Im Nachhinein ist man immer gescheiter. Das ist das Gute an meiner Geschichte mit Romeo. Romeo. Was für ein Name. Romantisch, maskulin, verheissungsvoll. Mit hardcore Wirkung: Eine Frau, die «Romeo» hört, will Julia sein. Gilt zumindest für mich. Und all meine Freundinnen. Und ihre Freundinnen.
Ich schweife ab.
Mein Romeo und ich matchen auf Tinder. Ich gebe ihm ein Superlike. Wegen des Namens. Bravo, Romeo-Mami, sehr gut gemacht, Romeo-Papi. Dabei ist Romeo gar nicht wirklich mein Typ. Romeo ist blond und biz «gschläckt». Auf seinen Fotos ist immer entweder ein Boot oder ein Auto drauf. Da ich mich nicht auskenne, weiss ich nicht, ob es sich um sehr teure Gefährte handelt oder um Fortbewegungsmittel, die einfach dafür da sind, um von A nach B zu kommen.
Nun gut.
Ich chatte Romeo gleich an. Er chattet zurück. Ich will abmachen. Er auch. Also treffen wir uns schon einige Tage später auf einen Drink an der Sonne. Romeo trägt eine Pilotensonnenbrille, weisse Leinenhosen und ein Kurzarmhemd. Das ist alles okay. Es ist aber einfach nicht meins.
Wir begrüssen uns freundlich. Und setzen uns an den Fluss. Wir reden ein bisschen über Dies und Das, bevor wir bei Romeos Beruf, seinem absoluten Lieblingsthema, ankommen. Romeo ist Social-Media-Verantwortlicher bei einer grossen Firma.
Über Facebook, Instagram, Twitter, Snapchat, Tik Tok und Co. weiss er mehr als Zuckerberg. Er erklärt mir, wie man mit den Plattformen User und Geld verdienen kann. Ich habe nicht gefragt. Dann erklärt er mir, warum mein Instagramaccount zwar okay, aber nicht mehr ist. «Du setzt zu wenig und vor allem die falschen Hashtags.» Auch da, ich habe nicht gefragt.
Als Romeo seinen Job antrat, habe die Firma so gut wie keine Interaktion gehabt. Jetzt gehört sie social-media-mässig zu den Top-Playern im Land. Alles – logisch – dank ihm.
Gelernt hat Romeo von den Besten. Im Silicon Valley. Und auch sonst habe er Tagungen und Kurse überall auf der Welt besucht. Als grosszügiger Mensch gibt er sein Wissen weiter. Als Podcast. Ob ich den schon gehört habe? Habe ich nicht. Er doziere auf Englisch. International halt, you know.
Nein, I don't know.
Dann wird Romeo ganz ernst. Viel Zeit für eine Beziehung habe er nicht. Nebst des Jobs sei er eben auch leidenschaftlicher Golfer. Und er macht gerne Ausfahrten mit seinem Auto und seinem Boot, das er sich mit Kollegen teilt. Dann noch Sport und Familie. Aber die Karriere, die gehe halt klar vor. Und wenn das eine Frau nicht handeln kann, dann sei sie nichts für ihn.
Das ist mein Moment.
Die nächsten zehn Minuten lege ich ein Schauspiel aufs Parkett, das es in sich hat. Ich erzähle Romeo, das mir Beruf und Karriere gar nichts sagt. Dass ich mich in der Zürcher Agglo in einem eher dürftigen Viertel sehr wohl fühle. Da sei ich eben schon aufgewachsen und da wohne ich in einem Studio, das 550 Franken kostet.
Das Zimmerli teile ich mit meinen zwei Meerschweinchen Kliby & Caroline. In der Freizeit würde ich gerne Seidenmalen und töpfern. Ich sei auf der Suche nach dem richtigen Papi für meine Kinder.
Zu meiner Familie habe ich ein so gutes Verhältnis, dass ich es mir nicht vorstellen kann, weiter als 2 Kilometer von meinen Eltern entfernt zu wohnen. Was sehr praktisch sei. Weil sie die Kinderbetreuung übernehmen, falls ich doch irgendwann mal wieder ein bisschen arbeiten will.
Romeo entgleitet das Gesicht bei jedem Satz. Ich habe hier gerade recht viel Spass. #Sorrykarma
Ich frage ihn, ob wir noch ein bisschen romantisch in den Sonnenuntergang spazieren wollen. Er stottert rum und erzählt dann was von er würde gerne, müsse aber noch einmal … ääähmm … ins Büro. Theatralisch mache ich ein trauriges Gesicht.
Ob wir uns morgen wieder sehen? Er melde sich, sagt er, bevor er sehr schnell verschwindet.
Amüsiert setze ich meine Kopfhörer auf, öffne Spotify und suche seinen Podcast. Ich klicke irgendeine Folge an. «Hellou Fans, nice that you are here. I hope you came to learn from the best. My name is Romeo and I am your teacher. I can change your life, I can make you a better person, I can be your key to success…»
Ich lache laut.
Romeo labert nicht nur Müll. Er labert ihn auch im schlechtesten Englisch mit Akzent. So Lothar-Matthäus-Style.
Um grad bei Lothar zu bleiben: Sorry, Romeo, my friend, ju giff mi nossing, sorri!
PS: #NotReallySorry
Adieu,
Hand aufs Herz. Jede Frau erkennt ob es sich um ein Teures handelt, auch wenn Sie keine Ahnung davon hat. 😏