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Impeachment gegen Trump: Alles was du dazu wissen musst

Tränen und erstes Scheitern für Trump – das war der Auftakt zum 2. Impeachment-Prozess

Der erste Tag des zweiten Impeachment-Verfahrens ist zu Ende. Das sind die wichtigste Punkte.
10.02.2021, 03:26
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Worin scheiterte die Verteidigung?

Die Verteidiger von Donald Trump sind mit dem Versuch gescheitert, das Amtsenthebungsverfahren gegen den Ex-US-Präsidenten im Senat gleich zu Beginn zu stoppen.

epa08999760 A screen grab from a live broadcast by the Senate TV showing the Senate votes of 'Yae 56 Nay 44' deciding if former US President Trump is subject to a court of impeachment follow ...
56 gegen 44 – das Impeachment-Verfahren gegen Trump ist nicht verfassungswidrig.Bild: keystone

Sie hatten argumentiert, das Verfahren sei verfassungswidrig, weil Trump nicht mehr im Amt sei. Der US-Senat wertete das Verfahren bei einem Votum am Dienstagabend (Ortszeit) jedoch mehrheitlich als verfassungskonform: Sechs republikanische Senatoren stimmten dabei mit den 50 demokratischen Senatoren in der Kammer. Sie machten so den Weg frei für das weitere Prozedere: Damit können Anklagevertreter und Verteidiger ab Mittwoch ihre Argumente in der Sache vortragen.

Die Anklagevertreter argumentierten, Trump müsse für sein Handeln als Präsident bis zum letzten Tag im Amt geradestehen - und damit auch für die Attacke seiner Anhänger auf das Kapitol zwei Wochen vor seinem Abschied aus dem Weissen Haus.

Was ist die Anklage?

Trump-Anhänger hatten am 6. Januar gewaltsam den Kongresssitz in Washington erstürmt. Bei den Krawallen kamen fünf Menschen ums Leben, darunter ein Polizist. Die Angreifer hatten mit der Attacke versucht, eine Sitzung zu stoppen, bei der der Kongress den Wahlsieg von Trumps Nachfolger Joe Biden zertifizieren sollte.

So stürmte der Trump-Mob das Kapitol:

Video: watson/een

Trump hatte seine Anhänger kurz zuvor bei einer Kundgebung damit aufgewiegelt, dass ihm der Wahlsieg gestohlen worden sei. Er sagte damals unter anderem: «Wenn Ihr nicht wie der Teufel kämpft, werdet Ihr kein Land mehr haben.»

Die Demokraten werfen ihm «Anstiftung zum Aufruhr» vor und haben im Repräsentantenhaus - unterstützt von zehn republikanischen Abgeordneten - ein Amtsenthebungsverfahren gegen ihn eingeleitet. Geführt und entschieden wird dieses Verfahren im Senat. Die Kongresskammer nimmt dabei die Rolle eines Gerichts ein.

Was sagt die Verteidigung?

Der Senat hatte das Verfahren am Dienstag mit einer Debatte über die Verfassungsmässigkeit des Prozesses gestartet. Trumps Verteidiger argumentierten, das Verfahren im Senat sei verfassungswidrig, weil es sich gegen eine Privatperson richte. Trump war am 20. Januar mit Bidens Vereidigung aus dem Amt ausgeschieden.

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Trump-Verteidiger David Schoen.Bild: keystone

David Schoen aus Trumps Verteidigerteam sagte, Privatpersonen könnten nicht aus dem Amt entfernt werden. Das lege schon der gesunde Menschenverstand nahe. Schoen warf den Demokraten vor, sie hätten das Verfahren nur eingeleitet, um Trump «von der politischen Bühne zu entfernen». Dies sei ein Missbrauch des Impeachment-Verfahrens für politische Zwecke. Den Demokraten gehe es - anders als sie es darstellten - auch nicht darum, das Land zu einen, im Gegenteil. «Dieser sogenannte Prozess wird das Land zerreissen», mahnte Schoen.

Was sagten die Demokraten?

Der oberste Anklagevertreter der Demokraten aus dem Repräsentantenhaus, Jamie Raskin, hielt dagegen, ein Präsident müsse sich bis zum letzten Tag im Amt für seine Taten verantworten. Alles andere wäre höchst gefährlich. Die Demokraten verweisen ausserdem darauf, dass das Repräsentantenhaus die Eröffnung des Verfahrens bereits am 13. Januar beschlossen hatte - also eine Woche vor Trumps Ausscheiden aus dem Amt. Und: Sie wollen mit dem Vorgehen gegen Trump auch erreichen, dass der Republikaner für künftige Ämter auf Bundesebene gesperrt wird. Damit würde ihm etwa eine Präsidentschaftskandidatur 2024 verwehrt.

