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US-Wahlen 2020

Wo Trump jetzt überall klagt, weshalb und was ihm dabei helfen kann

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Ihr Boss macht es vor: Viele Trump-Fans wollen die drohende Niederlage nicht wahrhaben.Bild: keystone

In welchen Staaten Trump klagt – und was ihm dabei helfen kann

05.11.2020, 16:23
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Das Rennen um das Weisse Haus ist eng. Trumps einstmals stolze Führung in vielen Swing-States schmilzt aufgrund der «absentee ballots» dramatisch. Dabei handelt es sich um Stimmen, die nicht am Wahltag selbst in die Urne geworfen wurden, zum Beispiel Briefwahlstimmen. In Wisconsin und Michigan schlug das Pendel gar um. Dort wurde Herausforderer Joe Biden nach einer rigorosen Aufholjagd offiziell zum Sieger ernannt.

Die Reaktion von Donald Trump und dessen Team kam postwendend. Trump drohte bereits am Mittwoch etwas kryptisch: «Wir werden das Oberste Gericht einschalten. Wir wollen, dass sämtliche Wahlvorgänge gestoppt werden.» In dieselbe Nische schlug später sein Wahlkampfmanager Bill Stepien: «Wenn wir sämtliche legalen Stimmen zählen, gewinnen wir.» Was er nicht explizit erwähnt, es damit aber sagen will: Es gibt auch illegale Stimmen.

Challengers are instructed as they check in to observe absentee ballots being processed at the central counting board, Wednesday, Nov. 4, 2020, in Detroit. With the outcome of the U.S. presidential ra ...
Wahlbeobachter in Detroit werden instruiert.Bild: keystone

Trumps Team kündigte an, in Wisconsin Neuauszählungen anzuordnen. Im Rust-Belt-Staat ist das erlaubt, wenn die Differenz der Stimmen kleiner als ein Prozent ist. Diese Bedingung ist gegeben. Biden gewann mit hauchdünnen 0,6 Prozentpunkten oder 21'000 Stimmen Vorsprung.

Schon am Mittwoch versuchte Trump, die Zählungen in Michigan zu stoppen. Allerdings ohne Erfolg. Nachdem der Präsident phasenweise mit über acht Prozentpunkten in Führung lag, sicherte sich Biden die 16 Wahlpersonen mit 130'000 Stimmen oder 2,5 Prozentpunkten Vorsprung.

Bins and bundles of absentee ballots sit on and under tables at DeVos Place on Wednesday, Nov. 4, 2020, in Grand Rapids, Mich. (Cory Morse/The Grand Rapids Press via AP)
Briefwahlstimmen in Grand Rapids, Michigan.Bild: keystone

Auch im bisher nicht komplett ausgezählten Pennsylvania versucht der Präsident, den Auszählungsprozess zu beeinträchtigen – vor allem die Deadlines zu verkürzen. Trumps Anwalt Rudi Giuliani und Eric Trump, der älteste Sohn, behaupteten, den Republikanern sei in Philadelphia der Zutritt zu Wahllokalen verwehrt worden – und dass dort auch Stimmen toter Menschen gezählt würden. Sie legten keine Belege für ihre Behauptungen vor.

Dem widerspricht der Wahlabgeordnete Al Schmidt aus Philadelphia: «Zwei Gruppen beider Teams überwachen den Auszählungsprozess. Sie befinden sich in sicherer Entfernung, aber im selben Raum.» Al Schmidt ist Republikaner.

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Wahlhelfer zählen Briefwahlstimmen in der Farm Arena in Atlanta, Georgia. Einen Tag zuvor hatte ein Wasserrohrbruch die Arbeiten unterbrochen.Bild: keystone

In Georgia fordert Trump, dass später eintreffende Wahlzettel aussortiert und die Namen der Wähler und auch der Zeitpunkt des Eintreffens notiert werden. Das sei so Protokoll und werde missachtet. Die lokalen Republikaner versprachen, in diversen Wahlbezirken Klagen einzureichen – und wurden auch schon aktiv. In Savannah klagten sie bereits am Mittwoch gegen 53 Stimmen, die in ihren Augen zu spät eintrafen.

