Swedbank, Electrolux, Ericsson, der Kugellagerhersteller SKF - eine ganze Reihe schwedischer Unternehmen hat zuletzt in ihren Quartalsberichten gute Zahlen veröffentlicht. Sprich: Die Zahlen waren weniger schlecht als angesichts der Corona-Pandemie erwartet, zum Teil deutlich. Ausser einer allgemeinen wirtschaftlichen Verunsicherung «sehen wir wenige Auswirkungen von Covid-19 auf unsere Aktivität», erklärte Börje Ekholm, CEO des Telekomherstellers Ericsson, dem schwedischen Radio SR.
Der CEO des Stahlverarbeiters Sandvik erklärte, nach dem Tiefschlag im März habe er eine viel schlechtere Entwicklung befürchtet. Die britische Zeitung Financial Times (FT) schloss aus einer grösseren Umfrage, dass sich Schwedens umstrittene Corona-Strategie positiv auf die Wirtschaft auszuwirken scheint. «Ich habe noch nie einen so hohen Anteil an Firmen gesehen, die bessere Resultate liefern, als erwartet wurde. Es sind fast alle Unternehmen», sagte Esbjörn Lundevall, Chefstratege für Aktienmärkte bei der Grossbank SEB, der Financial Times.
Auch die Anzahl Konkurse sei klar tiefer als befürchtet, so Lundevall. Die schwedischen Banken haben entsprechend wenige Einbussen zu verzeichnen, und der Wohnungsmarkt zeigt ebenfalls eine rasche Erholung. Damit gibt es Anzeichen dafür, dass zumindest das Inlandsgeschäft weniger stark leidet als angenommen.
Analysten sagten schon im Mai, dass der Konsum in Schweden weniger stark einzubrechen scheine als in den Nachbarländern, die einen Lockdown hatten. Dagegen ist die schwedische Industrie stärker von Exporten und damit von der Weltwirtschaft abhängig als etwa die dänische. Dies zeigt sich bei Volvo, dessen Verkaufszahlen im zweiten Quartal um 38 Prozent einbrachen. Die Arbeitslosigkeit ist in Schweden auf 9.8 Prozent gestiegen, wobei die Auswirkungen von Kurzarbeit noch unklar sind.
Eine Studie des britischen Analyseunternehmens Capital Economics stimmte bereits letzte Woche optimistische Töne an und bezeichnete Schweden als «Besten in einer schlechten Clique». Dies aufgrund der Prognose, dass das schwedische Bruttonationalprodukt 2020 nur 1.5 Prozent sinke, während es für Dänemark und Norwegen 3, die Schweiz 5 und die Eurozone 7.5 Prozent seien.
«Viel zu optimistisch», nannte das allerdings der angesehene schwedische Ökonom Lars Calmfors, die Prognose beruhe zu stark auf dem ersten Quartal. Calmfors und viele andere Konjunkturforscher sehen einen Rückgang für Schweden um rund 5 Prozent für 2020 - etwa in der Grössenordnung wie die Nachbarländer, aber besser als Frankreich, Grossbritannien oder Italien.
Schweden hatte bekanntlich im Unterschied zu den meisten anderen Ländern keinen strikten Lockdown, sondern Geschäfte, Restaurants und Schulen blieben offen; allerdings blieben viele Arbeitnehmer im Home Office und das wirtschaftliche Leben verlangsamte sich deutlich. Die Strategie ist stark umstritten, da sie zu hohen Ansteckungszahlen und bisher 5700 Todesfällen führte.
Wie SEB-Analyst Esbjörn Lundevall halten auch mehrere schwedische Geschäftsführer die lockere Strategie für einen Vorteil für die Wirtschaft. Insbesondere, dass Grundschulen, Kindergärten und Krippen offen blieben. Lundevall sagte, er glaube, viele Eltern seien dadurch produktiver gewesen, auch im Home Office. Andere sehen einen psychologischen Effekt: Die Schweden seien nun optimistischer bezüglich Arbeiten und Konsumieren, weil sie keinen Lockdown erwarteten.
Wie für alle Länder stellt sich die Frage einer zweiten Welle; sie wird für die Bilanz entscheidend sein. Werden andere Regierungen wieder Restriktionen verordnen, während Schweden dank einer verbreiteten Immunität die Lage - endlich - unter Kontrolle bekommt? Im Moment sind die Ansteckungen in Schweden rückläufig, während viele Länder Anstiege verzeichnen. Doch möglicherweise fahren die Nachbarländer mit ihrer strikten Linie, hohem Testaufwand und vielleicht dank einer frühen Impfung wirtschaftlich mindestens ebenso gut. (bzbasel.ch)