«Sie dachten, sie würden sterben.»
Jamie Raskin

Die Ankläger aus dem Repräsentantenhaus präsentierten ein Video mit dramatischen Szenen vom 6. Januar, als Trump-Anhänger das US-Kapitol erstürmten: Randalierer, die in Scharen Sicherheitsbarrikaden durchbrechen, Fensterscheiben zerschlagen, gewaltsam in Sitzungssäle und Büros eindringen. Polizisten, die verzweifelt versuchen, sich gegen die Übermacht der Eindringlinge zur Wehr zu setzen. Abgeordnete, die sich vor Angreifern in Sicherheit bringen.

Raskin berichtete auf emotionale Weise und teils unter Tränen, wie er selbst jenen Tag erlebt hatte. Er habe seine erwachsene Tochter mit in den Kongress gebracht - einen Tag, nachdem sein verstorbener Sohn beerdigt worden war, erzählte Raskin. Er habe Angst um seine Tochter gehabt. Sie und sein Team hätten sich unter Schreibtischen versteckt und flüsternd Abschiedsbotschaften per Telefon verschickt. «Sie dachten, sie würden sterben.» Der demokratische Anklagevertreter David Cicilline mahnte, Menschen seien bei dem Angriff gestorben, andere schwer verletzt worden. «Das war eine nationale Tragödie.»

Hat sich an der Prognose was verändert?

Nein, bislang ist nicht absehbar, dass im Senat die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit zustandekommen könnte, um Trump zu verurteilen. Dafür müssten sich 17 Republikaner den 50 demokratischen Senatoren anschliessen. Die geringen Chancen für eine Verurteilung zeigt auch das Votum zur Verfassungsmässigkeit des Verfahrens. 44 republikanische Senatoren werteten den Prozess als nicht verfassungskonform. Dass von ihnen fast ein Dutzend am Ende eben dieses Prozesses umschwenken und für eine Verurteilung ihres Parteikollegen stimmen könnte, ist kaum vorstellbar. Ein Schuldspruch für Trump wäre auch die Voraussetzung für eine Ämtersperre.

Wie geht's weiter?

Ab Mittwoch haben Anklagevertreter und Verteidiger nun ausführlich Zeit, um jeweils 16 Stunden lang über zwei Tage verteilt ihre Argumente vorzubringen. Die Ankläger gaben bereits am Dienstag zum Auftakt einen Vorgeschmack auf ihre Strategie: Sie erinnerten mit eindringlichen Bildern und Worten an die gewaltsame Attacke auf das Kapitol. So präsentierten sie ein Video mit dramatischen Szenen vom 6. Januar und berichteten teils sehr persönlich, wie sie jenen Tag erlebt haben. Sie dürften auch in den kommenden Tagen alles daran setzen, durch Bilder und Erzählungen die Erinnerungen an jenen Januar-Tag wieder zu erwecken, an denen Senatoren sich selbst vor einem wütenden Mob in Sicherheit bringen mussten.

Es wird erwartet, dass das Verfahren nur einige Tage dauern wird und sich womöglich lediglich bis ins Wochenende oder bis in den Beginn der kommenden Woche zieht.

Trump geht als erster US-Präsident in die Geschichte ein, gegen den während seiner Amtszeit gleich zwei Amtsenthebungsverfahren im Repräsentantenhaus eingeleitet wurden. In dem ersten Verfahren musste er sich in der sogenannten Ukraine-Affäre wegen Machtmissbrauchs und der Behinderung von Kongressermittlungen verantworten. Im Februar 2020 wurde er am Ende jedoch von allen Vorwürfen freigesprochen - mit der damaligen Mehrheit seiner Republikaner im Senat. (sda/dpa)

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Trump-Anhänger stürmen Kapitol
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Trump-Anhänger stürmen Kapitol
Am 6. Januar 2021 wurde das Kapitol in Washington von Trump-Anhängern gestürmt.
quelle: keystone / manuel balce ceneta
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Highlights von Bidens Antrittsrede
Video: watson
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46 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Hierundjetzt
10.02.2021 08:00registriert Mai 2015
Republikaner werden in den Gängen des US-Nationalrates gejagt.

5 Tote in der US-Wandelhalle

Der Vizepräsident der USA soll gehängt werden.

Auch Republikaner: phuuu war einfach ein Kindergartenscherz

Wie können sich (psychisch gesunde?) erwachsene Menschen so dermassen selbst verleugnen?

Grund: Wahlkampfschulden in Höhe von 400 Mio / Senatssitz.
20112
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glass9876
10.02.2021 08:07registriert Juli 2015
Ich hoffe, dass Trump die Republikaner nodh lange spaltet und so die ganze Machtfülle für die nächsten 20 Jahre bei den Demokraten bleibt. So hätte er doch etwas positives bewirkt.
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Nurol
10.02.2021 08:06registriert November 2017
Anstatt sich der Aufwiegelung der Orange zu stellen, suchen sie lieber einen juristischen Dreh. Sie wollen also einfach keine klare Stellung zu Trumps Aufruf zum Terrorismus beziehen.
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