Sie waren nicht erste Wahl. Und sie verdanken ihren künftigen Posten wohl vornehmlich einer Mini-Rebellion von Latinos und Afroamerikanern, die sich gegen die Personalpolitik des künftigen Präsidenten Joe Biden richtete.
Aber sowohl Xavier Becerra, der designierte amerikanische Gesundheitsminister in Bidens Kabinett, als auch der künftige Pentagon-Chef Lloyd Austin werden über die Umstände ihrer Ernennung hinwegsehen – denn während ihrer jeweils langen Karrieren haben sich die beiden Männer daran gewöhnt, dass letztlich die Resultate zählen.
Becerra, 62 Jahre alt, ist seit 2017 Justizminister von Kalifornien, und damit in Personalunion der führende Rechtsberater des Gouverneurs und Generalstaatsanwalt des bevölkerungsreichsten amerikanischen Bundesstaates. Der Demokrat, Sohn von Eltern mit mexikanischen Wurzeln, machte sich in erster Linie als Antagonist der Regierung von Präsident Donald Trump einen Namen.
So kämpfte Becerra verbissen gegen die einwanderungs- und umweltpolitischen Vorstösse des Weissen Hauses und blockierte diese mit Zivilklagen. (Nach eigener Zählung überstieg die Zahl dieser Klagen im September 2020 die Marke von 100.) Auch setzte sich der Attorney General, so lautet der offizielle Titel des Justizministers, für den Ausbau des Gesundheitswesens ein. Dieser Kurs stiess unter den Wählern Kaliforniens auf Zustimmung.
2018 erhielt Becerra fast 64 Prozent der Stimmen, als er sich um eine volle Amtszeit bemühte. (Zum Vergleich: Seine Vorgängerin Kamala Harris, die designierte Vizepräsidentin an Bidens Seite, war 2014 mit etwas mehr als 57 Prozent der Stimmen gewählt worden.)
Vor seiner Ernennung zum Justizminister hatte Becerra zwei Jahre im Lokalparlament von Kalifornien und 24 Jahre im Repräsentantenhaus in Washington politisiert. In der Hauptstadt machte sich der linke Demokrat dabei als Fürsprecher der amerikanischen Arbeiterklasse einen Namen, ein Milieu, mit dem er dank der Biografie seines Vaters vertraut ist, der sein Geld in der Landwirtschaft und im Baugewerbe verdiente.
Becerra galt als Schaffer und Vordenker, und seine Ratskollegen gaben ihm den Spitznamen «Harvard», obwohl er doch die (ebenfalls elitäre) Stanford University in Kalifornien absolviert hatte. In der Präsidentschaft von Barack Obama galt der dreifache Familienvater als Verbindungsmann des Weissen Hauses zur Latino-Gemeinschaft.
Art Torres, der Becerra im Jahr 1986 seinen ersten Job im Politbetrieb von Kalifornien verschaffte, bezeichnete ihn jüngst im Gespräch mit der «New York Times» als den «Joe Biden der Latinos»: Ähnlich wie der künftige Präsident stamme Becerra aus einfachen Verhältnissen und habe sich dank harter Arbeit an die Spitze gearbeitet.
Auch die Karriere des designierten Verteidigungsministers Lloyd Austin weckt Erinnerungen an den Mythos des Tellerwäschers. Der 67 Jahre alte Berufsmilitär wurde in Mobile (Alabama) geboren und wuchs in Thomasville (Georgia) auf, zu einem Zeitpunkt, als Amerikaner mit dunkler Hautfarbe im Süden des Landes noch als Menschen zweiter Klasse galten.
Als Austin im Jahr 2016, nach 41 Jahren im Dienst der Streitkräfte, in den Ruhestand ging, war er der einzige afroamerikanische Vier-Sterne-General. Nun soll Austin, der von 2013 bis zu seiner Pensionierung als Kommandeur des Central Command die Verantwortung für die US-Militäreinsätze im Nahen und Mittleren Osten trug, zum ersten dunkelhäutigen Pentagon-Chef ernannt werden.
Diese Wahl ist eine Überraschung. Lange galt Michèle Flournoy als Favoritin für diesen prestigeträchtigen Posten, auch weil sie unter Präsident Obama bereits im Verteidigungsministerium gearbeitet hatte. Nachdem aber einflussreiche Afroamerikaner Bedenken gegen diese Personalie äusserten, schwenkte Biden um – auch weil er seinen Freund Jim Clyburn, einflussreicher Abgeordneter aus South Carolina, nicht vor den Kopf stossen wollte.
Austin ist keinesfalls eine Verlegenheitslösung. Dank seiner langen Dienstzeit, die ihn auch nach Deutschland führte, ist er mit dem militärischen Apparat wohlvertraut. Er geniesst den Respekt seiner Dienstkollegen. Einer breiten Öffentlichkeit ist er allerdings unbekannt, auch weil er zu Ende seiner Laufbahn, als er unter Präsident Obama prestigeträchtige Posten bekleidete, den Kontakt mit den Hauptstadt-Medien mied.
Im September 2015 wurde der West Point-Absolvent während eines Auftrittes vor dem Militärausschuss des Senats scharf kritisiert, als er ein Update über den Kampf gegen die Terror-Rebellen IS gab. Intern wurde Austin damals vorgeworfen, er habe zumindest zu Beginn des Jahres 2014 unterschätzt, welch destabilisierendes Potential die Terror-Gruppe besitze.
Grösstes Hindernis für Austin könnte aber die Tatsache sein, dass er seine Uniform erst vor vier Jahren an den Nagel gehängt hatte. Ein amerikanisches Gesetz sieht eine Pause von sieben Jahren vor, bevor ein Berufsoffizier das Amt des Verteidigungsministers übernehmen kann – dies soll garantieren, dass die zivile Kontrolle über die uniformierten Streitkräfte nicht unterminiert wird.
Der Kongress kann diese Bestimmung ausser Kraft setzen, und der Senat und das Repräsentantenhaus stellten zuletzt im Jahr 2017 dem designierten Verteidigungsminister Jim Mattis eine solche Ausnahmegenehmigung aus. 17 Mitglieder der demokratischen Fraktion im Senat stimmten aber gegen diesen Freipass. Und Jack Reed, der führende Demokrat im Militärausschuss, gab zu Protokoll, dass er keinesfalls bereit sei, in absehbarer Zukunft eine weitere Ausnahme genehmigen werde. (aargauerzeitung.ch)
Es wird immer schwieriger, bei einer Neubewertung alle Nebenbedingungen unter einen Hut zu bekommen und alle zufrieden zu stellen.
Man denke nur mal an den Bundesrat: Partei muss stimmen, Geschlecht muss stimmen, Sprachregion (bzw Kanton) muss stimmen, Alter muss stimmen, und so weiter.
Irgendwann sind es zu viele Nebenanforderungen als dass die fähigsten Personen überhaupt noch berücksichtigt werden können.
Daher Diversität klares Ja aber mit Vernunft und Augenmass