Ich wusste, das ist eine bescheuerte Idee!
Aber was hätte ich auch machen sollen? Am Ende ist sie auf den Knien rumgerutscht, die Kleine. Auf den Knien! Ich darf sie eigentlich nicht «die Kleine» nennen. Aber was eigentlich gilt, ist nun egal.
Ich dürfe alles, hat Emma gesagt.
Ich dürfe alles erzählen, alle Geheimnisse raushauen, alles dürfe ich, wenn ich nur schreibe. (Emma ist wirklich klein, also einen Kopf kleiner als ich.)
Aber nochmals von vorne. Ich bin Cleo. Die Dame, die nicht scheissen kann. Dazu ein andermal. Ich hab nämlich geübt. Ich bin jetzt sozusagen ein Scheiss-Profi! Ich bin ebenfalls die Dame, die «mit Drucktechnik» masturbiert. (Emma hat die Technik nicht begriffen. Oder vielleicht schon. Aber sie ist nicht gekommen. Auch logisch. Ein kleiner Unterschied zwischen Emma und mir: Sie kann nicht vaginal kommen, ich schon. Hehe.) Ich bin Bellas Besitzerin und Emmas beste Freundin.
Und: Ich bin Emmas, ja, wie nennen wir das ... Vertretung? Ersatz? Double? Ich bin einfach die, die schreibt, weil Emma nicht schreiben will. Nicht schreiben kann, wie sie sagt. Ausklinken. Offline gehen. Horizont erweitern. Find ich ja in der Theorie alles gut. Ich habe einfach bisschen Schiss, dass am Ende dieses Selbstfindungstrips eine andere Emma rauskommt, als reingegangen ist. Und das würde ich nicht akzeptieren. Ich will Emma so und genau so, wie sie ist!
Nun also. Hier bin ich. Hasst mich ruhig. Also, ich versteh das. Ich hasse auch alles, das nicht das Gewohnte ist. Ich habe alle Vertretungen meiner Lehrer gehasst, sogar wenn ich die richtigen Lehrer auch schon gehasst habe. Es ist doch einfach so: Neues ist nervig. Soll mir einer erzählen, er freut sich, wenn seine Lieblings-Chips plötzlich eine neue Verpackung haben! Oder wenn nach einem Software-Update alles anders aussieht. Wie gesagt: Ich kann euch verstehen. Ihr kennt Emma. Mich kennt ihr nicht. Aber da müssen wir jetzt durch.
Deshalb, stellen wir uns doch alle mal vor. Ich mache den Anfang: Mein Name ist Cleo. Ich bin grösser, aber jünger als Emma. Ich bin Nichtraucherin. War es schon immer. Dafür kiffe ich. Will aber aufhören. Weil ich zu viel esse, wenn ich kiffe. Und für meinen Job ist nicht gut, wenn ich zunehme. Ich wohne eigentlich in Genf, meine Mutter und ich sind da hingezogen, als sich meine Eltern scheiden liessen. Mein Dad lebt in Zürich. Deshalb war ich früher jedes zweite Wochenende hier. Jetzt bleibe ich manchmal länger. Mein Dad ist eh immer weg. Und seine Wohnung liegt an bester Lage (Kreis 5), ist riesig und so viel schöner als mein WG-Zimmer in Genf. Und er kriegt Tickets für all die Veranstaltungen, an die er selber nicht kann und an denen man gratis trinken kann und ... Leute wie Emma kennenlernt.
Emma arbeitete hinter der Bar. Ich sass an der Bar. Was gut war, denn so konnte ich mich betrinken und hatte gleichzeitig den besten Blick auf die Person hinter der Bar.
Okay, es hat einen Vorteil, dass Emma weg ist, hier kommt nämlich der Part, über den sie es hasst zu sprechen. Was ich natürlich lustig finde und deshalb immer mal wieder davon zu reden anfange. Tatsache ist: Ich hatte einen Crush auf Emma, als wir uns kennenlernten. Was nicht überrascht. Alle haben einen Crush auf Emma, wenn sie sie kennenlernen.
Ich muss vielleicht noch erwähnen: Ich bin bi. Obwohl. Ich weiss nicht, ob man das so nennen kann. Mit Frauen schlafe ich nur. Mit Männern schlafe ich und versuche so anstrengende Konstrukte wie Beziehungen aufzubauen. Mit Frauen tu ich das nicht. Erstens: Ich habe mich nie in eine Frau verliebt, also gab es nie Grund dazu. Ich bin in dieses ganze Bi-Sein so bisschen reingerutscht. Bei einem Dreier. (Reinrutschen ins Bi-Sein, shit, das klingt wahnsinnig bescheuert …) Aber ich meine das nicht abschätzig, liebe Queer-Community! Im Gegenteil, denn zweitens: Ich will mich den Frauen nicht zumuten. Ich will einfach keine Frau verletzen. Denn meistens verliere ich nach dem Sex das Interesse. Passiert dies nicht, mache ich auf Perfect Girlfriend bis … ich das Interesse verliere. Was allerspätestens nach drei Monaten passiert. Okay, dafür verurteile sogar ich mich ein bisschen, denn: Ich habe es, bis auf eine traurige, unschöne Ausnahme, nie länger als drei Monate in einer Beziehung ausgehalten.
Aber zurück zu besagtem Abend. Emma hinter der Bar. Ich an der Bar. Irgendwann haben wir uns unterhalten. Sie checkte nicht, dass ich mit ihr flirtete. Was durchaus daran liegen kann, dass ich eine miserable Flirterin war. Aber was soll ich sagen, ich war jung.
Wir verstanden uns, Emma und ich, und irgendwann war die Party zu Ende. Wir gingen mit den anderen Barleuten in einen Club. Und dann ist es passiert, in dem Getümmel auf der Tanzfläche, und sie bestreitet es heute noch, aber Emma, gib es endlich zu: Wir haben uns geküsst! Nicht lange. Aber es war ein Kuss! (Ja, ich war blau wie Sau, aber ich kann mich erinnern! Ich kann mich ganz klar erinnern!)
So hat unsere Freundschaft angefangen. Also jedenfalls für mich hat sie so angefangen. Emma hat das ja nie erlebt …
Muss ich noch was anfügen? Ach ja, ich bin Single. Seit einer Woche schlafe ich mit einer süssen Möchtegern-Schauspielerin-Slash-Musikerin-Slash-Model-Slash-Alles. Sie ist in einer offenen Beziehung mit einer Frau, die in London lebt. Auch hier bin ich also Ersatz. Vertretung. Double. Scheint gerade mein Lebensmotto zu sein. Wenn ich bei ihr übernachte, spielt sie am Morgen Klavier für mich. Nur in Unterwäsche. Finde ich rührend. Und verzeihe ihr, dass sie immer nur von sich redet.
So, ich habe fertig, bis bald!
Kiss und Klits für euch,
Cleo
P.S. Falls ihr Fragen oder Anmerkungen habt, schreibts in die Kommentare. Komplimente, Gedichte und Heiratsanträge ebenfalls. Ich bin aber nicht so der Kommentiertyp, just saying. Aber lesen werd ichs. Ausser fiese Kritik, Wutausbrüche und anzügliche Sprüche. Die nicht. Die. Nicht.