Sarah Miller hat sich noch nicht entschieden. «Ich schwanke zwischen Elizabeth Warren», der links-populistischen Senatorin aus Massachusetts, «und Amy Klobuchar» aus Minnesota, einer Senatorin, die oft die pragmatische Brückenbauerin gibt, sagt Miller. Beide Demokratinnen, so unterschiedlich ihr Programm auch ist, würden Positionen vertreten, die sie unterstützen könne. Andererseits wolle sie ihre Stimme aber nicht an eine Kandidatin verschwenden, die keine Aussichten auf einen Sieg bei den anstehenden Vorwahlen habe, sagt Miller. An diesem Winternachmittag hat sie ihren jungen Sohn an einen Auftritt von Elizabeth Warren mitgenommen. Er solle mit eigenen Augen den Politzirkus sehen, der noch bis am Montag, dem Tag der Wahlversammlungen (Caucuses), in Iowa Station macht.
So wie der unentschlossenen Sarah Miller geht es dieser Tage vielen potenziellen Wählerinnen und Wählern. Weil das Feld der Präsidentschaftskandidaten der Demokraten recht unübersichtlich ist – in Iowa kämpfen sieben Anwärter auf das Weisse Haus um Stimmen –, fällt es ihnen schwer, eine Entscheidung zu treffen. Die Flügel der Partei mögen sich einig sein über das Ziel dieses Wahlkampfes: Sie wollen verhindern, dass Präsident Donald Trump (73) am 3. November 2020 für eine zweite Amtszeit bestätigt wird. Aber wie dieses Ziel – oder besser gesagt: mit welchem Kandidaten und welchen politischen Positionen – dieses Ziel erreicht werden kann, darüber herrscht auch nach Hunderten von Wahlkampfevents in Iowa Unklarheit.
Das Aushängeschild des pragmatischen Flügels der Demokraten ist Joe Biden (77): Langjähriger Senator, ehemaliger Vize unter Präsident Barack Obama und Maskottchen einer Partei, die früher vor allem denjenigen Teil der amerikanischen Bevölkerung vertrat, der nach der Arbeit duschte und nicht davor. Bidens Werbespruch lautet in aller Kürze: Meine Kandidatur ist eine sichere Sache. «Wir brauchen einen Präsidenten, der sich am ersten Tag an die Arbeit machen kann» und der sich in den Gängen der Macht in Washington zurechtfindet, sagt er in Burlington.
Denn der nächste Präsident müsse zum einen das Land nach der turbulenten Präsidentschaft Trumps versöhnen und zum anderen den Verbündeten in aller Welt versichern, dass Amerika immer noch ein zuverlässiger Alliierter sei. Weil Biden die Angewohnheit hat, langfädige Anekdoten zu erzählen, bringt er diesen Slogan nicht immer konzis unters Volk. Seinen Anhängern aber ist das egal. «Er ist ehrlich und er verzichtet darauf, den politischen Gegner in den Dreck zu ziehen. Ich schätze das», sagt Patricia Olmstead am Rande eines Biden-Auftrittes in Cedar Rapids.
Eine ähnliche Wählergruppe spricht Pete Buttigieg an, der ehemalige Stadtpräsident von South Bend (Indiana): Der 38-Jährige gibt im Wahlkampf den aufgeschlossenen Pragmatiker, der auch Menschen überzeugen kann, die der Demokratischen Partei im Wahljahr 2016 den Rücken zugekehrt haben. Im Gegensatz zu Biden, dem alten Berufspolitiker, geht Buttigieg, der junge Berufspolitiker, aber auf Distanz zum Politbetrieb in Washington.
In Marshalltown spricht Buttigieg darüber, wie er sich als Stadtpräsident nie den Luxus habe erlauben können, drängende Probleme auszusitzen. Und dass es Washington guttun würde, wenn im Weissen Haus ein Politiker wohne, der pragmatische Lösungen präsentiere. Diese Botschaft, die Erinnerungen an einen gewissen Barack Obama weckt, der 2008 in Iowa seinen ersten Erfolg in den Vorwahlen erzielte, stösst bei Anne Wahl auf offene Ohren. Im Gespräch sagt die Geschäftsfrau: «Eigentlich bin ich eine Republikanerin. Vor vier Jahren habe ich für Trump gestimmt.» Mittlerweile aber bereue sie ihre Wahl; der Präsident blamiere mit seinem Verhalten das ganze Land und sie wolle nun einem «jungen, intelligenten Politiker» die Chance geben, Amerika zu repräsentieren.
