Der amerikanische Präsident ist die mächtigste Person der Welt. Sein Wort wiegt in der globalen Politik schwer. Die meisten Länder wollen sich darum mit den USA gut stellen.
Unter Donald Trump profitierten weltweit Populisten, während liberale Staatsoberhäupter eher einen schweren Stand oder zumindest ein schwieriges Verhältnis zum US-Präsidenten haben und hatten. Die Financial Times mit dem Hauptsitz in London hat die Folgen für die wichtigsten Leader der Welt zusammengetragen, wir haben zusätzlich die Schweiz in die Liste genommen.
Kurz gesagt: Für die Schweiz ändert sich nicht viel. Und wenn, hat Joe Biden eher positive Auswirkungen. Hinter den Kulissen werden bereits Kontakte zum Umfeld Bidens geknüpft, damit man, wenn es so weit ist, möglichst schnell einen guten Zugang zur neuen Regierung hat.
Entscheidend wird auch der eingesetzte Botschafter in Bern sein. Edward McMullen war mit seinem engen Verhältnis zu Trump «für die Schweiz ein grosser Glücksfall», wie FDP-Nationalrätin Christa Markwalder gegenüber CH Media sagte.
Allgemein dürfte die Schweiz mit der exportorientierten Volkswirtschaft von einer Stabilisierung des internationalen Handelssystems profitieren, genauso wie durch die anzunehmende Stärkung der Welthandelsorganisation WTO. Allerdings dürfte der Abschluss des von der Schweiz angestrebten Freihandelsabkommens mit den USA kaum Priorität haben.
Zudem wird Biden in der Iran-Politik einen Wechsel anstreben und unter anderem das Atomabkommen mit dem Iran wiederbeleben – was die Schweiz begrüssen würde.
Ins Visier könnte die Pharmaindustrie kommen, die mit Abstand wichtigste Exportbranche mit den USA. Die USA wolle gegen die hohen Medikamentenpreise vorgehen. Aber während der Corona-Pandemie wird kaum jemand auf der Pharmaindustrie herumhacken, da diese ihre Forschung finanzieren muss.
Trump zog sich aus dem Atomabkommen zurück und setzte neue Sanktionen gegen den Iran in Kraft. Kein Wunder hofft Irans Präsident Hassan Rouhani auf Joe Biden. Kurz nach dem Sieg erklärte er: «Jetzt hat die USA die Chance, zu ihren Verpflichtungen zurückzukehren.»
Brisant: Rouhani ist bis im Sommer im Amt. Darum könnte die Opposition versuchen, die Deals zu verzögern, um dann später das Lob für das Erreichte einzuheimsen.
Deutschland gehört wohl zu den Ländern, die mit am meisten von Joe Biden profitieren dürften. Unter Donald Trump kühlte das Verhältnis merklich ab, griff er das Land doch immer wieder aus verschiedenen Gründen an.
Am Tag von Bidens Sieg schrieb Deutschlands Aussenminister Heiko Maas, man werde konkrete Vorschläge zu China, dem Klimawandel und der Corona-Pandemie liefern. Angela Merkel erinnerte sich an «gute Treffen und Konversationen» mit Joe Biden, als dieser unter Barack Obama Vize-Präsident war.
Justin Trudeau stritt sich mit Donald Trumps Regierung unter anderem über (Aluminium-)Importe in die USA. Unter Biden dürfte das nicht weiter fortgesetzt werden.
Auch in anderen Bereichen wie dem Klimawandel und Naturschutz steht Trudeau viel mehr auf der Biden-Linie. Die Liberale Partei Kanadas hat Umweltschutz als eines ihrer Schlüsselthemen bearbeitet.
Emmanuel Macron war sehr um ein gutes Verhältnis zu Trump bemüht. Er hätte gar fast Trump und Irans Rouhani zu Verhandlungen gebracht.
Trotzdem musste auch Macron die Unberechenbarkeit Trumps einsehen. Das dürfte mit Biden leichter fallen. Dieser will bekanntlich auch wieder ins Pariser Klimaabkommen.
Die Trump-Regierung versuchte immer wieder, Nicolas Maduro aus dem Amt zu jagen. Jetzt hofft der Linke Maduro, dass Biden einige Sanktionen wieder aufhebt. Kein Wunder, gratulierte er schnell zum Sieg des Demokraten.
Venezuela, la Patria del Libertador Simón Bolívar siempre estará dispuesta al diálogo y al entendimiento con el pueblo y el gobierno de los EE.UU. pic.twitter.com/4o5S7MPuyG
— Nicolás Maduro (@NicolasMaduro) November 7, 2020
Tatsächlich ist gut möglich, dass Biden Venezuela einige Zugeständnisse macht, um das humanitäre Leid, das (auch) durch die Sanktionen entstand, zu mildern.
Argentinien könnte in Lateinamerika zum grössten Gewinner des Machtwechsels in den USA werden, da Biden einen verlässlichen Partner für seine Ziele für die Stabilität der Region benötigt.
Trump und Fernandez gerieten sich zuvor aus verschiedenen Gründen in die Haare. Da könnte es also Entspannung geben. Allerdings bleibt offen, wie die USA mit dem Verhältnis Argentiniens mit China umgeht.