Geht McConnels Strategie auf?

In diesem Zusammenhang besonders interessant: Kein Präsident vor Trump hat derart hochfrequent Richter ernannt. Trump hob nicht weniger als 220 Richter (Article III Judges) ins Amt. Barack Obama kam zwar auf mehr (329), dies aber in acht Jahren.

Die Ernennung von möglichst vielen konservativen Richtern ist Teil der Strategie von Mitch McConnel. Der Mehrheitsführer im Senat sorgte dafür, dass Barack Obama diverse Vakanzen hinterlassen musste. Richter müssen vom Senat bestätigt werden – und diese Bestätigung verweigerte der republikanisch dominierte Senat.

Senate Majority Leader Mitch McConnell of Ky., listens as President Donald Trump speaks during a meeting in the Oval Office of the White House, Monday, July 20, 2020, in Washington. (AP Photo/Evan Vuc ...
Mehrheitsführer Mitch McConnels Strategie ist es, möglichst viele konservative Richter zu ernennen.Bild: keystone

Dass Richter durchaus ihren Einfluss auf Wahlen haben, zeigt das Beispiel der Präsidentschaftswahlen im Jahr 2000. Die beiden Kontrahenten Al Gore und George Bush trennten nach offizieller Auszählung nur 1784 Stimmen – zugunsten von Bush. Diese geringe Marge löste gemäss dem Recht von Florida eine automatische Neuauszählung aus. Während dieser Neuauszählung verkleinerte sich der Vorsprung von Bush auf unter tausend Stimmen. Im Verlauf der Auszählungen begann ein politisches Hick-hack, wie und wo nachgezählt werden sollte. Aus dem politischen wurde ein juristisches Hick-hack. Am Ende entschied der Supreme Court, die Nachzählungen im Sinn der Republikaner zu beenden. Al Gore akzeptierte und verlor die Wahlen mit dem äusserst knappen Resultat von 271 zu 268 Elektorenstimmen.

Vor wenigen Tagen berief Donald Trump mit Amy Coney Barrett eine konservative Richterin an den Obersten Gerichtshof. Sie ersetzt dort die liberale Ruth Bader Ginsburg. Mit der Ernennung von Coney Barrett sind die Kräfteverhältnisse klar. Sechs Richter gelten als konservativ, nur drei als liberal.

In wie vielen Bundesstaaten in diesem Jahr Neuauszählungen stattfinden, ist im Moment noch nicht klar. Die geringen Unterschiede auch in den Staaten Nevada und Arizona deuten darauf hin, dass auch dort die Stimmzettel noch ein weiteres Mal aus den Kisten gepackt werden könnten.

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quelle: https://joebiden.com/joes-story/
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24 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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sansibar
05.11.2020 16:28registriert März 2014
Ich weiss ja nicht, wie ich das formulieren soll ohne gegen irgendwelche Kommentarregeln zu verstossen, aber ich finde in der Aussagen "Stop the Count" hat es im dritten Wort einen Buchstaben "o" zu viel... Man sollte jetzt eher mal dieses orange-farbige Gesässteil stoppen!
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Jonaman
05.11.2020 17:08registriert Oktober 2017
"...und dass dort auch Stimmen toter Menschen gezählt würden."
Ach was, die Amis wählen ja auch einen Toten, da dürfen doch auch Tote wählen!
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Devilduck
05.11.2020 18:07registriert Juli 2018
Nicht nur die BundesrichterInnen wurden von Trump ersetzt. Mitch McConnell arbeitet seit Jahren daran, RichterInnen durch ParteisoldatInnen auf allen Ebenen zu ersetzen.

Leider mit Erfolg. Tschüss, Gewaltentrennung! Es war schön und richtig mit dir. Und so ein Shithole Country will anderen die Demokratie lehren. Über 80% der Evangelikalen stimmen für Trump. Kommt davon, wenn sich Politik und Religion vermischen. Damit spielen die USA in einer Liga mit Indien, Pakistan oder der Türkei. Oder man trickst von Beginn weg > Russland, Belarus, China, Nordkorea...
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