International
US-Wahlen 2020

Wahlen USA 2020: Wie Donald Trump gerade die US-Demokratie untergräbt

Trump macht erneut haltlose Betrugsvorwürfe – erste Republikaner wenden sich ab

06.11.2020, 04:4206.11.2020, 12:26
Can Merey / dpa
Mehr «International»

Als Präsident Donald Trump in der Wahlnacht im Ostsaal des Weissen Hauses vor seine jubelnden Gäste trat, warf er sich in Siegespose. Ganz anders sein erster öffentlicher Auftritt seit dieser denkwürdigen Nacht.

>> US-Wahlen: Alle News im Liveticker

Beim 17-minütigen Monolog im Presseraum des Weissen Hauses wirkt Trump am Donnerstagabend gedämpft und gar nicht in der Kampfstimmung, wie man sie von seinen Wahlkampfauftritten kennt. Vom Zettel liest er eine lange Litanei an Vorwürfen über angeblichen Wahlbetrug ab, die bislang allesamt unbelegt sind.

Die Highlights:

Video: watson/lea bloch

Die Nachrichtenagentur AP verbreitet dazu ein Foto, das womöglich zukunftsweisend ist: Trump im Hintergrund am Podium, im Vordergrund ein Schild mit roten Lettern: «Exit», Ausgang.

President Donald Trump speaks at the White House, Thursday, Nov. 5, 2020, in Washington. (AP Photo/Evan Vucci)
Donald Trump,NAT Trump
Bild: keystone

Mit dem Rücken zur Wand

Er wolle die Amerikaner über seine «Bemühungen zum Schutz der Integrität unserer sehr wichtigen Wahl» informieren, sagt Trump. Was er eigentlich meint, sind seine Bemühungen, eine drohende Niederlage gegen seinen Herausforderer Joe Biden um jeden Preis abzuwenden. Trump behauptet, würden nur legitime Stimmen ausgezählt, würde er die Wahl «mit Leichtigkeit» gewinnen.

Der Präsident macht Manipulationen dafür verantwortlich, dass Biden in wichtigen Bundesstaaten aufholt. Er tut so, als wäre es bei einer Stimmenauszählung ausgeschlossen, dass ein Kandidat den anderen überflügeln könnte. Zumindest dann, wenn der ursprüngliche Spitzenreiter Trump heisst.

Unsere Analyse der ersten Rede:

Der Vorsprung schmilzt und schmilzt

«Das ist ein Fall, wo sie versuchen, eine Wahl zu stehlen», sagt Trump – mit «sie» meint der Republikaner Bidens Demokraten. «Sie versuchen, eine Wahl zu manipulieren. Und das können wir nicht zulassen.» Er beklagt, dass er in der Wahlnacht in Pennsylvania um 700'000 und in Georgia um 300'000 Stimmen vor Biden gelegen habe – und dass dieses Plus seitdem stetig abnehme.

Während er spricht, schrumpft sein Vorsprung in den beiden Bundesstaaten weiter zusammen. Trump will dagegen mit «einer Menge Klagen» vorgehen. «Letztendlich habe ich das Gefühl, dass die Richter entscheiden müssen», sagt er. Kurz danach verlässt er den Raum, ohne Fragen zu beantworten.

«Die unehrlichste Ansprache»

Der Moderator des Trump-kritischen Senders CNN sagt zu dem Auftritt: «Was für ein trauriger Abend.» Daniel Dale, ein CNN-Reporter, der es mit Trump-Faktenchecks zur Bekanntheit gebracht hat, meint auf Twitter: «Ich habe alle Ansprachen von Trump seit 2016 gelesen oder angeschaut. Das ist die unehrlichste Ansprache, die er je gehalten hat.»

In einem Tweet von Präsidentennichte Mary Trump – die vor einer Wiederwahl ihres Onkels gewarnt hat – heisst es: «So sieht es aus, wenn ein Verlierer verliert.» Allerdings wird Trump nicht nur von den üblichen Verdächtigen angegriffen. Mit seinen wilden Betrugsvorwürfen steht er auch im eigenen Lager zunehmend isoliert da.

Wo sind die Beweise?

Der republikanische Kongressabgeordnete Adam Kinzinger schreibt auf Twitter: «Wenn man berechtigte Bedenken wegen Betrugs hat, muss man Beweise vorlegen und sie vor Gericht bringen.» Die Verbreitung von Falschinformationen müsse aufhören. «Das wird langsam verrückt.»

Senator Pat Toomey – auch er ein Republikaner – sagt CNN: «Mir ist kein nennenswertes Ausmass an Betrug bekannt. Niemand hat mich auf etwas aufmerksam gemacht, das mich veranlasst zu sagen, dass es einen riesigen Betrugsfall gibt, der sofort angegangen werden muss.»

President Donald Trump walks away after speaking at the White House, Thursday, Nov. 5, 2020, in Washington. (AP Photo/Evan Vucci)
Donald Trump
Trumps Abgang nach seiner Rede.Bild: keystone

«Haltlose Behauptung»

Selbst bei Trumps Haussender Fox News klingt die Moderatorin nach dem Auftritt des Präsidenten zweifelnd. «Er sagt, wir haben so viele Beweise, so viele Belege, dass die Wahl gestohlen wurde», sagt sie. «Die müssten dann also vorgelegt werden, wenn es sie tatsächlich gibt.»

Was Trump ebenfalls schmerzen dürfte: Sogar die von ihm zuletzt hochgelobte Boulevardzeitung «New York Post» – die eine Wahlempfehlung für ihn aussprach – übt Kritik. «Präsident Trump wiederholte seine haltlose Behauptung, dass politische Gegner versuchten, die Wahl zu stehlen», schreibt das Blatt nach seinem Auftritt. Trump wolle nicht anerkennen, dass die Wahl noch im Gange sei – und dass legitime Stimmen ausgezählt würden. (sda/dpa)

Trumps ganzer Auftritt:

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
So wählen die Amerikaner
1 / 34
So wählen die Amerikaner
Ein "count every vote" Protestmarsch in Chicago. Die Wabash Avenue Brücke wurde aufgezogen, um die Protestierenden daran zu hindern, den Trump Tower zu erreichen.
quelle: keystone / ashlee rezin garcia
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Das sagten Biden und Trump in der Wahlnacht
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
146 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
kmaloney
06.11.2020 06:27registriert Februar 2014
Warum denkt Trump, er wird von allen anderen Betrogen? Wer selbst oft betrügt geht meistens auch davon aus, dass dies alle anderen auch tun.
59616
Melden
Zum Kommentar
avatar
IisiPiisi
06.11.2020 05:40registriert März 2019
Trump verliert jämmerlich, ehlend, strampelnd.. aaach... ich geniesse einfach diesen Moment!!!
51226
Melden
Zum Kommentar
avatar
Herr Bersier
06.11.2020 06:31registriert April 2020
Hätte er noch Menschen um sich, die ihm nahestehen, müsste er hören: „Dad... it‘s over. Tell your crowd and tell them to go home. No party. No shooting.“
1232
Melden
Zum Kommentar
146
Iran verschärft Kontrollen gegen Kopftuchverstösse

Irans berüchtigte Sittenwächter gehen wieder verschärft gegen Kopftuchverstösse vor. Nach Beginn der landesweiten Polizeiaktion am vergangenen Samstag berichteten zahlreiche Frauen von verstärkten Kontrollen in den Metropolen.

Zur Story