine Reise nach Yap ist für November 2021 geplant. Und auch für 2022 stellt er sich bereits ein Reiseprogramm zusammen: «Im März geht es nach Polynesien und auf die Inseln Tahiti, Huahine, Raiatea, Maupiti, Cook-Islands (Aitutaki, Atiu und Avatiu) und Bora Bora.»
Pierre Duperrier lebt noch immer in Malabo, der Hauptstadt Äquatorialguineas. Das Coronavirus hat auch die Insel im Golf von Guinea erreicht. «Covid-19 hat unser Leben leider auch sehr verändert», schreibt er per E-Mail. In Malabo gilt aktuell eine Ausgangssperre von 19 bis 6 Uhr. Immerhin kann sein Restaurant jeweils bis 18 Uhr geöffnet bleiben. «Aber grosse Feste, Geburtstagsfeiern oder Hochzeiten sind verboten. Es ist also sehr schwierig, über die Runden zu kommen, zumal von der Regierung keine Hilfe kommt.» Sie versuchten das Mögliche, um ihre Angestellten zu unterstützen.
Als ob das nicht genug wäre, musste Duperrier wegen der Krankheit ins Spital, konnte dieses aber in der letzten Woche wieder verlassen. «Es wird von Tag zu Tag besser, da bin ich zuversichtlich», berichtet er.
So wird das Virus auch noch weiterhin den Alltag mitbestimmen. Eine baldige Rückkehr in die Schweiz ist nicht angedacht. Duperrier schreibt: «Das Leben geht weiter.»