Benjamin Netanyahu stand Trump und Jared Kushner nahe. Die USA unterstützten Israel auch mit der Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt. Netanyahu kennt Biden allerdings gut. Trotzdem wird Israel ein kälterer Wind entgegenwehen.
Der Kronprinz konnte seine Macht in der Region zementieren. Es gab aber auch Rückschläge wie den Krieg im Jemen oder die US-Sanktionen gegen Katar.
Saudi-Arabien begrüsste auch das Verlassen des Atomabkommens der USA mit dem Iran. Das könnte jetzt wieder in die andere Richtung gehen. Auch im Fall Jamal Khashoggi bezog Biden eine andere Haltung als Trump.
Trump und Erdogan waren ein gutes Team. Die USA taten Erdogan so manchen Gefallen. Biden dagegen bezeichnete Erdogan auch schon als Autokraten. Allerdings muss Biden versuchen, die Türkei als Nato-Mitglied und wichtige Grenze zu Syrien, dem Irak und Iran zu halten. Persönliche Gefallen wird er Erdogan aber kaum im Stil von Trump erweisen.
Viktor Orban war 2016 unter den ersten Gratulanten. Er sagt, die ungarisch-amerikanischen Beziehungen waren unter Trump so gut wie nie.
Orban kam schon mit Barack Obama gar nicht gut aus. Im Oktober attackierte Ungarns Aussenminister Peter Szijjarto Biden, als dieser Polen und Ungarn als Teil eines aufkommenden totalitären Regimes bezeichnete.
Boris Johnson liegt eigentlich nirgends auf einer Linie mit Joe Biden. Biden sieht den Brexit als historischen Fehler. Er wird sich nicht beeilen, ein Freihandelsabkommen mit Grossbritannien abzuschliessen.
Auch wenn die beiden Nationen sich oft nahe standen, wird es kaum ein gutes Verhältnis zwischen Biden und Johnson geben.
Kaum einer steht Trump politisch und ideologisch so nahe wie Jair Bolsonaro – egal ob in Sachen Klimawandel, den Beziehungen zu China oder Venezuela oder anderen Themen.
Bolsonaro änderte seine Rhetorik bereits, als klar wurde, dass Biden gewinnen würde. Es scheint klar: Bolsonaros Brasilien muss seinen Kurs wieder anpassen, um eine Isolation zu verhindern.
Wladimir Putin hat Joe Biden noch nicht gratuliert. Während Trump Putin gerne als grossen Führer lobte, wird Biden eher das Gegenteil tun.
Sanktionen, grössere Nato-Unterstützung oder Hilfe für die Ukraine im Zwist mit Russland sind wahrscheinlicher.
Trump traf Kim dreimal und erhöhte damit seine Legitimität. Die Beziehungen zu Nordkorea dürften eingefroren werden.
Möglich aber auch, dass dadurch militärische Provokationen von Nordkorea wieder aufgenommen werden, falls weitere Sanktionen ausgesprochen werden.
Die Beziehungen zwischen Indien und den USA waren zuletzt gut. So unterstützte Trump Indien an der Grenze zu China und half mit militärischer Ausrüstung. Trump drückte dagegen unter anderem bei der Unterdrückung von Muslimen in Indien ein Auge zu.
Biden dürfte in der Aussenpolitik mehr auf Menschenrechte und Religionsfreiheit pochen, was Modi natürlich nicht gefällt. Allerdings hat Indien auch einen Trumpf in der Hand: Die USA brauchen Indien im Kampf gegen China.
Obrador und Trump waren bei der Einreisepolitik der USA unter Trump auf gleicher Linie. Biden will vieles davon wieder rückgängig machen. Weil Mexiko wirtschaftlich von den USA abhängt, kann Obrador hier vieles verlieren.
Mexiko hat Biden noch nicht zum Sieg gratuliert, was der texanische Demokrat Joaquin Castro als «unglaublichen diplomatischen Fehler» bezeichnete. Mexiko dürfte in den Themen Arbeit, Umwelt, Menschenrechte und Korruption deutlich mehr Gegenwind verspüren.
Zum Abschluss noch die beiden wichtigen Nationen, bei welchen man Auswirkungen noch nicht eindeutig abschätzen kann. China dürfte vor plötzlichen Einfuhrzöllen oder Sanktionen gegen chinesische Unternehmen sicher sein.
Aber langfristig hätte China vom Rückzug aus der Führungsposition der globalen Themen wie Klimawandel profitieren können. Zudem sorgte Trump für eine Entfremdung Europas mit den USA, was den Chinesen in die Hände spielte.
Nach tagelangem Schweigen gratulierte China am Freitag dem neu gewählten Präsidenten: «Wir respektieren die Wahl des amerikanischen Volkes und gratulieren Herrn Biden und Frau Harris», sagte Wang Wenbin, Sprecher des chinesischen Aussenministeriums.
In Japan kann der neue Premierminister Yoshihide Suga sicherlich weniger anfangen mit Trump als sein Vorgänger Shinzo Abe. Von daher ist er ein Gewinner der US-Wahlen.
Unklar ist aber noch das Verhalten Bidens in japanischen Kernthemen wie dem Verhältnis zu China oder der Rückkehr in die Transpacific Partnership. Wirtschaftlich sind viele Unternehmen Japans ans Wohlergehen der USA gebunden. Kein Wunder schnellte die japanische Börse in die Höhe nach dem Wahlsieg.