Sue Dvorsky kann mit der Botschaft Buttigiegs wenig anfangen. Die ehemalige Vorsitzende der Demokratischen Partei in Iowa, die immer noch gute Drähte zur Basis besitzt, unterstützt Elizabeth Warren (70). Ihre Wahl begründet Dvorsky in nüchternen Worten: Warren sei die einzige Kandidatin, die im ganzen Land über eine Infrastruktur verfüge. Deshalb laufe die Senatorin nicht Gefahr, dass ihr nach den ersten Vorwahlen in Iowa und New Hampshire den Schnauf ausgehe. Ausserdem könne Warren die Flügel der Partei vereinigen. Sie sei progressiv, bezeichne sich aber nicht als Sozialistin.
Diese Aussagen mögen Wunschdenken sein, weiss doch derzeit niemand, wie das Feld der Demokraten in zwei oder drei Wochen aussehen wird. Es stimmt aber, dass auffällig viele ehemalige Unterstützer von bereits gescheiterten Präsidentschaftskandidaten wie Kamala Harris, Cory Booker oder Julián Castro sich nun für Warren stark machen. Während ihres Auftrittes in Iowa City gibt sich Warren deshalb als einigende Kraft: «Wir müssen als Partei zusammenkommen und Donald Trump besiegen. Und ich habe einen Plan dafür!»
Und weil Warren in den vergangenen zwei Wochen in Washington festsass, weil der Senat über die Absetzung von Präsident Trump beriet, verzichtet sie für einmal auf die traditionellen Selfies im Anschluss an ihre Rede. «Ich muss weiter», sagt sie. Stattdessen stehe Bailey, der Hund der Kandidatin, für Fotos zur Verfügung – und der Golden Retriever scheint die Aufmerksamkeit sichtlich zu geniessen.
Auf solchen Schnickschnack verzichtet Bernie Sanders (78). Der Wahlkampfauftritt des Senators aus Vermont in Cedar Rapids gleicht zumindest im ersten Teil einer Politvorlesung an einer Universität. Fast zwei Stunden lang dozieren prominente linke Aktivisten wie der Filmemacher Michael Moore und die Abgeordnete Ilhan Omar über die strukturellen Probleme Amerikas, Rassismus und Sexismus. Geduldig hören die rund 3000 Anwesenden zu. Paul Schmidt erklärt derweil im Gespräch, warum er Sanders auch dieses Jahr wieder unterstütze. «Bernie ist konsistent. Seit fünfzig Jahren kämpft er für eine politische Revolution in Amerika» und die Beharrlichkeit, mit der Sanders für seine Ideen – etwa die Verstaatlichung des Gesundheitswesens – einstehe, beeindrucke ihn.
Gegen Ende seines Auftritts versucht der Kandidat höchstpersönlich, seinen Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Er und nur er könne Donald Trump besiegen, sagt Sanders. Denn er und nur er spreche auch Wähler an, die normalerweise nicht für die Demokraten stimmten. «Das Establishment ist nervös», sagt Sanders seinen jubelnden Anhängern, und dies könne nur eines bedeuten: «Ich werde in Iowa gewinnen.»
Dieser Aussage kann ich nicht zustimmen. Ich habe mir die Veranstaltung von Sanders angesehen und auch in die Veranstaltungen der anderen Kandidaten gezapt. Im Vergleich war bei den anderen eher Grabesstimmung. Alleine die Rede von Nina Turner war Feuer. Dann 2 Bands, Partystimmung, 3000 Leute und jede Menge Prominenz die aufgetreten sind.
Zu behaupten Biden sei der aussichtsreichste Kandidat halte ich für vermessen, die Polls sprechen gegen ihn.